Schön, dass auch das OPS menschelt

SCHIFF Heinrich 01@Alexander Basta1

Heinrich Schiff (Foto: Alexander Basta)

Im ersten Konzert des neuen Jahres hatte das OPS, das Philharmonische Orchester Straßburg, eine mittelprächtige Herausforderung zu meistern. Sagte doch 1 Woche vor Aufführung Sir Andrew Davis seinen Gastauftritt mit dem OPS aus schwerwiegenden, familiären Gründen ab. Nun ist dies für ein Orchester, das gewohnt ist mit vielen Gastdirigenten zu arbeiten, noch keine Dramatik, wenn dann aber auch das Programm modifiziert werden muss und ein Konzertteil gegen einen anderen ausgetauscht wird, dann kommen selbst routinierte Musikerinnen und Musiker leicht ins Transpirieren. Ob die Damen und Herren dies tatsächlich taten sei dahin gestellt. Dass sie sich einer großen Herausforderung gegenüber standen, ist unzweifelhaft. In quasi „letzter“ Sekunde war der Österreicher Heinrich Schiff als Dirigent eingesprungen. Er änderte jedoch das Programm ab, indem er anstelle der geplanten Konzertouverture op. 50  von Edward Elgar die Feuervogelsuite Nr. 2 in der Fassung von 1919 von Igor Strawinsky spielen ließ.

Als Einstimmung war Samuel Barbers Medeas Meditation and Dance of vengeance op. 23 a zu hören. Die leise, flirrende, Unheil ankündigende Einleitung zeigte, wie feinfühlig das Orchester sich auf Barbers Beschreibung des antiken Dramas von Medea einließ. Selbstredend, dass der dramatische Schluss, nachdem sich das Klangbild bis dorthin drohend verdichtet hatte, alle Assoziationsketten hin zu dieser tragischen, antiken Gestalt öffnete, die ihre Kinder aus Rache an ihrem Gatten ermordete. Einmal mehr konnte man Barbers Stil im wahrsten Sinne des Wortes frönen, denn obwohl das vorgetragene Arrangement eine Bearbeitung des ursprünglichen Ballettes aus dem Jahr 1956 ist, spart es nicht mit lyrischen und dramatischen Stilmitteln, die die Ohren des Publikums umschmeicheln bzw. hellhörig werden lassen.

Dem eindrucksvollen Beginn, der so feinsinnig musiziert worden war, folgte Strawinskys Feuervogel, den Heinrich Schiff mit vollem Einsatz zum Leben erweckte. Der Märchenvogel spreizte gleich eingangs weit seine Flügel und vollführte grazil seine ersten Flüge. An den Gesichtern der Musikerinnen und Musikern konnte man die Freude am Zusammenspiel mit diesem Dirigenten ablesen. Als Schiff schließlich den Auftakt zum Höllentanz des Königs Kastschej laut mit „tok-tok“ einzählte, waren, ob dieser ungewöhnlichen Einsatzvorgabe, nicht nur die Orchestermitglieder amüsiert. Ungeachtet dessen peitschte sie der Dirigent durch die feurige Musik, dass die akustischen Funken nur so flogen. Einmal mehr zeigten die Bläser mit lupenreinen Soli ihr bravouröses Können, wofür sie Schiff auch mit Extraapplaus bedenken ließ. Aber auch die Streicher zeigten in der beinahe bis zur akustischen Hörgrenze wahrnehmbaren Begleitung des Wiegenliedes und in der Einleitung des Finales, wie sehr sie ihre Instrumente als wispernde und beruhigende Stimmen einsetzen können, was als höchste Qualitätsstufe angesehen werden kann.

Mit dem dritten Stück, der Symphonie Nr. 3 in c-Moll op. 78, der „Orgelsymphonie“ von Camille Saint-Saëns blieb der Abend ganz im“ dramatischen Fach“. Wie bei vielen Aufführungen im Konzertsaal litt auch diese ein bisschen unter der wenig klanglichen Brillanz der elektronischen Orgel, die von Thierry Escaich gespielt wurde. Umso intensiver waren jedoch die brillanten Klaviereinsätze vernehmbar, die wiederum bei Aufführungen in Kirchen mit großem Hallvolumen meist unterzugehen drohen. Sichtbar hoch motiviert agierten die Cellisten in diesem Stück, kein Wunder, gilt doch Heinrich Schiff als einer der ganz Großen auf diesem wunderschönen Instrument. Ihn direkt vor sich als Maestro zu sehen, wirkte sich beflügelnd auf die Musikerinnen und Musiker mit diesem Instrument aus. Ein Umstand, der besonders hervorgehoben werden muss. Denn gerade die Cellistinnen und Cellisten zeigten ohnehin kein einziges Mal in dieser Saison auch nur kleine Unstimmigkeiten, dafür aber umso höheren künstlerischen Einsatz. Hier noch eine Steigerung zu erleben, war beeindruckend. Dass einige winzige Anblasschwächen bei den Hörnern zu vernehmen waren, sollte zum Schluss der Kritik eigentlich nur als Fußnote vermerkt werden. Ein rundum gelungener Abend, an dem es im OPS aber auch einmal richtig „menscheln“ durfte.

Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Französisch

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