Peter Fendi und sein Kreis

bringt unverhohlene Sozialkritik auf die Leinwand, die in besagtem Fall das Elend einer vielköpfigen Familie aufgrund einer Delogierung aufzeigt. Damit steht Fendi nicht allein in seiner Zeit, auch sein prominenter Zeitgenosse Friedrich Waldmüller sparte nicht mit kritischen Aussagen. Dass dies zu jener Zeit nicht ungefährlich war, zeigt das 7jährige Berufsverbot Waldmüllers an der Akademie, das erst 1864 durch Kaiser Franz Joseph aufgehoben wurde. Immerhin hatte es Waldmüller zu dieser Zeit schon zu internationalem Ansehen gebracht. Fendi, der aus ärmlichen Verhältnissen stammte, hatte dennoch Glück. Nicht zuletzt aufgrund seiner hohen Portraitbegabung war er als Portraitist ein gefragter Mann. Als Mitglied der Akademie, aber noch viel mehr durch seine Anstellung als Zeichenlehrer bei Hof hatte er Kontakt zum Kaiserhaus. Ein Beispiel dafür, und auch ein herausragendes Blatt der Ausstellung, ist das Aquarell „Die Familienvereinigung des österreichischen Kaiserhauses im Herbst 1834“ auf welchem Fendi 37 Mitglieder der Habsburgerdynastie auf einem Blatt portraitgenau vereinigte. Verweilt man länger vor der Arbeit kann man gut studieren, welche Anziehungskraft Persönlichkeiten aus dem Hochadel, wenngleich auch schon lange verstorben, auf das Publikum heute noch haben. Aufgrund der beigefügten schematischen Personenidentifikation ist es möglich, nicht nur den Kaiser und seine Frau näher in Augenschein zu nehmen, sondern die gesamte Großfamilieeiner eingehenden Prüfung zu unterziehen. Speziell heimisches, also Wiener Publikum tut sich nicht schwer dabei und es scheint fast so, als sprächen die Besucherinnen und die Besucher von guten Bekannten, die man schon lange nicht mehr gesehen hat. „Schau, da ist ja der Erzherzog Johann!“ oder Ähnliches ist zu vernehmen; nicht anders, als würde man sich Photos vom letzten Staatsbesuch der Queen ansehen. Die Bilder des Biedermeier dürften in Österreich wesentlich dazu beigetragen haben, die reaktionäre Schau auf die „gute alte Zeit“ noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts aufrecht erhalten zu haben. Blätter, auf denen spielende oder in gemeinsamer Andacht versunkene Kinder und ihre sie behütenden Mütter gezeigt werden, lassen im Betrachter automatisch eigene, frühe Kindheitserinnerungen aufsteigen und lösen so unwillkürlich reminiszenzhafte Gefühle aus, denen man sich nur schwer entziehen kann. Dass es sich damals jedoch für den Großteil der Bevölkerung um entbehrungsreiche Zeiten gehandelt hat, wird gerne verdrängt. Über die Genreszenen hinaus waren die Bilder aus dem militärischen Milieu aber auch Zeitdokumente und wirken oftmals wie die kleinen Geschwister der großen, beauftragten Schlachtenbilder. Im Gegensatz zu diesen sind aber Szenen aus dem militärischen Leben der einfachen Soldaten zu sehen, was deutlich macht, dass die Verbürgerlichung der Gesellschaft sich auch in dem Bereich der Kunst manifestiert hatte. Der sehr früh verstorbene Carl Schindler – auch der Soldatenschindler genannt – sparte oft nicht mit einer großen Portion Witz oder Satire. In der „Schildwache“ aus dem Jahre 1839 stehen zwei kleine Kinder vor einer sich gerade aus dem Haus stürzenden Soldatentruppe, die von ihrem Anführer zur Aufstellung gerufen wird. Der Kontrast des zur Aufstellung rufenden Soldaten zu den kleinen Bewunderern und der altbewährte Kunstgriff, den Betrachter quasi von außen an dem Geschehen teilhaben zu lassen, verfehlten nicht ihre heitere Wirkung. Über die Einführung der Genremalerei in Österreich hinaus kommt Peter Fendi und seinen Schüler das Verdienst zu, das Aquarell als meisterliche Gattung und geschätztes Sammelobjekt in der Kunst dieser Zeit etabliert zu haben.

Die gut lesbaren Beschriftungstafeln, die auch einen überaus aufschlussreichen und interessanten Text aufweisen, tragen zum Gelingen der Ausstellung wesentlich bei. Die vielen originalen Bilderrahmen aus der Zeit des Biedermeier geben ein schönes Beispiel, dass gute Rahmungen, auch individuell für jedes Bild gefertigt, das Auge des Besuchers auch in einer Ausstellung, in welcher sich Bild an Bild reiht nicht überfordern, sondern, mehr noch, erfreuen. Eine Feinheit der historischen Präsentationspraxis kann man an einigen Blättern aus dem eigenen Albertinabestand erkennen. Hier wurden diese direkt nach Abschluss des Motivs mit einer schmalen Goldpapierborte umrahmt und danach das anschließende Passepartout in „französischer Manier“ ausgeführt. Das bedeutet, dass eine Abfolge von verschiedenen Tuschestreifen mit hellen Aquarellfarben ausgemalt wurde, welche die Darstellungen vorteilhaft umrahmen. Eine beinahe schon als historisch zu bezeichnende Kunst, welche heute nur noch von wenigen Einrahmungsspezialisten beherrscht wird.

Einzig der gleichzeitige Besuch einer größeren Gruppe von Interessierten kann aufgrund der etwas beengten Ausstellungssituation die Freude und den Genuss an den Bildern trüben. Sonst gilt es, einen Besuch anzuempfehlen und einzutauchen in eine Zeit, die angesiedelt war zwischen wohltuender Überschaubarkeit und krassem, sozialem Elend.

Peter Fendi und sein Kreis vom 22.3.2007 – 7.6.2007 in der Albertina in Wien
Infos: https://www.albertina.at/cms/front_content.php?idcatart=64

Michaela Preiner

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