Es ist nicht zu glauben, aber es stimmt doch. In 90 Minuten kann man im Staccato hintereinander folgende Geschichten erzählt bekommen:
Von einer Familie kurz vor Weihnachten, für die geheime Geschenke das Wichtigste sind und eine Missachtung der Tradition fatale Folgen haben könnte.
Von einer Kreuzfahrt, die ein Mann für den nächsten Tag buchen will, da er vermeintlich nicht mehr lange zu leben hat.
Von einer Begegnung auf dem Friedhof, bei welcher ein Toter wegen seiner Armbanduhr ausgegraben werden muss.
Von einem Friseurbesuch mit humanoiden Objekten.
Von einem unglücklichen Sturz vom Rollstuhl – in unseren und in Shakespeares Zeiten.
Von der Beendigung eines Dienstverhältnisses, in welchem sich die Rollen zwischen Chef und Angestelltem beständig verändern.
Vom Besuch von Außerirdischen, die sich in unserer Welt nicht zurechtfinden.
Von einem Erben, der nichts erbt und diese Demütigung kunstreich besingt.
Von einem Mann im Gaza-Streifen und einer Australierin, die ihn mit mithilfe eines U-Bootes und einer Kuh zu retten versucht.
Von einer Partie Glasergesellen, die beim Warenhaus Kastner in der Grazer Innenstadt kaputte Auslagenscheiben reparieren sollen.
Von einer Kindergärtnerin und einem Wirtschaftsanwalt, die weder auf dem Eislaufplatz noch im Museum ein Paar werden.
Vom kranken Nietzsche, der trotz Krankenhausaufenthalt nicht genesen kann.
Wer glaubt, so etwas ginge sich nie und nimmer aus, der sei eines Besseren belehrt. Mit einem Besuch im Orpheum, vorzugsweise an Montagen, kann man sich selbst ein Bild davon machen, wie denn das tatsächlich geht.
Dort arbeitet an (fast) allen Montagen ein Teil des TIB-Ensembles, um das Publikum mit seiner Improshow „Montag“ zu unterhalten. In Zeiten wie diesen, bei dem einem selten zum Lachen zumute ist, ist diese Theaterperformance ein wahres Vademecum. Eineinhalb Stunden lang kann man sich komplett vom Alltag ausklinken und staunen, wie es das Ensemble schafft, aufgrund von Zurufen des Publikums immer wieder neue Situationen darzustellen und aus ihnen komplette Geschichten zu bauen. Wer am jeweiligen Tag auf der Bühne stehen wird, weiß man zuvor nicht. Die Schauspielerinnen und Schauspieler wechseln ständig, was den Vorteil hat, dass das Publikum immer wieder andere Besetzungs-Kombinationen erleben kann.
Es macht großen Spaß zuzusehen, in welcher Geschwindigkeit und mit welch sprachlichem Witz Situationen erfunden und umgesetzt werden, sich im Handumdrehen aber auch wieder verändern können. Wenn Lorenz Kabas mimt, dass sein linkes Auge von einem Schlittschuhunfall Schaden davongetragen hat, aber beteuert, dass das nicht schlimm sei, denn er wäre ja ohnehin gebürtiger Rechtsäuger und würde ab nun sowieso „mehr im Profil“ arbeiten, damit man die Entstellung nicht gleich sehen könne, darf man sich mehr als nur auf die Schenkel klopfen.
Jacob Baningans Verwandlungen in museale Skulpturen oder seine musikalische Interpretation einer verlorenen Erbschaft sind nicht nur vergnüglich, sondern rufen Staunen ob der Ideenvielfalt hervor, die bei ihm schier grenzenlos zu sein scheint.
Und wenn Monika Klengel eine tollpatschige Eisläuferin imitiert, nimmt man ihr das genauso ab wie die Rolle eines Arztes in jener Irrenanstalt, in der Nietzsche mit dem Bildnis seiner Mutter konfrontiert wird und völlig ausrastet. Mit dem Hinweis, dass diese Behandlungsmethode brandneu sei, eigentlich „noch gar nicht erfunden“, beweist Klengel zugleich psychologisches Wissen, das wie auf Knopfdruck von ihrem Kollegen Jacob weiter kommentiert wird.
Die gedanklichen Ping-Pong-Spiele und die schmerzfrei umgesetzte, körperliche Inszenierung ergänzen sich zu einem höchst amüsanten Geschehen, das absoluten Sucht-Charakter hat.
Wer noch auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken ist – Karten für die Improshow des ‚Theater im Bahnhof‘ sind bei Jung und Alt gleichermaßen sicher willkommen!