Auf der Hompepage der documenta12 ist eine pdf-Datei zum Download bereit gestellt, die einen wirklich staunen lässt und das Gefühl erzeugt, als sei die documenta12 so etwas wie ein rechtsfreier Raum, geboren aus kreativen Geschäftsideen, im Umfeld von diskursiv angelegten Kunsttheorien. Da diese Hinweise aber von hoher Brisanz sind, und mehrere Anfragen meinerseits ignoriert oder ohne Beantwortung blieben, hier eine kurze Zusammenfassung: Hier die Pdf-Datei downloaden
- Extern moderierte Gespräche und Führungen können nur nach Voranmeldung und im Rahmen der Kapazitäten möglich gemacht werden.
- Aus Kapazitätsgründen können externe Führungen und Gespräche nur montags bis freitags zwischen 12 und 15 Uhr und einer maximalen Dauer von 2 Stunden zugelassen werden.
- Es ist erforderlich, den Besuch vorzustellen
- Die documenta12 behält sich vor, unter Umständen eine Lizenzgebühr zu erheben
- Moderierte Gespräche und Führungen kommerzieller Anbieter werden nicht genehmigt
- Auf einem Antragsformular müssen verschiedene Informationen offen gelegt werden, bis hin zur inhaltlichen Angabe über die geplante Vermittlung
Dass professionelle Reiseveranstalter auf die Barrikaden steigen ist verständlich. Dass sich aber bislang aus dem Kunstbetrieb zu diesem – verzeihen Sie mir den Ausdruck – Maulkorberlass niemand geäußert hat, nicht wirklich. Denn, die documenta12 spricht diese Restriktionen ja nicht gegen die kommerziellen Führungen aus, die sind ja ohnehin verboten. Vielmehr geht es um alle externen Führungen oder auch nur Gesprächsmoderationen! Jedem halbwegs intelligenten Menschen muss klar sein, dass so eine Entscheidung Auswirkungen in vielerlei Hinsicht nach sich zieht. Die einfachst zu denkenden Auswirkungen, die sich aus dem veröffentlichten Regelwerk ableiten, sind die monokausalen. Also jene, die sich direkt aus dieser geplanten Handhabung ableiten. So müssen z.B. – sollten Verstöße gegen diese Anordnungen auch tatsächlich geahndet werden – unterschiedliche Vorkehrungen getroffen werden. Davon ist auszugehen, sonst bräuchte man sie ja gar nicht zu veröffentlichen. Davon aber abgesehen, stellt sich eine ganze Reihe von Fragen wie z.B:
- Auf welcher Rechtsgrundlage basieren diese Anordnungen?
- Bilden die auf dem Antrag, der an die Documenta übermittelt werden muss, festgesetzten Fragepunkte die Grundlagen zur Entscheidung, ob dem Antrag stattgegeben wird oder nicht?
- Welches sind die k.o. Krieterien? Was also veranlasst die Documenta, eine nicht kommerzielle Führung aufgrund des gestellten Antrages nicht zuzulassen?
- Die restriktive Einschränkung der Zeiten, in welchen Führungen durchgeführt werden dürfen (Mo – Fr zwischen 12 und 15 Uhr) sowie die Beschränkung auf jeweils 2 Stunden wird mit dem begrenzten Platzangebot argumentiert. Da sich die Documenta jedoch über mehrere Spielstätten in der Stadt verteilt, erscheint diese Argumentation nicht wirklich schlüssig. Welche Gründe, abgesehen von dieser Argumentation, haben die Verantwortlichen dazu veranlasst, Führungen auf zwei Stunden zu limitieren?
- Wenn es wirtschaftliche Gründe, wie jene eines vermeintlichen Verdienstentganges sind, wurde der Verdienstentgang durch nicht bei der Documenta gebuchten Führungen kalkulatorisch angesetzt und in welcher Höhe würden Einnahmen aus diesem Bereich verloren gehen?
- In welchem Verhältnis dazu steht der finanzielle Aufwand der Verwaltung und juridischen Begleitung, der mit der Restriktion verbunden ist?
- Wie vereinbaren sich derart restriktive Maßnahmen, mit der von Roger M. Buergel explizit ausgesprochenen und auch veröffentlichten Aufforderung eines in Anspruch zu nehmenden Gestaltungsspielraumes?
„Eine politische Ausstellung, wie ich sie verstehe, soll den BesucherInnen das Gefühl geben, über die Ausstellung Teil der kompositorischen Aktivität des Weltmachens zu sein: also für die Welt, in der wir leben, aktiv Verantwortung zu übernehmen. Zu wissen, dass man Gestaltungsspielraum hat und diesen auch in Anspruch zu nehmen.“?
- Speziell der Punkt: „Information über Art und Inhalt des angebotenen Bildungsangebots zur documenta12“, der verlangt, dies im Voraus offenzulegen, gibt Anlass zur Sorge, da er sich wie ein unterschwelliger Maulkorberlass liest. Welche Gründe gibt es, diese Frage im Antragsformular zu stellen und wie sollen Antragsteller generell mit dieser Frage umgehen?
- Wann und wofür ist vorgesehen, wie in der homepage angekündigt war, eine Lizenzgebühr einzuheben, und in welcher Höhe ist diese angesetzt?
- Wurden Maßnahmen getroffen, um Überprüfungen der stattfindenden, angemeldeten und nicht-angemeldeten externen Führungen durchzuführen? Wenn ja, welche?
- Wie werden die Angaben in den Antragsformularen überprüft?
- Welche Angaben aus den Antragsformularen werden für welche Zwecke wie weiter verwendet?
- Wer zeichnet für die Zu- oder Absage der Führungserlaubnis verantwortlich?
Und schließlich eine nicht unwesentliche Frage:
- Wurden diese Anordnungen mit den Eigentümern der „Documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH“, sprich der Stadt Kassel und dem Land Hessen abgesprochen?
Abseits dieses unvollständigen Fragenkataloges und der sich daraus ergebenden Auswirkungen gibt es eine ganze Reihe von Effekten, die jedoch weitaus schwerer wiegen. Nämlich jene, die in den internationalen Kunstmarkt ausstrahlen, und die mit dieser Aktion bereits als Denkprozesse angestoßen wurden. Ob dies beabsichtigt war, oder nicht, eine Vorbildwirkung geht von einer Institution wie der Documenta12 immer aus. Es stellt sich nämlich sofort die prinzipielle Frage, ob Museen, Ausstellungshallen und sonstige, von der öffentlichen Hand geförderte, kulturelle Träger von sich aus ein Monopol auf die Wissensvermittlung der jeweiligen Ausstellung, Darbietung o.ä. errichten dürfen, wie dies gerade bei der documenta12 geschieht. Derzeit ist nämlich, um es überspitzt zu formulieren, eine allgemeine Redefreiheit, zumindest in den europäischen Museen, Usus. Dies betrifft nun nicht nur kommerzielle Reiseveranstalter, sondern auch jegliche Gruppen, die sich von eigenen, kunstkundigen Personen wie z.B. Lehrenden führen lassen. Welches wären die Auswirkungen, würden Beschneidungen, wie in Kassel vorexerziert, allgemein Anklang finden? Wie sähe es plötzlich mit jenem demokratie- und bislang auch kulturpolitisch erwünschten Anspruch eines allgemeinen Zuganges zu Wissen aus? Dürften Diskussionen sich nur mehr außerhalb jener Vermittlungsinstitutionen abspielen, wenn man nicht Gefahr laufen möchte, eine Regelverletzung einzugehen oder vielleicht sogar noch eine Lizenzgebühr zu zahlen? Wenn Informationen über Künstler und den Kunstmarkt lizenzrechtlich geschützt werden, wie ist es dann noch möglich, eine uneingeschränkte Pressefreiheit zu garantieren?
Soll einer der letzten Freiräume in unserer hoch technologisierten und durchreglementierten Gesellschaft unter dem Deckmäntelchen der „wissenden Vermittlung“ so beschnitten werden, dass auch hier rein marktwirtschaftliche Überlegungen das letzte Wort haben? Gerade auch die explizite Untersagung von kommerziellen Führungen hinterlässt auf der Gefühlsebene der Besucher den Eindruck, dass es sich wohl auch in der Kunst um eine Zweiklassengesellschaft handelt. Nämlich geteilt in jene, die die Macht des Wissenszuganges haben und jene, die davon ausgeschlossen werden. Die Antworten, die die documenta12-Verantwortlichen demgegenüber anführen berücksichtigen nicht, dass es schlussendlich darauf hinaus läuft, dass ihre Führungen eben kostenpflichtig sind. Ob nun der wirtschaftliche oder der Gedanke der allseligmachenden Vermittlung im Vordergrund stand oder etwas ganz anderes: Fakt ist, mit dieser Entscheidung wurde nicht nur ein Erklärungsfass ohne Boden aufgemacht, vielmehr ist der sich darin befindliche Fusel übel stinkend und höflich, aber dankend abzulehnen.
Hier die Pdf-Datei: Externe Führungen