Erste Bühnenerfahrungen

Von Michaela Preiner

„Mirada antigua/Der gealterte Blick“ (Foto: © Nikola Milatovic)
30.
Mai 2018
Es gehört nicht nur fast schon zum guten Ton von Opern- und Theaterhäusern, mit den jeweils ansässigen Universitäten aus dem Bereich Musik und Schauspiel zusammenzuarbeiten. Eine Kooperation zwischen den unterschiedlichen Kulturvermittlern macht auch Sinn.
Zeigt sie doch dem Nachwuchs, was diesen in der praktischen Umsetzung seiner Projekte für die Bühne tatsächlich erwartet und erkennen dabei auf der anderen Seite die Häuser auch, welche Talente gerade in den relevanten Universitätsinstituten auf einen Berufseinstieg hinarbeiten.
Die Oper Graz und die Universität für Musik und darstellende Kunst Graz geben in ihrer Reihe „Opern der Zukunft“ seit 2014 jungen Komponisten die Möglichkeit, ihr Können zu präsentieren. In diesem Jahr tragen vier kurze Opern-Inszenierungen den Übertitel „Im Feuer ihres Blutes“. Dem im Vorjahr unerwartet verstorbenen Ernst Marianne Binder, Spiritus Rector dieser Reihe, die seit 2014 stattfindet, war die diesjährige Aufführungsreihe gewidmet.

Die vier ausgewählten, international tätigen Komponisten aus unterschiedlichen Ländern weisen allesamt einen Bezug zur Universität für Musik und darstellende Kunst Graz auf. Gerade die große Bandbreite von verschiedenen Herkunftsregionen machte diesen Abend besonders spannend. Bemerkenswert auch, dass alle Komponisten auch für die Libretti verantwortlich zeichnen.

José Luis Martínez M präsentierte seine Kurzoper mit dem rebusartigen Titel „Wurzeln und Höhlen – rizomas y madrigueras“. Darin erzählt er die Geschichte eines Komponisten (brillant in Stimme und Ausdruck Martin Fournier), der zu einem Meeting eingeladen wird, in welchem er von zwei Frauen über einen neuen Kompositionsauftrag informiert werden soll. Die in höchstem Maße surreale Geschichte bekommt einen Twist in jenem Moment, als der Mann sich als Leo Trotzkis Mörder präsentiert. Der Sprung durch Raum und Zeit wird musikalisch in weiten Bereichen in dunklen, atonalen Klangfarben gehalten. Was jedoch auffällt, ist die unterschiedliche charakterliche Stimmbehandlung der Figuren, die deren Charaktereigenschaften gut unterstreicht.

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„Rizomas y Madrigueras/Wurzeln und Höhlen“ (Foto © Nikola Milatovic)
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„Konjiki Yasha/Der goldene Dämon“ (Foto: © Nikola Milatovic)

Tomoya Yokokawa verwandelte mit „Konjiki Yasha/Der goldene Dämon“ die Studiobühne in ein kleines Appartment einer japanischen Stadt. Dort trifft sich ein junges Liebespaar das letzte Mal in der Gewissheit, danach auseinanderzugehen. Das Atmen des Akkordeons, das durch lautes Luft Ein- und Ausströmen hörbar wird, versetzt zu Beginn die Zuhörenden in einen eigenen pace. Auch der Chor von drei Männern, der hinter einem schwarzen, durchscheinenden Vorhang große Passagen des musikalischen Geschehens begleitet, unterstützt die ungewohnte, asiatisch inspirierte Atmosphäre. Masanari Sasaki singt die schwierige Partie des eifersüchtigen Mannes, der seinen Liebesschmerz durch alle stimmlichen Register zeigen kann. Kaoko Amano hingegen ist lange Zeit nur einem einzigen, zaghaften Ton verpflichtet. Angst aber auch ein beständiges Gegenhalten gegen die hoch emotionalen Tiraden ihres Geliebten werden dadurch verdeutlicht. Die Kammeroper verweist eindrücklich auf Yokokawas Idee, die musikalische Tradition seiner Heimat mit jener des Westens zu verbinden, was ihm nicht nur gut gelang, sondern auch Lust auf mehr Hörerlebnisse dieser Art machte.

„Der gealterte Blick – mirada antigua“, ein „Stimmtheater“ in drei Szenen von Javier Quislant, beginnt, ganz der Kategorie verpflichtet, im Flüsterton. Die Gefühlsodysse eines Mannes, der sich zwischen zwei Frauen entscheiden muss, bewegt sich zwischen dem Versuch, die Musik zugunsten von musikalisch behandelter Sprache stark zurückzunehmen und einem nicht immer leicht nachvollziehbaren Handlungsstrang. Dies vor allem aufgrund einer höchst poetischen Sprache. Kein Geringerer als Federico García Lorca bot die literarische Vorlage zu diesem Stück. Der Einsatz einer Schaufensterpuppe weckt Erinnerungen an Hoffmanns Erzählungen, was als interessanter Fingerzeig nicht in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit der Oper zu lesen ist. Erst am Ende des Stückes verdichtet sich das Klangvolumen und unterstützt dabei die innere Verfasstheit der Figuren.

Mit einer höchst eindringlichen „Antigone. Und kein Ende“ machte Lorenzo Troiani auf einen Klassiker aufmerksam, den er feinfühligst musikalisch interpretierte. Shirin Asgari und Birgit Stöckler verkörperten darin gemeinsam jene tragische, junge Frau, welche das Aufbegehren gegen das Gesetzt mit ihrem Tod büßte. Als Spiegelung – einmal vor und einmal hinter dem durchsichtigen, schwarzen Vorhang – wartet sie auf ihren Tod und durchlebt in ihren letzten Momenten emotionale Höhen und Tiefen. Dabei teilten sich die beiden Sängerinnen zuweilen sogar einen einzigen Ton, den sie abwechselnd voneinander übernahmen. Immer wieder gelingt es Troiani mit einer kontemplativen, ruhigen Instrumentalführung ein Stehenbleiben der Zeit und innere Dialoge hör- und fühlbar zu machen. Sein Musiktheater spiegelt gleichzeitig auch einen Zeitgeist wider, der auf Entschleunigung und Kontemplation setzt.

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„Konjiki Yasha/Der goldene Dämon“ (Foto: © Nikola Milatovic)
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„Antigone. Und kein Ende“ (Foto: © Nikola Milatovic)
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„Rizomas y Madrigueras/Wurzeln und Höhlen“ (Foto © Nikola Milatovic)
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„Antigone. Und kein Ende“ (Foto: © Nikola Milatovic)
Der junge Dirigent Leonhard Garms leitete umsichtig den Nachwuchs des Klangforums. Vibeke Andersen schuf eine kluge Ausstattung, die mit wenigen Handgriffen neue Räume imaginieren konnte und Christoph Zauners Regie verzahnte die vier Produktionen mit ihren somnambulen und zum Teil auch irrationalen Botschaften sinnhaft.
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