Orchester trifft auf Virtuosen

Les Siècles - © Simone Poltronieri

Les Siècles - © Simone Poltronieri

Ein Abend des großen Orchesters mit Werken zeitgenössischer Musik, so kann die Vorstellung des Ensembles Les Siècles unter der Leitung von Francois-Xavier Roth in Kürze zusammengefasst werden. Gleich vier zeitgenössiche Kompositionen kamen zur Aufführung.

Zu Beginn war „So nah, so weit“ aus dem Jahre 2006 des jungen Komponisten Bruno Mantovani (geb. 1974) zu hören. Eine Arbeit, die mit Stereoeffekten im Orchester zu spielen wusste. Mantovani platzierte das Ensemble so, dass ein linker und ein rechter Klangkörper etwas getrennt voneinander saßen. Flankiert waren sie jeweils von einem Klavier. Überaus vielfältig präsentierte sich dieses Konzert, mit schwingenden Stellen in den Bläsern und Streichern, denen laute Rhythmuseffekte in den Schlagwerken aber auch im Klavier entgegengesetzt wurden. Kurze, hintereinander abrollende Sequenzen endeten mit abrupten, hart akzentuierten Schlussakkorden. Natürliche Laute, wie jenes eines weit entfernten Folgetonhornes oder eines tropfenden Wasserhahnes, imitierte Bruno Mantovani mit den Instrumenten meisterlich. Ein leises Ausklingen durch sparsame Klänge, die aus gegenüberliegenden Klavieren ertönte, stand ganz im Gegensatz zur fulminanten, vorherigen Entwicklung. Ein sehr komplexes, schönes Werk, von großer Kurzweiligkeit.

Ihm folgte Wolfgang Rihms (geb. 1952) Versuchung von 2009, die er selbst eine Hommage an Max Beckmann nennt. Das Konzert für Violoncello und Orchester ist so eigentlich falsch beschrieben. Eigentlich müsste es heißen für Violoncello mit Orchesterbegleitung, denn der Part, den dieses Instrument ausfüllt, ist nicht nur volumen- sondern auch raumgfreifend. Interpretiert wurde er von Sonia Wieder-Atherton, die in atemberaubender Weise Rihms Komposition umsetzte. Ihr Cello sang das komplette Stück über, zeigte kraftvolle, tiefe Lagen genauso wie saubere hohe Intonationen – und dies im raschen Wechsel hintereinander und ordnete sich nur einmal der Geige kurz unter, um deren Motiv sofort lagenversetzt laut nachzusingen. Rihms Komposition schwankt zwischen eruptiven Ausbrüchen und zarten, melodischen Einsprängseln und verlangt von der Solistin 25 Minuten lang vollen Einsatz. Es zeigt, dass es auch heute noch möglich ist, ein Konzert für ein Instrument und Orchester zu verfassen, welches imstande ist, das Publikum zu fesseln.

Ein jäher Kontrast dazu stellte Marin Matalons Werk (Trame VIII) dar, das zum größten Teil von der Japanerin Eriko Minami beherrscht wurde, die eine Meisterin des Marimbaspieles ist. Sie zeigte dies dadurch, dass sie zwischen den einzelnen Sätzen ihre Position zu unterschiedlichen Marimbas und Glockenspielen ändern musste und eine Partitur wiedergab, die für sie aufgrund der weit auseinanderliegenden Melodiebögen nur tanzend zu bewerkstelligen war. Das Symbol der Zeit, eingeleitet durch ein feines Tik-Tak-Tik-Tak im Schlagwerk, zog sich wie ein roter Faden durch das Werk, dessen Steigerung im dritten Satz sich zu einem Höllentempo für das Soloinstrument entwickelte. Bravouröse Unterstützung dabei erfuhr Minami durch das Ensemble, das in keinem einzigen Konzert dieses Abends auch nur eine leichte Schwäche zeigte. Im letzten, ruhigen Satz perlte zu Beginn das Klavier gemeinsam mit dem hohen Glockenspiel um von einem gemeinsamen Auf- und Abschwellen der Bläser abgelöst zu werden. Das langsame, leise hallende Finale wurde überraschend, aber sinnvoll, vom zarten Rauschen einer Sambakugel beendet. Eine fulminante Darstellung, basierend auf einer fulminanten Komposition – schöner kann sich zeitgenössiche Musik wahrlich nicht mehr präsentieren.

Yan Maresz (geb. 1966) „Mosaiques“ von 1992/94 schloss schließlich den Bogen zu den beiden erstgehörten Werken dieses Abends. Auch er versteht zeitgenössische Musik unter Einsatz des gesamten Orchesters unter Referenznahme zu historischen Vorbildern und schließt sein vielschichtiges Werk in welchem Teile des Ensembles wie zum Beispiel die Streicher oder auch die Bläser mit gemeinsam intonierten Partien aufhorchen ließen . Sein augenzwinkernder Schluss, nach einer kurzen Pause eines einzelnen, langen Tones quasi noch einmal mit einem kleinen Stolperer versehen, brachte das Publikum zum Lachen – eine leider viel zu selten zu beobachtende Gefühlsregung in einem Konzertsaal. Herausragend präsentierte sich Francois-Xavier Roth, der die Leitung an diesem Abend über hatte. Sein körperlicher Einsatz tänzerischer Natur zeigte, wie stark er in die einzelnen Partituren eintauchte. Er hielt auch in den rhythmisch schwierigsten Passagen alle Fäden in seiner Hand und wusste auch die Solistinnen so zu unterstützen, dass diese mit ihrer Virtuosität brillieren konnten.

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