Philharmonisches Orchester Freiburg beim Festival Musica

Im Rahmen des Festivals Musica gastierte das Philharmonische Orchester Freiburg unter der Leitung von Fabrice Bollon mit drei Werken zeitgenössischer Komponisten in Straßburg. Das Programm enthielt die Stücke Dead City Radio. Audiodrome aus dem Jahre 2003 vom nur 41jährig verstorbenen Komponisten Fausto Romitelli, sowie „Im Lichte – Musik für 2 Klaviere und Orchester“ des jungen Österreichers Johannes Maria Staud. Zum Abschluss wurde Bernard Cavannas „Karl Koop Konzert“ aus dem Jahre 2008 präsentiert, welches er seinem Großvater widmete. Der Abend zeigte klar und deutlich, dass die drei Komponisten trotz aller unterschiedlichen Zugänge zu ihren Themen eine Formensprache gefunden haben, welche die Zuhörerinnen und Zuhörer in ihren Bann zog. Und weiters, dass sie alle drei gewillt waren, erzählerische Momente in ihre Musik einfließen zu lassen.

Fausto Romitellis schuf mit seinem Stück, das sich mit der Übertragung von Informationen in einem bestimmten Kanal beschäftigt, eine symphonische Arbeit, in der er ein bekanntes Thema von Richard Strauß´ Alpensymphonie zu Anfang offen legt. Dieses wird im Verlaufe des Stückes verkürzt, überlagert, unterbrochen und mit Einsprängseln unterschiedlicher Percussionsinstrumente versehen, so lange, bis nichts mehr davon übrig geblieben ist, nur mehr eine von fern erklingende Reminiszenz in den Schlusstakten. Romitelli gelang es wunderbar, Interferenzen hörbar zu machen und es fiel nicht schwer, seine Botschaft zu verstehen die da heißt: Das Medium bestimmt die Information. Ein Thema, dass heute mehr denn je aktuell ist. Dass Romitelli eine Information „über den Äther“ sendet, die eine musikalische ist, liegt fast auf der Hand, dennoch gilt die Verfremdung und Zerstückelung bis zur Unkenntlichkeit auch für jede andere Informationsart.

Johannes Maria Staud    Foto:© Helmut Wiederin

Johannes Maria Staud Foto: ©Helmut Wiederin

Mit der Aufführung des Werkes „Im Lichte“ gelang eine französische Premiere. Der Österreicher Johannes Maria Staud verwendet die Sprache der Musik stärker als seine an diesem Abend vertretenen Kollegen dazu, sie auch rückbezüglich, das bedeutet im Hinblick auf Musikhistorie zu untersuchen, abzuwandeln und neu aufzustellen. Der Begriff der Postmoderne ist hier nicht fehl am Platz, wenngleich seine Arbeit als eigenständiges, nicht rückwärtsgewandtes Werk Bestand hat. Der Part der beiden Klaviere, die nach Staud, wie ein einziges klingen sollen, ist beeindruckend geschrieben und die großen Wellenbewegungen, die das Stück beinhaltet, tragen die Zuhörerinnen und Zuhörer in einem Strom bis zum Schluss. Ein Strom zwar, der sich durch Strudel kennzeichnet und manches Mal statt eines vermeintlichen Vorwärtskommen ein Zurückschwappen erzwingt, durch einen allgemeinen, größeren Vorwärtsdrang sich jedoch immer wieder in seinem fortführenden Lauf bestätigt. Die Klavierparts wurden von Tamara Stefanovich und Florent Boffard ideal ausgeführt, verstanden sie sich offensichtlich ganz im Sinne des Komponisten als ein einziger Klangkörper, was große Präzision und ein noch größeres Einfühlungsvermögen voraussetzt.

Den Abschluss des Abends bildete das Konzert für Akkordeon und Orchester von Bernard Cavanna, das den Untertitel Comedie populaire, sociale et realiste nicht zu Unrecht trägt. Geschrieben als Erinnerung an seinen Großvater, der in der englischen Gefangenschaft während des ersten

Bernard Cavanna  (c) Pierre Gafner

Bernard Cavanna (c) Pierre Gafner

Weltkrieges vom roten Kreuz ein Akkordeon erhielt, widmete der Komponist das Werk dem Akkordeonisten Pascal Contet, der den Solopart auch bei dieser Aufführung übernahm. Stärker als bei den beiden zuvor erklungenen Werken trennt Cavanna die Sätze voneinander, ohne jedoch tatsächlich diese abgeschlossen zu präsentieren. Der lange rasende, das Akkordeon voll auslotende und in Anspruch nehmende erste Satz kippt schließlich beinahe unvermutet innerhalb weniger Takte in den zweiten, der von Ruhe getragen ist. Er erlaubt, die zuvor entstandene Atemlosigkeit zu bannen und Luft zu holen. Die ersten Takte des dritten Satzes „Galop pompier“ genannt, verursachen unwillkürlich einen Heiterkeitsausbruch beim Publikum, wenn der 2/4 Takt Johann Strauß´sche Tanzmusik imitiert. Das überaus kurze Finale lässt noch einmal mit Nachklängen der aufsteigenden Melodiewirbel des Beginns des Stückes aufhorchen. Ihr hier jedoch nur mehr zarter Nachhall markiert das Ballende. Cavanna hat mit diesem Stück eine wunderbare Hymne auf seinen Großvater geschaffen, der sich und seine Familie in der allgemeinen Arbeitslosigkeit der 30er Jahre mit dem Akkordeonspiel auf Bällen ernährte.

Der Dirigent Fabrice Bollon leitete ein motiviertes, auf Transparenz bedachtes Philharmonisches Orchester Freiburg und bestätigte sich dadurch als ausgezeichneter Orchesterleiter für Stücke zeitgenössischer Musik.

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