Raumklänge im Dom im Berg

Raumklänge im Dom im Berg

Michaela Preiner

Foto: ( ORF musikprotokoll/Martin Gross )

9.

Oktober 2023

Für die Eröffnung des musikprotokolls mit dem Titel „interconnected / interdependent“ im Rahmen des Steirischen Herbstes 23 programmierten die Verantwortlichen einen abwechslungsreichen Auftakt für den Dom im Berg.

Das Programm – vier Stücke plus noch einmal drei von Einreichungen für die Student 3D Audio Competion, zeigte exemplarisch, was auch an den darauffolgenden Abenden vom Publikum gefordert wurde: Durchhaltevermögen. Von 19 Uhr bis 22.30 – mit kurzen Umbaupausen, wurden Klangerlebnisse geboten, die eine internationale Zuhörerschaft fanden.

Den Beginn machte „Organa Quadrupla“ von Heinali, der mit seinem modularen Synthesizer die grandiosen Klangmöglichkeiten der Ambisonics-Anlage im Dom im Berg nutzte. Fasziniert von polyphonen Strukturen, wie sie in der Renaissance verwendet wurden, setzte er seine Komposition in ähnlicher Weise auf. Er erzeugte den Klang von alten Orgeln, Altflöten oder einem Dudelsack und unterlegte die laufenden Melodielinien mit einer Art Basso Continuo. Nach einem Intro, noch ganz einer historischen Klangkulisse verhaftet, wird hörbar, dass es elektronische Klänge sind, die hier erzeugt werden. Das Anschwellen mit der Zunahme von Stimmen geschieht bis hin zu einem Kathedralen-Sound, in dem ein penetrantes Auf und Ab von Läufen charakteristisch zur Wirkung kommt. Geschickt wird im Bass im letzten Teil des Werkes auch ein Rhythmus hinterlegt, der sich gegen Ende hin verliert. Ein klanglich gelungener Festival-Einstieg, der mit unseren Hörgewohnheiten nicht allzu sehr bricht und deswegen beim Publikum großen Anklang fand.

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„Organa Quadrupla“ – Dom im Berg (Foto: ORF musikprotokoll/Martin Gross)

Im krassen Gegensatz dazu stand die Gemeinschaftsarbeit „forest Floodlights“ der Kroatin Manja Ristić, sowie Abby Lee Tee und Franziska Thurner, beide aus Österreich. Sie erhielten im Rahmen einer SHAPE+ Artist Residency einen Kompositionsauftrag und erkundeten dafür den Klang einer abgeschiedenen Gegend im Mühlviertel. SHAPE+ ist die Plattform für spannende neue Projekte aus dem Bereich der Musik und audiovisuellen Kunst des Festivalnetzwerkes ICAS, die 2014 vom musikprotokoll gemeinsam mit fünfzehn weiteren Festivals gegründet wurde. https://shapeplatform.eu/ Sie wird durch das Programm „Creative Europe“ der Europäischen Union gefördert. Einer ihrer Stützpunkte, von welchen aus das Trio arbeitete, war die Garage Drushba, ehemals von Karl Katzinger ins Leben gerufen. Sie war bis zu seinem Tod im Jahr 2021 ein Treffpunkt für ausgefallene Kulturevents im nowhere. Von diesem Place aus erkundeten sie die Gegend und schufen ein visuell-auditives, künstlerisches Tagebuch. Der Wasserreichtum der Landschaft, die Abgeschiedenheit, die altertümlichen Versatzstücke der Garage Drushba, aber auch die Schönheit der Natur wurden eingefangen. In einer Kombination aus klanglichen Aufzeichnungen und Live-Einspielungen gelang eine stimmige Performance, bei der man tief in die nördliche Grenze Österreichs mit eintauchen konnte. Die visuelle Umsetzung erhielt durch das Übereinanderlegen mehrerer Videoaufzeichnungen eine außerordentlich ästhetische Komponente. Naturklänge wie Vogelgezwitscher, Wasserrauschen oder das Rascheln von trockenen Blättern, während man über sie geht, wechselten mit E-Sounds, aber auch Live-Klängen einer Geige und Tierlauten ab. „forest floddlights“ ist eine Arbeit nicht nur mit hohem Wiedererkennungswert, sondern sie macht auch Lust, sie öfter als einmal anzusehen und anzuhören.

Die aus Taiwan stammende Künstlerin Sabiwa präsentierte gemeinsam mit ihrem Partner Nathan L. “Island N. 16 – Memories of future Landscapes“. Das Werk bezeichnet sie als einen Ort der Erinnerung, den sie während der Pandemie schuf.

Neben einer vielfältigen Video-Installation, die zwischen realen Aufnahmen, solchen in welchem reales Material verfremdet wurde und rein computergeneriertem wechselt, schuf sie ein ebenso abwechslungsreiches Sound-Geflecht. Aufgezeichnetes vermischt sich da mit Live-Einspielungen. Fische im Aquarium, zu sehen auf dem Video, frische Blumen in einer Bodenvase auf der Bühne, in welcher Gartenschläuche gesteckt werden, durch welche Luft geblasen wird, Flötenklänge, jene von einem verfremdeten Saxofon und Gesang, all das ergibt ein sowohl visuelles als auch auditives Kaleidoskop, das ständig Form, Farbe und Klang verändert. Zu Beginn bleibt das Video ganz im Asia-Klischee von Bondage-Praktiken verhaftet, wechselt aber bald zu rein computeranimierten Farbkonstellationen, später auch zu Landschafts- und Städteimpressionen und Nahaufnahmen von sich entpuppenden Schmetterlingen oder fressenden Wespen. Der Gesamtduktus spricht eine jugendliche Soundsprache mit einer hohen Geräuschdichte, in der später Passagen ins Psychedelische wechseln. “Island N. 16 – Memories of future Landscapes“ ist ein gutes Beispiel für die Fluidität musikalischer unterschiedlicher Quellen, wechselnd zwischen den Bereichen E- und U-Musik, die dadurch so nicht aufrechterhalten werden können.

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„OSWYC“ – Dom im Berg (Foto: ORF musikprotokoll/Martin Gross)

In OSWYC – so der Titel der Komposition von Robert Schwarz – vereint er künstliche und natürliche Klänge, die jedoch voneinander nicht mehr zu unterscheiden sind. Mit Grillenzirpen, Windgeräuschen und einem wabernden Sound, der quer durch den Raum läuft, lässt er das Publikum in sein Werk einsteigen. Tür-Knarzen, ein Geräusch, das einer hüpfenden Roulettekugel ähnelt und ein Zirpen, begleitet von einem dumpfen Bass, wiederholen sich mit leichten Veränderungen. Ein Schnarren, Raunzen, Glucksen und Klirren wird von einem Knattern unterbrochen, kurz darauf meint man Insektengeräusche zu vernehmen. Immer wieder sind es Naturgeräusche, die man vermeint wahrzunehmen, immer wieder wandern die Klänge und Geräusche quer durch den Raum und täuschen vor, was nur elektronisch zustande gekommen ist.

Den Abschluss des Abends bestritten Beiträge von drei Studierenden, die sich für die ‚Student 3D Audio Competition‘ bewarben. Alle drei machten deutlich, wie sehr sie in die Materie der Raum-Körper-Wahrnehmungen eingearbeitet sind und zeigten noch einmal die atemberaubenden Hör-Möglichkeiten, welche die Soundanlage im Dom im Berg imstande ist, wiederzugeben.

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