Der Durst der Hyäne • Der Fremde

Der Durst der Hyäne • Der Fremde

von | 15. Oktober 2020 | Oper

Michaela Preiner

„Der Fremde“ –  Foto: © Helmut Hussian

15.

Oktober 2020

„Das Sirene Operntheater legt in diesem Herbst eine glanzvolle Leistung vor. In seiner 7-teiligen Opernserie, übertitelt mit „Die Verbesserung der Welt“ wurden 7 Kurzopern in Auftrag gegeben, wobei sich jede einzelne einer der sieben Barmherzigkeiten widmet.

Der Durst der Hyäne

Die dritte Oper trug den Titel „Der Durst der Hyäne“. Das Libretto stammt von Kristine Tornquist und handelt von einer kongolesischen Bauernfamilie, deren Kuh stirbt, da sie aus einem Fluss getrunken hat, der durch eine nahe gelegene Mine verunreinigt wurde. Ihrer Existenzgrundlage beraubt, macht sich die Frau auf den Weg zum Minenbesitzer, um von ihm einen Ersatz zu fordern. Dieser jedoch ist von jener Gier gepackt, die in Europa mit der Idee der Gewinnoptimierung und Kapitalakkumulation einhergeht. Metaphorisch transferiert wird diese Gier durch die Metapher der durstigen Hyäne, die trotz dauernden Trinkens ihren Durst nicht stillen kann. Nachdem der Bäuerin nicht geholfen wird, beschließt sie, mit ihrem Mann und drei Hühnern einen Zauberer aufzusuchen, um ihn um Hilfe zu bitten.

Als der Minenbesitzer von einem nicht löschbaren Durst befallen wird, macht sich dessen Frau auch auf den Weg zu diesem Zauberer, der schließlich als Bindeglied und Vermittler zwischen den Welten agiert.

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„Der Durst der Hyäne“ Sirene Operntheater (Foto: © Armin Bardel)
Besetzt wurde die Oper durchgängig mit Schwarzen Menschen mit herausragenden sängerischen Qualitäten. Eine absolut richtige Entscheidung, die dem Publikum in Wien eine einzigartige Erfahrung bot. Zwar gab es zuvor auch schon Besetzungen dieser Art wie zum Beispiel bei den Wiener Festwochen, jedoch handelte es sich dabei um hoch dotierte, internationale Produktionen mit Tourneecharakter. An dieser Stelle wie schon mehrmals – Hut ab, vor den dafür Verantwortlichen beim Sirene Operntheater.

Antoin Herrera-López Kessel, Owen Metsileng, Caroline Modiba, Bibiana Nwobilo und Tye Maurice Thomas bildeten ein Ensemble, das eine verblüffende, qualitative Homogenität aufwies. Jeder und jede waren theatralisch ausdrucksstark und stimmlich bestens disponiert und hinterließen einen nachhaltigen Eindruck.

Die Musik von Julia Purgina verblüffte einigermaßen. Ließ sie doch gleich zu Beginn mit ganz und gar nicht afrikanischer Instrumentalbesetzung aufhorchen. Ganz im Gegenteil kommt bei ihr ein Instrument zum Einsatz, das wohl eines der europäischsten in der Musikgeschichte ist: einem Cembalo. Die Vermeidung jeglicher Art musikalischer Afrikanismen transferierte die Oper ad hoc in unsere Zeit, in welcher die Globalisierung auch die Musik erfasst hat und westliche Klänge auch in die entferntesten Winkel der Erde transportiert werden.

Nicht nur, dass die Komponistin bei der Instrumentalisierung von zu Erwartendem Abstand genommen hat. Sie vermittelte mit ihrer Arbeit auch den Eindruck, dass der Gesang und das Geschehen im Orchester nur sehr reduziert miteinander korrespondierten. Dennoch verwendete sie wiedererkennbare Charakter-Motive wie jenes des ewig lamentierenden Bauern, der bei seinen Wehklagen kräftig von der Klarinette unterstützt wurde. Der Zauberer wiederum erschien mit Flötentönen und hohem Geigenzirpen auf der Bühne. Stark emotionale Stellen erhielten ein orchestrales Echo aus donnernden Posaunen und Trommeln oder dunklen Bläsern.

Das Bühnenbild bestand aus einer im Raum aufgezogenen Stoffbahn, auf der Schwarz-Weiß-Projektionen sichtbar wurden. Diese Art einer „ärmlichen“ Ausstattung weckte Erinnerungen an die Kunst von William Kentridge, ohne diese jedoch zu kopieren.

Das Ende, das nicht von Zauberkünsten hervorgerufen wurde, jedoch von geschickt eingefädelten Ausgleichszahlungen, romantisiert nichts. Es zeigt aber, dass es auch in einer Welt wie der unseren möglich ist, aus dem Irrwitz des kapitalistischen Geschehens auszubrechen und Menschlichkeit an den Tag zu legen.

Besetzt wurde die Oper durchgängig mit Schwarzen Menschen mit herausragenden sängerischen Qualitäten. Eine absolut richtige Entscheidung, die dem Publikum in Wien eine einzigartige Erfahrung bot. Zwar gab es zuvor auch schon Besetzungen dieser Art wie zum Beispiel bei den Wiener Festwochen, jedoch handelte es sich dabei um hoch dotierte, internationale Produktionen mit Tourneecharakter. An dieser Stelle wie schon mehrmals – Hut ab, vor den dafür Verantwortlichen beim Sirene Operntheater.

Antoin Herrera-López Kessel, Owen Metsileng, Caroline Modiba, Bibiana Nwobilo und Tye Maurice Thomas bildeten ein Ensemble, das eine verblüffende, qualitative Homogenität aufwies. Jeder und jede waren theatralisch ausdrucksstark und stimmlich bestens disponiert und hinterließen einen nachhaltigen Eindruck.

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„Der Durst der Hyäne“ • Fotos: © Armin Bardel
Die Musik von Julia Purgina verblüffte einigermaßen. Ließ sie doch gleich zu Beginn mit ganz und gar nicht afrikanischer Instrumentalbesetzung aufhorchen. Ganz im Gegenteil kommt bei ihr ein Instrument zum Einsatz, das wohl eines der europäischsten in der Musikgeschichte ist: einem Cembalo. Die Vermeidung jeglicher Art musikalischer Afrikanismen transferierte die Oper ad hoc in unsere Zeit, in welcher die Globalisierung auch die Musik erfasst hat und westliche Klänge auch in die entferntesten Winkel der Erde transportiert werden.

Nicht nur, dass die Komponistin bei der Instrumentalisierung von zu Erwartendem Abstand genommen hat. Sie vermittelte mit ihrer Arbeit auch den Eindruck, dass der Gesang und das Geschehen im Orchester nur sehr reduziert miteinander korrespondierten. Dennoch verwendete sie wiedererkennbare Charakter-Motive wie jenes des ewig lamentierenden Bauern, der bei seinen Wehklagen kräftig von der Klarinette unterstützt wurde. Der Zauberer wiederum erschien mit Flötentönen und hohem Geigenzirpen auf der Bühne. Stark emotionale Stellen erhielten ein orchestrales Echo aus donnernden Posaunen und Trommeln oder dunklen Bläsern.

Das Bühnenbild bestand aus einer im Raum aufgezogenen Stoffbahn, auf der Schwarz-Weiß-Projektionen sichtbar wurden. Diese Art einer „ärmlichen“ Ausstattung weckte Erinnerungen an die Kunst von William Kentridge, ohne diese jedoch zu kopieren.

Das Ende, das nicht von Zauberkünsten hervorgerufen wurde, jedoch von geschickt eingefädelten Ausgleichszahlungen, romantisiert nichts. Es zeigt aber, dass es auch in einer Welt wie der unseren möglich ist, aus dem Irrwitz des kapitalistischen Geschehens auszubrechen und Menschlichkeit an den Tag zu legen.

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„Der Durst der Hyäne“ © Armin Bardel
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Der Fremde

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„Der Fremde“ –  Foto: © Helmut Hussian
Einer der bisherigen Höhepunkte war die Kurzoper „Der Fremde“, komponiert von Gerhard E. Winkler, intoniert vom Ensemble Phace unter dem Dirigat von Francois-Pierre Escamps.

Vom Publikum auch am letzten Aufführungstag zu Recht noch heftigst akklamiert, erzählte der Plot von einem arabischen Flüchtling, der von einem Familienvater zum Übernachten in sein Haus aufgenommen wird. Der Text von Martin Horváth trägt selbst jede Menge Musikalität in sich und wirkt in einigen Passagen stark holzschnitthaft.

Nur zwei der Figuren, nämlich die Tochter der „Gastfamilie“, sowie der Flüchtling tragen Namen, die nicht von ungefähr so gewählt wurden. „Eleonore“ bedeutet die Barzmherzige und „Gharib“ heißt übersetzt „Fremder“. Die anderen Familienmitglieder werden nur als Tochter, Sohn, Mann oder Frau bezeichnet. Ein subtiler Hinweis auf die Prototypenhaftigkeit dieser Personen.

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„Der Fremde“ –  Foto: © Helmut Hussian
Bald schon nach der Aufnahme von Gharib kommt es zu Spannungen in der Familie, denn der Sohn meint das geltende Recht verletzt, das die Aufnahme von Flüchtlingen verbietet, während die Mutter die Ablehnung ihres Sonntagsbratens als Beleidigung ersten Ranges ansieht. Immer wieder hält sie den Teller mit dem aufgeklebten und somit gut sichtbaren Frankfurterwürstel anklagend über ihrem Kopf in die Höhe und zeigt damit deutlich, dass sie nicht imstande ist, die religiös bedingte Kulturdifferenz zu überwinden.

Kristine Tornquists Regie arbeitet mit plakativen Kostümen (Katharina Kappert), so als ob die Figuren direkt aus den Geschichten von Wilhelm Busch entsprungen wären. Der Vater trägt ein grünes Kostüm – die Hoffnung symbolisierend, die Mutter ein grell gelbes – der Neid spielt in der Entwicklung der Figur eine nicht unerhebliche Rolle. In grellem Orange hampelt der xenophobe Junge herum, seine bedachte Schwester trägt ein Kleid in hellem Blau. Nicht zu vergessen jenes Trachtenpärchen, das von Beginn an in stereotypen Tanzschritten um das kleine Hausidyll immer wieder herumwirbelt und dabei einen schalen Beigeschmack hinterlässt. Sie verkörpern jene Gesinnungshaltung, die das traditionell-Alpenländische dem Fremden feindselig gegenüberstellt. Dass es mit diesen Ingredienzien zu einer bedrohlichen Klimax des Geschehens kommen muss, ist von Beginn an klar.

Der Fremde

Einer der bisherigen Höhepunkte war die Kurzoper „Der Fremde“, komponiert von Gerhard E. Winkler, intoniert vom Ensemble Phace unter dem Dirigat von Francois-Pierre Escamps.

Vom Publikum auch am letzten Aufführungstag zu Recht noch heftigst akklamiert, erzählte der Plot von einem arabischen Flüchtling, der von einem Familienvater zum Übernachten in sein Haus aufgenommen wird. Der Text von Martin Horváth trägt selbst jede Menge Musikalität in sich und wirkt in einigen Passagen stark holzschnitthaft.

Nur zwei der Figuren, nämlich die Tochter der „Gastfamilie“, sowie der Flüchtling tragen Namen, die nicht von ungefähr so gewählt wurden. „Eleonore“ bedeutet die Barzmherzige und „Gharib“ heißt übersetzt „Fremder“. Die anderen Familienmitglieder werden nur als Tochter, Sohn, Mann oder Frau bezeichnet. Ein subtiler Hinweis auf die Prototypenhaftigkeit dieser Personen.

Bald schon nach der Aufnahme von Gharib kommt es zu Spannungen in der Familie, denn der Sohn meint das geltende Recht verletzt, das die Aufnahme von Flüchtlingen verbietet, während die Mutter die Ablehnung ihres Sonntagsbratens als Beleidigung ersten Ranges ansieht. Immer wieder hält sie den Teller mit dem aufgeklebten und somit gut sichtbaren Frankfurterwürstel anklagend über ihrem Kopf in die Höhe und zeigt damit deutlich, dass sie nicht imstande ist, die religiös bedingte Kulturdifferenz zu überwinden.

Kristine Tornquists Regie arbeitet mit plakativen Kostümen (Katharina Kappert), so als ob die Figuren direkt aus den Geschichten von Wilhelm Busch entsprungen wären. Der Vater trägt ein grünes Kostüm – die Hoffnung symbolisierend, die Mutter ein grell gelbes – der Neid spielt in der Entwicklung der Figur eine nicht unerhebliche Rolle. In grellem Orange hampelt der xenophobe Junge herum, seine bedachte Schwester trägt ein Kleid in hellem Blau. Nicht zu vergessen jenes Trachtenpärchen, das von Beginn an in stereotypen Tanzschritten um das kleine Hausidyll immer wieder herumwirbelt und dabei einen schalen Beigeschmack hinterlässt. Sie verkörpern jene Gesinnungshaltung, die das traditionell-Alpenländische dem Fremden feindselig gegenüberstellt. Dass es mit diesen Ingredienzien zu einer bedrohlichen Klimax des Geschehens kommen muss, ist von Beginn an klar.

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„Der Fremde“ –  Foto: © Helmut Hussian
Musikalisch ist das Geschehen extrem klug aufgesetzt. Während Vater, Sohn und Mutter mit deutlich erkennbaren Zitaten konotiert sind – von Sarastros großer Arie bis hin zu swingenden, jazzigen Klängen oder „Over the rainbow“ spannt sich dieser Bogen – zeigt die blinde Eleonore in einer berückend schönen, unabgekupferten, beinahe spätromantischen Arie ihren Charakter und wird dabei von zarten, singenden Geigen, Celli und Flöten begleitet. Gharib wird erst zum Schluss der Aufführung mit seinem Gesang in seiner Muttersprache „redend“. Zuvor waren es nur einzelne Töne auf ein- bis zweisilbigen Wörtern, die von ihm zu hören waren. Eine schöne Metapher für die Sprachlosigkeit von neu eingewanderten Menschen und deren Hilflosigkeit, sich in einer fremden Sprache auszudrücken.

Der Reiz der Oper basiert zu gleichen Teilen auf der musikalisch klugen Umsetzung, sowie der Regie, die keinen Zweifel daran lässt, dass die Barmherzigkeit über einer stupiden Gesetzestreue steht.

Romana Amerling, Bernd Fröhlich, Johanna Krokovay, Johannes Schwendinger und John Sweeney boten gesangliche Glanzleistungen, Bärbel Strehlau und Harald Wink steuerten die markanten Tanzeinlagen bei. Fazit: Hier wurde ein grandioses Kleinod präsentiert.

Musikalisch ist das Geschehen extrem klug aufgesetzt. Während Vater, Sohn und Mutter mit deutlich erkennbaren Zitaten konotiert sind – von Sarastros großer Arie bis hin zu swingenden, jazzigen Klängen oder „Over the rainbow“ spannt sich dieser Bogen – zeigt die blinde Eleonore in einer berückend schönen, unabgekupferten, beinahe spätromantischen Arie ihren Charakter und wird dabei von zarten, singenden Geigen, Celli und Flöten begleitet. Gharib wird erst zum Schluss der Aufführung mit seinem Gesang in seiner Muttersprache „redend“. Zuvor waren es nur einzelne Töne auf ein- bis zweisilbigen Wörtern, die von ihm zu hören waren. Eine schöne Metapher für die Sprachlosigkeit von neu eingewanderten Menschen und deren Hilflosigkeit, sich in einer fremden Sprache auszudrücken.
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Der Reiz der Oper basiert zu gleichen Teilen auf der musikalisch klugen Umsetzung, sowie der Regie, die keinen Zweifel daran lässt, dass die Barmherzigkeit über einer stupiden Gesetzestreue steht.

Romana Amerling, Bernd Fröhlich, Johanna Krokovay, Johannes Schwendinger und John Sweeney boten gesangliche Glanzleistungen, Bärbel Strehlau und Harald Wink steuerten die markanten Tanzeinlagen bei. Fazit: Hier wurde ein grandioses Kleinod präsentiert.

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