Neo Rauch und Daniel Richter
11. Mai 2007
der offenbar begonnen hat, seine eigenen Kinder zu fressen. Rauch und Richter verkörpern derzeit in Deutschland, was man Malerstars nennt. Nicht nur, dass ihre Arbeiten astronomische Beträge einbringen, sie werden auch mittlerweile außerhalb Deutschlands in wichtigen Museen und Ausstellungshallen geadelt. Dass sich etwaige Kritik in diesem Stadium ganz schlecht ausmacht, versteht selbst der Blödeste. Gäbe […]
Michaela Preiner
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der offenbar begonnen hat, seine eigenen Kinder zu fressen. Rauch und Richter verkörpern derzeit in Deutschland, was man Malerstars nennt. Nicht nur, dass ihre Arbeiten astronomische Beträge einbringen, sie werden auch mittlerweile außerhalb Deutschlands in wichtigen Museen und Ausstellungshallen geadelt. Dass sich etwaige Kritik in diesem Stadium ganz schlecht ausmacht, versteht selbst der Blödeste. Gäbe es nicht einige zitierbare Parallelen, die mir einfach nicht mehr aus dem Kopf wollen.

Break in die 80er Jahre. Eine neue Kunstrichtung bricht sich ihre Bahn. „Die neuen Wilden“, wie sie ob ihrer heftigen Malerei genannt werden, strafen alle Kunstkritiker Lügen und beleben das tot gesagte Tafelbild neu. Und wie. Mit heftigen Pinselattacken, die jedoch den reinen, abstrakten Gestus weit hinter sich gelassen haben. Zu sehen sind plötzlich wieder Menschen, Tiere, Pflanzen, Fratzen, Gebäude und allerlei Unergründliches. Die Zeit ist wieder reif für eine Auferstehung der Malerei, und die Wiederbelebung ist tatsächlich gelungen.

Break zurück ins Jetzt: bis heute hat es nichts mehr Anrüchiges, wie noch in den 60ern und 70ern, wenn kräftig in die Farbtöpfe gegriffen wird und Leinwände quadratmeterweise bestellt werden. Die Erkenntnis, dass sich die Kunstproduktion nicht als stringente, lineare Entwicklung abspielt, sondern schon mal Sprünge nach vor und wieder zurück macht, ist noch nicht alt. Die Globalisierung und die über uns hereingebrochene Informationsflut erlauben ein Neben- Über- und Untereinander von Tendenzen und Stilrichtungen, wie es dies so vorher noch nicht gab. Damit einhergehend hat sich aber auch eine gewisse Unübersichtlichkeit, wenn nicht sogar ein völliges Richtlinienchaos verbreitet, welches nicht nur kunstunsichere Menschen, sondern bisweilen auch relativ sattelfeste Kunstkenner befällt. Da greift man dann schon einmal gerne auf Altbewährtes zurück, und sei es auch nur knapp 30 Jahre alt. Neue Tendenzen rufen immer reaktionäre Geister auf den Plan, die das Ende der Kunst, Ethik, Moral und dergleichen mehr ausrufen müssen. Zwar hauptsächlich, weil sie selbst am Ende mit ihrem Auffassungslatein und unfähig einer neuen Aufnahme von sich verändernden kultur-soziologischen Parametern sind. Dass es eine Kunstrichtung aber richtig geschafft hat ist daran zu erkennen, dass notorische Reaktionärsnörgler gar nicht mehr auftreten. Es gibt dann so etwas wie einen „common sense“, der eine gewisse Kunstproduktion nicht mehr kritisch hinterfragt, sondern als allgemein akzeptiert anerkennt. Durch Neo Rauch und Daniel Richter werden die ehemaligen „Jungen Wilden“ nun endgültig in den Künstlerolymp gehoben, denn ihre Nachfahren, um nicht bösartig Epigonen zu sagen, werden wie Malerfürsten gefeiert. Rauch und Richter sind somit einerseits die Festigung und Bestätigung ihrer künstlerischen Eltern die da heißen: Julian Schnabel, Hans Peter Adamski, Erwin Bohatsch, Josef Kern, Rainer Fetting, Siegfried Anzinger usw. usw. Und andererseits der Fels in der kunstumwogten Brandung, an dem man sich festklammern kann, wenn es allzu hoch hergeht, und der Untergang in Form von Überangebot und Unüberschaubarkeit im Kunstangebot droht. Rauch und Richter füllen kein Vakuum aus und besetzen keine freien Sockel. Was sie machen, oder besser – was mit ihnen gemacht wird – ist nichts anderes als die Vermarktung ihrer Arbeiten mit Mitteln, die so nur das oberste Kunstmarktsegment hervorbringen kann.

Kapitalkräftige Sammler – ob mit oder ohne Galerieunterstützung – beeinflussen Kuratoren und Museumsdirektoren. Diese wiederum füttern Presse und andere Medien. Wenn ein Name wie Saatchi als Eigentümer auf einem oder mehreren Werken eines Künstlers auftaucht, und sich besagter Sammler auch noch öffentlich zu den Arbeiten äußert, dann fährt der Bekanntheitslift des Künstlers oder der Künstlerin ganz schnell in das oberste Stockwerk des Kunstwolkenkratzers. Seine / ihre Ausstellungen werden zu Intreffs – auch keine neue Erscheinung – und das Publikum steht und staunt und ist mundtot, ob der Quantität an Experten, die sich schon für diese Kunst eingesetzt hat. Als Sammler, der Kunst auch als Anlageobjekt sieht, wird Saatchi und seinesgleichen alle Verbindungshebelchen und Netzwerkknöpfchen drücken, um durch eine dementsprechende, mediale Präsenz das eingesetzte Kapital in so rascher Zeit wie nur möglich zu vermehren und aus ökonomischer Sicht ist das ja legitim. Aber aus künstlerischer, was bleibt hier eigentlich noch zu bemerken? Tröstlich bleibt allemal die Vielfalt des derzeitigen Kunstgeschehens und die Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit so mancher Ausstellungsmacherin und so manches Ausstellungsmachers über deren Ausstellungsflächen auch in den nächsten Jahren kein Richter und kein Rauch kommen werden. Wünsche muss man den beiden Herren nicht aussprechen; in ihrem Leben haben sich sicherlich schon mehr erfüllt, als sie jemals selbst zu träumen wagten. Und ihr Erfolg sei ihnen auch gegönnt. Frühestens die Generation nach uns wird in der Lage sein, eine objektivere Bewertung der heutigen Kunstproduktion abzugeben. Jedenfalls geht mir heute auch die Geschichte über des Kaisers neue Kleider nicht aus dem Kopf. Der pfiffige Schneider, der kapitalsparend beschloss, dem Kaiser überhaupt keine Kleider zu nähen, sondern ihm einzureden, er würde dieselben nur leider nicht sehen, ist ja nur der erste in der Kette von Hofschranzen und Günstlingen, die sich solange nicht erblöden bei dem Spuk mit zu machen, bis ein kleines Kind während des Festzuges laut feststellt, dass der Kaiser ja gar keine Kleider anhat!

Sorry, Neo Rauch und Daniel Richter. Wohin schweifen meine Gedanken heute nur! Ich bin mir aber ohnehin sicher, dass Sie meine Kritik nicht stören wird!

Michaela Preiner (c) 2007