(Beinahe) folgsam formierte sich nach dieser unmissverständlichen Aufforderung eines jungen Schauspielers am Premierenabend von „Schubert – eine Winterwanderung, Teil 2, ein kleines Häufchen Publikum in der Porzellangasse vor dem Schauspielhaus. Begleitet von einigen AssistentInnen des Theaters, die mit Nachtwächterlaternchen ausgestattet waren, ging es dann – überhaupt nicht im gewollten 2er-Reihen-Gänsemarsch – zum nahe gelegenen Ziel – in das Erich-Fried-Realgymnasium. Die Besucherinnen und Besucher des Schauspielhauses sind eben, das wurde schnell klar, nicht wirklich gut zu disziplinieren! Dort, wo zu Schuberts Zeiten einst Äcker und Felder waren und sich heute besagte Schule befindet, fädelten sich die werten Damen und Herren dann jedoch ganz brav in die eng aneinandergestellte Schulbankreihen des Musikzimmers. Und erlebten dabei unwillkürlich das Aufkommen von Erinnerungen an die eigene Schulzeit, die sich emotional wahrscheinlich nicht wesentlich von jener Schuberts unterschieden hat. Zwar ist der militärische Drill, den das heranreifende Genie erleiden musste, subtileren Dressurmethoden gewichen. Das Eintrichtern von Wissen jeglicher Art war und ist bis auf den heutigen Tag dennoch mit vielerlei Nadelstichen versehen, die so manche junge Seele tief verletzen.
Und genauso, wie eine ordentliche Schulstunde, behandelte Regisseur Gernot Grünewald das Thema rund um Schuberts Schuljahre im k.k. Stadtkonvikt, sowie seine anschließende Not als angehender Schulmeister mit den Kindern in der Schule seines Vaters, in der er unter allen Umständen dessen Nachfolger werden sollte – in 45 Minuten.
Die Entscheidung, mit aufkaschierten historischen Portraits aus der Zeit des Komponisten, die Gesichter der Protagonistinnen und Protagonisten teilweise zu verhüllen, hatte etwas von einer kindlichen Attitüde – aber schließlich saß man ja auch in einer Schulstunde! Und so kippte das Geschehen permanent zwischen Schulaufführung und professionellem Off-Theater. Eine Gratwanderung, die nicht nur plausibel erschien, sondern auch funktionierte.
Haeki Min am Klavier und der voluminöse, satte Bassbariton von Ben Connor trugen viel dazu bei, die jeweiligen Stimmungen musikalisch einzufärben. Dass sie zugleich auch zeigten, dass Schubert einmal – wie er es selbst gehofft hatte – weit über seinen Einflussbereich am Alsergrund hinaus wahrgenommen werden würde war – wenn beabsichtigt – ein cleverer Regieeinfall. „Erst durch die Interpretation dieser beiden, nicht aus Wien Stammenden, habe ich begriffen, dass Schuberts Melancholie und seine Todessehnsucht von Menschen auf der ganzen Welt verstanden und nachempfunden werden kann“, hörte ich eine Dame aus dem Publikum nach der Aufführung sagen, die selbst in Schuberts Heimatbezirk aufgewachsen war.
Was an Bühnenbild fehlte, wurde mit dem Auflegen von Overhead-Folien wettgemacht. Auf ihnen war nicht nur die „Schubertkirche“ (Pfarrkirche Lichtental) zu sehen, sondern mit ihnen zauberte Johanna Elisabeth Rehm, wie schon im 1. Teil vor allem in ihrer Fragilität berührend, auch winterliches Flair in den Klassenraum. Dazu genügte allein das Aufstreuen von Kokosflocken auf die Projektionsfläche und im Nu war das Knirschen des Schnees in einer kalten Winternacht spürbar. Sie verkörperte sowohl Schuberts Mutter als auch seine erste, große Liebe und hatte, auch Dank der ausgeklügelten Regie, keinerlei Mühe damit.
Es war aber nicht allein die intelligente Inszenierung, welche zu beeindrucken imstande war. Am stärksten lebte die Aufführung von den zur Schau getragenen Emotionen Schuberts – allen voran jenen, die er erlitt, als er sich von seiner Mutter trennen musste, um Zögling im Konvikt zu werden. Der Knabe Simon Fischerauer bohrte sich mit seiner Performance ganz tief in die Herzen, als er wieder und wieder von seinem Vater schroff abgewiesen und weggestoßen wurde, während er in seinem rasenden, kindlichen Schmerz nach seiner Mutter rief und an ihrer statt vergeblich bei seinem Vater Liebe und Geborgenheit suchte. Mit seiner glasklaren Sängerknabenstimme durfte er schon zuvor das Heideröslein wiedergeben und dann im Anschluss zeigen, dass in ihm auch ein großes schauspielerisches Talent angelegt ist. Martin Schlatte hingegen durfte die Zerrissenheit des jungen Schubert vermitteln, der unter dem Tod seiner Mutter und das Einsetzen des Stimmbruches im selben Jahr seine bisherige Existenz in Scherben geborsten sah. Die übermenschliche Produktivität des Jahres 1815, in welcher Schubert mehr als 100 Lieder komponierte, übergoss sich förmlich auch aufs Publikum. Unterlegt mit extrem nervendem Kindergeschrei – wer einmal in einem Pausenhof von Erstklässlern Aufsicht hatte, weiß „ein Lied davon zu singen“, fetzte Schlatte ein Notenblatt nach dem anderen vom Schreibtisch, immer mit der flehenden Bitte um mehr Papier – die in der Schubertkorrespondenz getreulich nachzulesen ist. Eine eindrucksvolle Interpretation des Geniebegriffes, die klar machte, dass es für ihn keinerlei Alternativen geben konnte, ja mehr noch, dass man heute vielleicht von Obsessionen sprechen würde, die es unter allen Umständen zu heilen gelte!
Auffallend war, dass die Inszenierung mit Farben geizte. Nicht nur die Projektionen waren in Schwarz-Weiß gehalten, sondern auch sämtliche Kostüme, was das Geschehen in einen ganz bestimmten Bedeutungshof verankerte. Man konnte sich leicht die erklärende Stimme des Regisseurs dazu vorstellen: „Das, was hier gezeigt wird, das was ihr gerade seht, ist Historie; ja mehr noch: Ist etwas, woran man sich nur durch die Überlieferung erinnert, was in einem selbst als bildhafte Gedanken zum Leben Schuberts. Und gerade diese Erinnerungen sind bei den meisten Menschen nicht bunt angefärbelt.“ Eine Ideenumsetzung, die in diesem Kontext sehr stimmig wirkte.
Hannes Prendl und Sebastian Zeleny durften auch dieses Mal, wie schon im ersten Teil des Schubertzyklus, in verschiedene Rollen schlüpfen, und darin überzeugen. Bei der Verbeugung des gesamten Teams – und dies bei langanhaltendem Applaus – konnte man feststellen, dass nicht nur ergraute Theaterhasen interessante Abende gestalten können. Vielmehr bezauberte hier die Jugend, deren Enthusiasmus, Lebenslust aber auch Können beglückend wirkten.
(Beinahe) folgsam formierte sich nach dieser unmissverständlichen Aufforderung eines jungen Schauspielers am Premierenabend von „Schubert – eine Winterwanderung, Teil 2, ein kleines Häufchen Publikum in der Porzellangasse vor dem Schauspielhaus. Begleitet von einigen AssistentInnen des Theaters, die mit Nachtwächterlaternchen ausgestattet waren, ging es dann – überhaupt nicht im gewollten 2er-Reihen-Gänsemarsch – zum nahe gelegenen Ziel – in das Erich-Fried-Realgymnasium. Die Besucherinnen und Besucher des Schauspielhauses sind eben, das wurde schnell klar, nicht wirklich gut zu disziplinieren! Dort, wo zu Schuberts Zeiten einst Äcker und Felder waren und sich heute besagte Schule befindet, fädelten sich die werten Damen und Herren dann jedoch ganz brav in die eng aneinandergestellte Schulbankreihen des Musikzimmers. Und erlebten dabei unwillkürlich das Aufkommen von Erinnerungen an die eigene Schulzeit, die sich emotional wahrscheinlich nicht wesentlich von jener Schuberts unterschieden hat. Zwar ist der militärische Drill, den das heranreifende Genie erleiden musste, subtileren Dressurmethoden gewichen. Das Eintrichtern von Wissen jeglicher Art war und ist bis auf den heutigen Tag dennoch mit vielerlei Nadelstichen versehen, die so manche junge Seele tief verletzen.
Und genauso, wie eine ordentliche Schulstunde, behandelte der junge Regisseur Gernot Grünewald das Thema rund um Schuberts Schuljahre im k.k. Stadtkonvikt, sowie seine anschließende Not als angehender Schulmeister mit den Kindern in der Schule seines Vaters, in der er unter allen Umständen dessen Nachfolger werden sollte – in 45 Minuten.
Die Entscheidung, mit aufkaschierten historischen Portraits aus der Zeit des Komponisten, die Gesichter der Protagonistinnen und Protagonisten teilweise zu verhüllen, hatte etwas von einer kindlichen Attitüde – aber schließlich saß man ja auch in einer Schulstunde! Und so kippte das Geschehen permanent zwischen Schulaufführung und professionellem Off-Theater. Eine Gratwanderung, die nicht nur plausibel erschien, sondern auch funktionierte.
Haeki Min am Klavier und der voluminöse, satte Bassbariton von Ben Connor trugen viel dazu bei, die jeweiligen Stimmungen musikalisch einzufärben. Dass sie zugleich auch zeigten, dass Schubert einmal – wie er es selbst gehofft hatte – weit über seinen Einflussbereich am Alsergrund hinaus wahrgenommen werden würde war – wenn beabsichtigt – ein cleverer Regieeinfall. „Erst durch die Interpretation dieser beiden, nicht aus Wien Stammenden, habe ich begriffen, dass Schuberts Melancholie und seine Todessehnsucht von Menschen auf der ganzen Welt verstanden und nachempfunden werden kann“, hörte ich eine Dame aus dem Publikum nach der Aufführung sagen, die selbst in Schuberts Heimatbezirk aufgewachsen war.
Was an Bühnenbild fehlte, wurde mit dem Auflegen von Overhead-Folien wettgemacht. Auf ihnen war nicht nur die „Schubertkirche“ (Pfarrkirche Lichtental) zu sehen, sondern mit ihnen zauberte Johanna Elisabeth Rehm auch winterliches Flair in den Klassenraum. Dazu genügte allein das Aufstreuen von Kokosflocken auf die Projektionsfläche und im Nu war das Knirschen des Schnees in einer kalten Winternacht spürbar. Sie verkörperte sowohl Schuberts Mutter als auch seine erste, große Liebe und hatte, auch Dank der ausgeklügelten Regie von Gernot Grünewald, keinerlei Mühe damit.
Es war aber nicht allein die intelligente Inszenierung, welche zu beeindrucken imstande war. Am stärksten lebte die Aufführung von den zur Schau getragenen Emotionen Schuberts – allen voran jenen, die er erlitt, als er sich von seiner Mutter trennen musste, um Zögling im Konvikt zu werden. Der Knabe Simon Fischerauer bohrte sich mit seiner Performance ganz tief in die Herzen, als er wieder und wieder von seinem Vater schroff abgewiesen und weggestoßen wurde, während er in seinem rasenden, kindlichen Schmerz nach seiner Mutter rief und an ihrer statt vergeblich bei seinem Vater Liebe und Geborgenheit suchte. Mit seiner glasklaren Sängerknabenstimme durfte er schon zuvor das Heideröslein wiedergeben und dann im Anschluss zeigen, dass in ihm auch ein großes schauspielerisches Talent angelegt ist.
Auffallend war, dass die Inszenierung mit Farben geizte. Nicht nur die Projektionen waren in Schwarz-Weiß gehalten, sondern auch sämtliche Kostüme, was das Geschehen in einen ganz bestimmten Bedeutungshof verankerte. Man konnte sich leicht die erklärende Stimme des Regisseurs dazu vorstellen: „Das, was hier gezeigt wird, das was ihr gerade seht, ist Historie; ja mehr noch: Ist etwas, woran man sich nur durch die Überlieferung erinnert, was in einem selbst als bildhafte Gedanken zum Leben Schuberts. Und gerade diese Erinnerungen sind bei den meisten Menschen nicht bunt angefärbelt.“ Eine Ideenumsetzung, die in diesem Kontext sehr stimmig wirkte.
Hannes Prendl und Sebastian Zeleny durften auch dieses Mal, wie schon im ersten Teil des Schubertzyklus, in verschiedene Rollen schlüpfen, und darin überzeugen. Bei der Verbeugung des gesamten Teams – und dies bei langanhaltendem Applaus – konnte man feststellen, dass nicht nur erfahrene Theaterhasen interessante Abende gestalten können. Vielmehr bezauberte hier die Jugend, deren Enthusiasmus, Lebenslust aber auch Können beglückend wirkten.
(Beinahe) folgsam formierte sich nach dieser unmissverständlichen Aufforderung eines jungen Schauspielers am Premierenabend von „Schubert – eine Winterwanderung, Teil 2, ein kleines Häufchen Publikum in der Porzellangasse vor dem Schauspielhaus. Begleitet von einigen AssistentInnen des Theaters, die mit Nachtwächterlaternchen ausgestattet waren, ging es dann – überhaupt nicht im gewollten 2er-Reihen-Gänsemarsch – zum nahe gelegenen Ziel – in das Erich-Fried-Realgymnasium. Die Besucherinnen und Besucher des Schauspielhauses sind eben, das wurde schnell klar, nicht wirklich gut zu disziplinieren! Dort, wo zu Schuberts Zeiten einst Äcker und Felder waren und sich heute besagte Schule befindet, fädelten sich die werten Damen und Herren dann jedoch ganz brav in die eng aneinandergestellte Schulbankreihen des Musikzimmers. Und erlebten dabei unwillkürlich das Aufkommen von Erinnerungen an die eigene Schulzeit, die sich emotional wahrscheinlich nicht wesentlich von jener Schuberts unterschieden hat. Zwar ist der militärische Drill, den das heranreifende Genie erleiden musste, subtileren Dressurmethoden gewichen. Das Eintrichtern von Wissen jeglicher Art war und ist bis auf den heutigen Tag dennoch mit vielerlei Nadelstichen versehen, die so manche junge Seele tief verletzen.
Und genauso, wie eine ordentliche Schulstunde, behandelte der junge Regisseur Gernot Grünewald das Thema rund um Schuberts Schuljahre im k.k. Stadtkonvikt, sowie seine anschließende Not als angehender Schulmeister mit den Kindern in der Schule seines Vaters, in der er unter allen Umständen dessen Nachfolger werden sollte – in 45 Minuten.
Die Entscheidung, mit aufkaschierten historischen Portraits aus der Zeit des Komponisten, die Gesichter der Protagonistinnen und Protagonisten teilweise zu verhüllen, hatte etwas von einer kindlichen Attitüde – aber schließlich saß man ja auch in einer Schulstunde! Und so kippte das Geschehen permanent zwischen Schulaufführung und professionellem Off-Theater. Eine Gratwanderung, die nicht nur plausibel erschien, sondern auch funktionierte.
Haeki Min am Klavier und der voluminöse, satte Bassbariton von Ben Connor trugen viel dazu bei, die jeweiligen Stimmungen musikalisch einzufärben. Dass sie zugleich auch zeigten, dass Schubert einmal – wie er es selbst gehofft hatte – weit über seinen Einflussbereich am Alsergrund hinaus wahrgenommen werden würde war – wenn beabsichtigt – ein cleverer Regieeinfall. „Erst durch die Interpretation dieser beiden, nicht aus Wien Stammenden, habe ich begriffen, dass Schuberts Melancholie und seine Todessehnsucht von Menschen auf der ganzen Welt verstanden und nachempfunden werden kann“, hörte ich eine Dame aus dem Publikum nach der Aufführung sagen, die selbst in Schuberts Heimatbezirk aufgewachsen war.
Was an Bühnenbild fehlte, wurde mit dem Auflegen von Overhead-Folien wettgemacht. Auf ihnen war nicht nur die „Schubertkirche“ (Pfarrkirche Lichtental) zu sehen, sondern mit ihnen zauberte Johanna Elisabeth Rehm auch winterliches Flair in den Klassenraum. Dazu genügte allein das Aufstreuen von Kokosflocken auf die Projektionsfläche und im Nu war das Knirschen des Schnees in einer kalten Winternacht spürbar. Sie verkörperte sowohl Schuberts Mutter als auch seine erste, große Liebe und hatte, auch Dank der ausgeklügelten Regie von Gernot Grünewald, keinerlei Mühe damit.
Es war aber nicht allein die intelligente Inszenierung, welche zu beeindrucken imstande war. Am stärksten lebte die Aufführung von den zur Schau getragenen Emotionen Schuberts – allen voran jenen, die er erlitt, als er sich von seiner Mutter trennen musste, um Zögling im Konvikt zu werden. Der Knabe Simon Fischerauer bohrte sich mit seiner Performance ganz tief in die Herzen, als er wieder und wieder von seinem Vater schroff abgewiesen und weggestoßen wurde, während er in seinem rasenden, kindlichen Schmerz nach seiner Mutter rief und an ihrer statt vergeblich bei seinem Vater Liebe und Geborgenheit suchte. Mit seiner glasklaren Sängerknabenstimme durfte er schon zuvor das Heideröslein wiedergeben und dann im Anschluss zeigen, dass in ihm auch ein großes schauspielerisches Talent angelegt ist.
Auffallend war, dass die Inszenierung mit Farben geizte. Nicht nur die Projektionen waren in Schwarz-Weiß gehalten, sondern auch sämtliche Kostüme, was das Geschehen in einen ganz bestimmten Bedeutungshof verankerte. Man konnte sich leicht die erklärende Stimme des Regisseurs dazu vorstellen: „Das, was hier gezeigt wird, das was ihr gerade seht, ist Historie; ja mehr noch: Ist etwas, woran man sich nur durch die Überlieferung erinnert, was in einem selbst als bildhafte Gedanken zum Leben Schuberts. Und gerade diese Erinnerungen sind bei den meisten Menschen nicht bunt angefärbelt.“ Eine Ideenumsetzung, die in diesem Kontext sehr stimmig wirkte.
Hannes Prendl und Sebastian Zeleny durften auch dieses Mal, wie schon im ersten Teil des Schubertzyklus, in verschiedene Rollen schlüpfen, und darin überzeugen. Bei der Verbeugung des gesamten Teams – und dies bei langanhaltendem Applaus – konnte man feststellen, dass nicht nur erfahrene Theaterhasen interessante Abende gestalten können. Vielmehr bezauberte hier die Jugend, deren Enthusiasmus, Lebenslust aber auch Können beglückend wirkten.
(Beinahe) folgsam formierte sich nach dieser unmissverständlichen Aufforderung eines jungen Schauspielers am Premierenabend von „Schubert – eine Winterwanderung, Teil 2, ein kleines Häufchen Publikum in der Porzellangasse vor dem Schauspielhaus. Begleitet von einigen AssistentInnen des Theaters, die mit Nachtwächterlaternchen ausgestattet waren, ging es dann – überhaupt nicht im gewollten 2er-Reihen-Gänsemarsch – zum nahe gelegenen Ziel – in das Erich-Fried-Realgymnasium. Die Besucherinnen und Besucher des Schauspielhauses sind eben, das wurde schnell klar, nicht wirklich gut zu disziplinieren! Dort, wo zu Schuberts Zeiten einst Äcker und Felder waren und sich heute besagte Schule befindet, fädelten sich die werten Damen und Herren dann jedoch ganz brav in die eng aneinandergestellte Schulbankreihen des Musikzimmers. Und erlebten dabei unwillkürlich das Aufkommen von Erinnerungen an die eigene Schulzeit, die sich emotional wahrscheinlich nicht wesentlich von jener Schuberts unterschieden hat. Zwar ist der militärische Drill, den das heranreifende Genie erleiden musste, subtileren Dressurmethoden gewichen. Das Eintrichtern von Wissen jeglicher Art war und ist bis auf den heutigen Tag dennoch mit vielerlei Nadelstichen versehen, die so manche junge Seele tief verletzen.
Und genauso, wie eine ordentliche Schulstunde, behandelte der junge Regisseur Gernot Grünewald das Thema rund um Schuberts Schuljahre im k.k. Stadtkonvikt, sowie seine anschließende Not als angehender Schulmeister mit den Kindern in der Schule seines Vaters, in der er unter allen Umständen dessen Nachfolger werden sollte – in 45 Minuten.
Die Entscheidung, mit aufkaschierten historischen Portraits aus der Zeit des Komponisten, die Gesichter der Protagonistinnen und Protagonisten teilweise zu verhüllen, hatte etwas von einer kindlichen Attitüde – aber schließlich saß man ja auch in einer Schulstunde! Und so kippte das Geschehen permanent zwischen Schulaufführung und professionellem Off-Theater. Eine Gratwanderung, die nicht nur plausibel erschien, sondern auch funktionierte.
Haeki Min am Klavier und der voluminöse, satte Bassbariton von Ben Connor trugen viel dazu bei, die jeweiligen Stimmungen musikalisch einzufärben. Dass sie zugleich auch zeigten, dass Schubert einmal – wie er es selbst gehofft hatte – weit über seinen Einflussbereich am Alsergrund hinaus wahrgenommen werden würde war – wenn beabsichtigt – ein cleverer Regieeinfall. „Erst durch die Interpretation dieser beiden, nicht aus Wien Stammenden, habe ich begriffen, dass Schuberts Melancholie und seine Todessehnsucht von Menschen auf der ganzen Welt verstanden und nachempfunden werden kann“, hörte ich eine Dame aus dem Publikum nach der Aufführung sagen, die selbst in Schuberts Heimatbezirk aufgewachsen war.
Was an Bühnenbild fehlte, wurde mit dem Auflegen von Overhead-Folien wettgemacht. Auf ihnen war nicht nur die „Schubertkirche“ (Pfarrkirche Lichtental) zu sehen, sondern mit ihnen zauberte Johanna Elisabeth Rehm auch winterliches Flair in den Klassenraum. Dazu genügte allein das Aufstreuen von Kokosflocken auf die Projektionsfläche und im Nu war das Knirschen des Schnees in einer kalten Winternacht spürbar. Sie verkörperte sowohl Schuberts Mutter als auch seine erste, große Liebe und hatte, auch Dank der ausgeklügelten Regie von Gernot Grünewald, keinerlei Mühe damit.
Es war aber nicht allein die intelligente Inszenierung, welche zu beeindrucken imstande war. Am stärksten lebte die Aufführung von den zur Schau getragenen Emotionen Schuberts – allen voran jenen, die er erlitt, als er sich von seiner Mutter trennen musste, um Zögling im Konvikt zu werden. Der Knabe Simon Fischerauer bohrte sich mit seiner Performance ganz tief in die Herzen, als er wieder und wieder von seinem Vater schroff abgewiesen und weggestoßen wurde, während er in seinem rasenden, kindlichen Schmerz nach seiner Mutter rief und an ihrer statt vergeblich bei seinem Vater Liebe und Geborgenheit suchte. Mit seiner glasklaren Sängerknabenstimme durfte er schon zuvor das Heideröslein wiedergeben und dann im Anschluss zeigen, dass in ihm auch ein großes schauspielerisches Talent angelegt ist.
Auffallend war, dass die Inszenierung mit Farben geizte. Nicht nur die Projektionen waren in Schwarz-Weiß gehalten, sondern auch sämtliche Kostüme, was das Geschehen in einen ganz bestimmten Bedeutungshof verankerte. Man konnte sich leicht die erklärende Stimme des Regisseurs dazu vorstellen: „Das, was hier gezeigt wird, das was ihr gerade seht, ist Historie; ja mehr noch: Ist etwas, woran man sich nur durch die Überlieferung erinnert, was in einem selbst als bildhafte Gedanken zum Leben Schuberts. Und gerade diese Erinnerungen sind bei den meisten Menschen nicht bunt angefärbelt.“ Eine Ideenumsetzung, die in diesem Kontext sehr stimmig wirkte.
Hannes Prendl und Sebastian Zeleny durften auch dieses Mal, wie schon im ersten Teil des Schubertzyklus, in verschiedene Rollen schlüpfen, und darin überzeugen. Bei der Verbeugung des gesamten Teams – und dies bei langanhaltendem Applaus – konnte man feststellen, dass nicht nur erfahrene Theaterhasen interessante Abende gestalten können. Vielmehr bezauberte hier die Jugend, deren Enthusiasmus, Lebenslust aber auch Können beglückend wirkten.