Musizieren sollte für alle Menschen zugängig sein
21. Dezember 2024
Mit ‚Piano forte – Inklusiv‘ rief Stephan Fiedler eine Initiative ins Leben, die Menschen mit Behinderung einen erleichterten Zugang zu einer musikalischen Ausbildung verschaffen soll.
Michaela Preiner
Lesezeit: 6 Minuten
Foto: (Klavierhaus Fiedler)

In Österreich ist es schier undenkbar, ohne Musik aufzuwachsen. Damit ist nicht gemeint, ein Instrument zu erlernen, sondern schlichtweg Musik auch passiv zu konsumieren. Ob aus dem Radio, oder gestreamt, ob als Zuhörende bei einem Konzert oder letztlich selbst Musizierende – Musik gehört zu Österreich wie sonst kaum ein anderes Kulturgut.

Dass viele Menschen in ihrer Freizeit auch aktiv musizieren, ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass Österreich ein gutes Netz an Musikschulen aufzuweisen hat. Für die Allerkleinsten gibt es Kurse, in welchen musikalische Früherziehung unterrichtet wird. Ab dem Schulalter stehen dann alle Instrumente zur Auswahl, die man lernen möchte.

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Anna-Maria Javornik, Stefan Fiedler (Foto: Klavierhaus Fiedler)


Wo es aber immer noch eklatanten Nachholbedarf gibt, ist ein Angebot für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Das möchte Stephan Fiedler ändern. Der Inhaber des sage und schreibe 176 Jahre „jungen“ Klavierhauses Fiedler in Graz hat es sich zum Ziel gesetzt, die Musikausbildung auch für all jene zu öffnen, denen dies bis jetzt verwehrt war. Von Blauäugigkeit kann man bei dem umtriebigen Geschäftsmann nicht sprechen, denn seine Aktivitäten gehen in eine Richtung, die hoffen lässt, dass sich im System des Musikunterrichts in Österreich etwas ändert. Auf die Idee kam er durch seine Frau Fiona Fiedler, die seit 2019 ein Nationalratsmandat innehat. Einer ihrer Schwerpunkte ist das Thema Inklusion. Ihre Bemühungen, Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft wesentlich stärker zu integrieren, hatte wesentlichen Einfluss auf das, was Stephan Fiedler vehement verfolgt.

Einen langen Atem zu haben, scheint die Fiedler-Dynastie im Blut zu haben. Nicht nur, dass der Betrieb einer der ältesten in Graz ist, der über 6 Generationen hindurch am selben Ort Klaviere verkauft. Seit dem Jahr 2006 unterstützt der jetzige Betriebsinhaber auch karitative Projekte. Mit dem Geld, das er bei Konzerten mit Jugendlichen seiner Reihe ‚Piano forte – Jugend am Klavier‘ einspielte, unterstützte er bis 2022 die Kinderonkologie in Graz, um dort musiktherapeutische Maßnahmen einzusetzen. Mit der Verankerung in einem Gesetz, das nun österreichweit diese Therapieform an den Krankenhäusern verpflichtend implementiert, hätte sich Stephan Fiedler zufriedengeben können. Jedoch weit gefehlt. Seit diesem Jahr nun erhielt die Konzertreihe einen veränderten Namen. ‚Piano forte – Inklusiv‘ macht deutlich, dass Musizierende mit und ohne Behinderungen das jeweilige Konzert gemeinsam bestreiten.

Eröffnet wurde die neue Reihe im Frühling im Spiegelfoyer der Oper Graz, drei weitere Konzerte fanden im Salon des Klavierhauses Fiedler statt. Zum Abschlusskonzert lud Stephan Fiedler in die Firma Casarista, nur wenige Gehminuten vom Klaviergeschäft entfernt. Der großzügige Saal, ausgestattet mit einem Bösendorfer-Konzertflügel, beeindruckte nicht nur das Publikum, sondern ließ auch den Puls der jungen Musizierenden höherschlagen.

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Sofia Maholetti, Laetitia Chiara Taurer, Maja Kürbisch & Idil Naz Alici (Foto: Klavierhaus Fiedler)


Geladen und gekommen waren nicht nur sie mit ihren Lehrpersonen, Eltern und Freunden, sondern auch wichtige Führungspersönlichkeiten des Johann-Josef-Fux-Konservatoriums sowie der Rektor der Musik-UNI-Graz. Mit dabei waren ebenso der ehemalige Rektor der Med.Uni Graz, sowie Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. Ohne das Verständnis und ein offenes Ohr für das Anliegen dieser Personen, Musik inklusiv zu unterrichten, würde aus der Idee der Familie Fiedler kein größeres Pflänzchen wachsen können. Mit dem Bewusstsein für die Thematik und dem Willen, etwas zu ändern, und zwar genau dort, wo Musik unterrichtet wird, scheint doch einiges in Bewegung zu geraten. Und so war beim Abschlusskonzert zu erfahren, dass nicht nur an den Musikschulen vermehrt daran gearbeitet wird, Lehrende auszubilden, die inklusiv unterrichten können. Auch der Studienplan an der Universität für Musik und darstellende Kunst, der komplett reformiert wird, sollte künftig eine Möglichkeit bieten, auf diesem Gebiet tätig zu werden.

Beim Jahres-Abschlusskonzert wurde vorgelebt, was Inklusion auf der Bühne bedeutet, musizierten doch Kinder und Jugendliche mit Behinderungen mit solchen, die keine Behinderungen haben, auf Augenhöhe und das sichtbar mit einer gewaltigen Portion Spaß. Stephan Fiedlers lockere und authentische Art durch den Abend zu führen, minderte sichtlich so manches Lampenfieber der jungen Künstlerinnen und Künstler. Von klassischem Repertoire hin zu Pop-Songs, von choristischen Einlagen zu Perkussion-unterstützten Hits spannte sich der breite Bogen der musikalischen Darbietungen.

Mit der smarten Idee, bei diesem Abschlusskonzert sämtliche Zugaben, die bei den vorangegangenen Konzerten erklangen, noch einmal aufzuführen, erhielt der Abend ein ganz besonderes Flair. Erfrischend waren die Auftritte, bei welchen sich im Rotationsverfahren die jungen Pianistinnen und Pianisten beim Spielen eines einzigen Stückes abwechselten. Genauso sympathisch erklang aber auch die Aufführung von „Feliz Navidad“, bei welcher Lehrende, Schülerinnen und Schüler, aber auch Stephan Fiedler selbst dem Publikum musikalische Weihnachtsgrüße übermittelte.

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Lukas Bergler, Dorothee Helene Breidler (Foto: Klavierhaus Fiedler)

Ungläubiges Staunen rief am Schluss des Abends eine ungewöhnliche, handwerkliche Tätigkeit hervor, begann Stephan Fiedler doch vor versammeltem Publikum eine Klaviertaste aus einem Piano auszubauen. Diese stolz hochhaltend, erläuterte er die allerneueste Idee: Mit dem Kauf einer Klaviertaste um 500 Euro unterstützt man einen Wettbewerb, der steirische Musikschulen anspornen soll, ihr inklusives Konzept bis Mitte nächsten Jahres einzureichen. Eine Fachjury wird den Sieger prämieren und die Firma Kawai gemeinsam mit dem Haus Fiedler jene Summer verdoppeln, die durch den Klaviertastenverkauf zustande gekommen sein wird. Jene Summe wird in einen Flügel investiert, der schließlich seinen Weg in die prämierte Schule antreten wird.

Wem diese Idee gefällt, kann sie selbstverständlich monetär unterstützen. Hier finden Sie alle Informationen dazu.

„Inklusion wird erst dann erreicht sein, wenn man darüber nicht mehr sprechen muss“, so ein Abschluss-Statement von Fiona Fiedler. Dass man noch lange davon entfernt ist, ist wohl allen Menschen klar, die mit dem Thema konfrontiert sind. Aber auch, dass es dringend Initiativen wie ‚Piano forte – Inklusiv‘ bedarf, um den Weg zur Inklusion tatsächlich auch ebnen zu können.

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Lieselotte Sorko, Arthur Emil Noé (Fotos: Klavierhaus Fiedler9


Ein großes „BRAVI“ nicht nur an die Familie Fiedler, sondern vor allem auch an alle Beteiligten auf der Bühne:

Eldar Gazizullin, Lorenz Tatschl, Lia-Sophie Ascher, Vincent Fiedler, Lieselotte Sorko, Arthur Emil Noé, Sofia Maholetti, Philip Pscheidt, Laetitia Chiara Taurer, Peter Feyertag, Theodor David, Lukas Bergler, Maja Kürbisch, Nora Cvitkovic, Leo Tang, Nikolaus Haslmayer, Idil Naz Alici, Yichen Wei, Dorothee Breidler, Valentin Sho Kern, Julius Legat, Chaiwat Charoensak, Anna Maria Javornik, Miriam Kartusch, Robert Pöch;

Unterrichtet wurden und werden die Kinder und Jugendlichen von:
Anfisa Bobylova, Aliki Jianniou, Andrea Waldeck, Barbara Stranegger, Thaïs-Bernarda Bauer, Anna Ulaieva-Stöhr, Dong Yeon Stelzmüller, Irina Vaterl, Kristin Hütter, Fiona Fortin, Christoph Bratl, Katharina-Larissa Paech, Aima Labra-Makk, Philipp Scheucher, Anke Schittenhelm, Patrik Thurner, Gernot Rupp, Burghardt Frauenlob, Denys Zhdanov, Christian Tarla, Irina Maholetti;

Da ‚Piano Forte – Inklusiv‘ eine private Initiative ist, sollen an dieser Stelle auch all jene Institutionen vor den Vorhang geholt werden, welche für das Gelingen des Abends mitverantwortlich waren:
MS Leoben, Johann-Joseph-Fux Konservatorium Graz, Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, Universität für Musik und darstellende Kunst Oberschützen, MS Weiz, MS Gleisdorf, MS Mürzzuschlag.

Infos für künftige Aktivitäten im Rahmen von ‚Piano forte – Inklusiv‘ finden sich auf der Website des Klavierhauses Fiedler & Sohn.