Pinguine, Raubkatzen und ein Känguru

Von Aurelia Gruber

„An der Arche um Acht“ (Foto: Copyright: Reinhard Werner/Burgtheater)
11.
Jänner 2018

Es gibt weltberühmte Kinderbuchautorinnen und -autoren. Astrid Lindgren ist eine solche, aber auch Erich Kästner fällt einem sofort ein, wenn über dieses Thema gesprochen oder geschrieben wird. In jüngster Zeit muss ein Name im gleichen Atemzug genannt werden: Ulrich Hub.

In Wien werden derzeit gleich zwei Kinder- bzw. Jugendstücke von ihm gespielt. An der Arche um acht ist im Kasino am Schwarzenbergplatz, der Burgtheaterdependance, zu sehen. „Ein Känguru wie du“ wird im Dschungel Wien gespielt. Wer sich informieren möchte, wie großartig aktuelle Stücke für junges Publikum sein können, sollte sich beide Vorstellungen nicht entgehen lassen. Egal ob mit oder ohne Nachwuchsbegleitung. In beiden Stücken werden brisante Themen behandelt.

An der Arche um acht

In „An der Arche um acht“ müssen drei Pinguine vor einer neuerlichen Sintflut, weil Tier und Mensch Gott auf die Nerven geht, in eine Arche fliehen. Nicht nur, dass sie dabei einen von ihnen als blinden Passagier verstecken müssen, es dürfen ja nur immer Pärchen in das Schiff! Sie kommen dabei auch gehörig ins Grübeln, wie das denn nun mit Gott eigentlich so ist: Wo lebt er, hat ihn je jemand gesehen? Ist er eine Erfindung, oder tun die Pinguine gut daran, sich an Gebote zu halten, um am Ende ihres Lebens nicht bestraft zu werden?

Julia Burgers Regie lässt viel Raum nicht nur für Ulrich Hubs sprachliche Finessen, sondern das Publikum darf sich auch über jede Menge Klamauk freuen. Hans Dieter Knebel, Tino Hillebrand und Marta Kizyma watscheln als Pinguine mit entsprechendem Outfit amüsant über Styroporeis und fischen gleich zu Beginn so manchen Unrat aus dem arktischen Meer. (Bühne Claudia Vallant, Kostüme Sabine Ebner) Ihr Versteckspiel im großen Überseekoffer gleicht einer atemberaubenden Farce, bei der kein Lachmuskel unbeansprucht bleibt.

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„An der Arche um Acht“ (Foto: Copyright: Reinhard Werner/Burgtheater)

Brigitta Furgler ist als weiße, schon etwas vergessliche Taube eine Idealbesetzung und Bernhard Moshammer begleitet das Geschehen nicht nur als alter Mann, dem man assoziativ auch göttliche Eigenschaften zuschreiben könnte. Er agiert mit einer Art auditiver Wundertüten-Kiste und sorgt damit für jede Menge Musik. Hubs Kunst liegt darin, nicht nur darin aufzuzeigen, dass es viele unterschiedliche Meinungen zum Thema Gott und Religion gibt. Vielmehr ist es die einfache und zugleich höchst prägnante Sprache, die der Autor verwendet, um auch komplexe, philosophische Gedankengänge zu beschreiben, die fasziniert. Die Tatsache, dass Humor dabei ein tragender Baustein ist, dass es keinerlei erhobenen Zeigefinger gibt, die Pinguine aber auch nicht aus ihrer Eigenverantwortung entlassen werden und Fatalismus letztlich keinen Platz hat, ist dabei ebenso wichtig. Die Dialoge weisen so viele Ebenen auf, dass sie für Kinder und Erwachsene gleichermaßen geeignet sind. Egal, welcher Religion man angehört, oder ob man atheistisch oder agnostisch denkt, die Grundfragen von Ethik und Moral und der Verantwortung für das eigene Tun bleiben letztlich immer dieselben. Auch für die drei Pinguine.

Ein Känguru wie du

Im Stück „Ein Känguru wie du“ verfolgt Ulrich Hub ein gänzlich anderes Thema, wenngleich um nichts weniger brisant. Django, ein großes Känguru, fühlt sich im Boxring richtig wohl. Sein Handicap: Es ist schwul und hat keinen Freund. Deswegen lässt es sich darauf ein, mit dem weißen Tiger Pascha und dem schwarzen Panther Lucky in den nahen Zirkus mitzukommen. Die beiden Raubkatzen glauben fälschlicherweise, dass ihr Trainer ebenfalls schwul ist und suchen nach einem geeigneten Partner für ihn, um endlich eine richtige Familie gründen zu können.

Im Vorfeld der Uraufführung gab es einige Turbulenzen, musste doch das Theater in Baden-Baden das Stück vom Spielplan nehmen. Nicht, weil es lautstarken Gegenwind gegeben hätte, sondern weil das Publikum in stillem Protest schlichtweg ausblieb. Dies führte man darauf zurück, dass Elternvertretungen ihre Kinder nicht mit dieser Thematik konfrontieren wollten. In Wien blieb diese Reaktion aus. Vielmehr wissen hier die Verantwortlichen von Publikumsgesprächen zu berichten, in welchen klar wird, dass Kinder weder eine Scheu haben, über dieses Thema zu sprechen, noch dass es in ihrem Lebensalltag keinen Platz hätte. Erzählen sie doch von Verwandten oder erwachsenen Freunden, die es mit dieser sexuellen Ausrichtung schwer haben, oder freuen sich darüber, wenn diese einen Partner fürs Leben fanden.

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Ein Känguru wie du (Foto: ISKRA Foto Max Gruber)

Die Inszenierung von Nika Sommeregger, Gründerin des teater Iskra, bleibt an Ulrich Hubs rasantem Erzähltempo. Da werden Kunststücke vollführt – Sitz!, Platz! Männchen machen! Pfötchen geben! Da flanieren die beiden Raubkatzen arbeitsbefreit am Strand und wundern sich, warum die Menschen in Panik davonlaufen. Da treffen sie auf das boxende Känguru und haben höchsten Erklärungsnotstand, als sie draufkommen, dass es schwul ist und sie selbst jedoch mit jeder Menge Vorurteile behaftet sind. Ganz so, wie auch ihr Trainer, der Zirkusdirektor.

Die Schimpftirade, die er gegen das Känguru loslässt, findet sich so an jedem x-beliebigen Stammtisch landauf und landab. Einfach großartig, wie die Kinder im Publikum sich darüber amüsieren und die Verlogenheit und Angst der Erwachsenen in dieser Suada spielend durchschauen.

Auch der wunderbar verklausulierte Verweis auf die monegassische Prinzessin, die alljährlich einen Pokal für den besten Zirkusauftritt vergibt und damit extra mit dem Moped angeschauscht kommt, macht mehrfach Spaß. Die fantasievollen, zum Teil gehäkelten Kostüme und der Zirkusvorhang mit Mehrfacheinsatz (Ausstattung Peter Ketturkat, Karin Bayerle) reichen völlig aus, um in Gedanken die unterschiedlichen Szenerien zu bereisen.

Die Bedenken Erwachsener, Kinder wären mit dem Stück überfordert, oder das Argument, die darin vorkommenden Ausdrücke wären nicht kindgerecht, gelten nicht. Wer auch nur einmal im Pausenhof einer Volksschule den Kindern aufmerksam zugehört hat, weiß, dass Warmduscher noch eine der harmlosesten Beschimpfungen ist, die dort verwendet werden. Gewiss, es gibt Unterschiede, was die Pausengespräche betrifft, je nach dem sozialen Umfeld der Kinder. Aber zu glauben, das Thema Homosexualität würde vor den Toren der Schulen Halt machen, ist reichlich naiv.

Dass ausgerechnet das schwule Känguru mit Tatkraft und Führungsqualität schließlich die alles entscheidende Zirkusvorstellung rettet, bei welcher der Zirkusdirektor vor Lampenfieber versagt, entspricht ganz und gar nicht den stereotypen Vorstellungen von homosexuellen Männern. Wie wunderbar, dass Ulrich Hub hier den Charakter der Menschen in den Vordergrund stellt und wissen lässt, dass es schließlich nicht darauf ankommt, ob Mann auf Mann, Frau auf Frau oder wie oder was oder wen überhaupt steht.

 

  • Weitere Infos für „Ein Känguru wie du“ auf der Homepage des Dschungel Wien.
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