„So sehen also Menschen aus, die sich an einem Sonntag im Frühling mit dem Tod beschäftigen wollen.“ Dieses knappe Statement, das logischerweise Publikumslacher mit sich brachte, stammt von Carl Achleitner, seines Zeichens Schauspieler und Trauerredner. Engagiert wurde er von Regina Picker für ihr Format „Performance Brunch“ – mit dem Titel „Guade Nocht“, das im Volkskundemuseum Wien Mitte April gezeigt wurde.
Ein Format, das begeistert und verbindet
Das von Picker schon seit 9 Jahren verfolgte Format vereint, was viele ihrer Kolleginnen und Kollegen häufig vergebens versuchen: Performances, Konzerte, Lesungen und kulinarischen Genuss auf höchstem Niveau zugleich anzubieten. Es sind wechselnde Themen, die immer wieder aufs Neue Lust machen, sich zu einem Performance-Brunch zu gesellen. Titel wie „Woiza“ oder „Ondersch“, bewusst dialektal gehalten, senken vom ersten Augenblick an die Hemmschwelle, an diesem Kulturangebot teilzunehmen. So angesprochen vereinen sich Menschen unterschiedlicher Altersstufen und verschiedenster gesellschaftlicher Gruppierungen letztlich an einem Tisch. Ob Jung oder Alt, ob mit universitärer Ausbildung ausgestattet oder Lehrling – alle vereint letztlich die Freude am Essen. Und das war bei dieser Session ausgesucht köstlich.
Speed Dating mit dem Tod als pure Lebensäußerung
Peter Koblhirt sorgte für den kulinarischen, vegetarischen Hochgenuss mit insgesamt fünf Gängen. Serviert wurden diese – bis auf die Haupt- und Nachspeise zwischen den einzelnen Performances. Nach Carl Achleitners hoch emotionaler Lesung aus seinem Buch „Das Geheimnis eines guten Lebens“, gestalteten Verena Brunnbauer und Nicole Honeck (Death positiv) ein „Speed Dating mit dem Tod“. Was sich etwas morbide anhört, entpuppte sich jedoch als pure Lebensäußerungen. In kurzen Zeitabständen von nur wenigen Minuten, wechselte das Publikum jeweils zu einem neuen, unbekannten Gegenüber und unterhielt sich in Einzelgesprächen mithilfe von Spielkartenvorgaben rund um das Thema Tod. Weit davon entfernt in Trauermienen zu verfallen, kam es zu einem intensiven, persönlichen Austausch, der schließlich sogar dazu führte, dass man sich später gemeinsam an die gedeckten Tische setzte und sich unterhielt, als würde man sich schon seit Langem kennen.
Intensive künstlerische Darbietungen und unerwartete Begegnungen
Mit Bernhard Eder, vielen aus unterschiedlichen Theaterproduktionen in Österreich bekannt, für deren Musik er verantwortlich zeichnet, wurde ein Live-Konzert aufgeboten, bei dem man näher nicht dabei sein hätte können. Ohne verdunkelten Saal, in der hellen Tagesmitte, im Abstand von nur einem Meter vom Publikum entfernt, präsentierte er Coverversionen, aber auch selbst Komponiertes rund um das Thema Abschied vom Leben. An seiner Gitarre, ergänzt durch Loop-Maschinen, schuf er neben ruhigen, lyrischen Passagen auch volle, zum Teil auch mehrstimmige, überzeugende Sounds. Wer braucht eine Band, wenn es einen Bernhard Eder gibt?!
Der brasilianische Butoh-Tänzer Will Lopes gestaltete den fulminanten, künstlerischen Schlusspunkt. In „Kagebara“ verkörperte er unterschiedliche Archetypen menschlicher Existenz. Ausdrucksstark und hoch konzentriert verwandelte er sich während seiner Performance vom Krieger in ein weibliches Wesen, vom Tier hin zu einer vergeistigten Existenz, verbunden mit Energien außerhalb unserer menschlichen Wahrnehmung.
Neben den künstlerischen Darbietungen bleibt vor allem der Austausch mit Menschen im Gedächtnis, die man vorher nicht gekannt hat und mit welchen man wahrscheinlich ohne diese Veranstaltung nie in Berührung gekommen wäre. Welches andere künstlerische Format kann diesen Moment für sich tatsächlich reklamieren? Wer sich für kommende Veranstaltungen von Regina Picker anmelden möchte, kann dies hier tun: https://www.performancebrunch.at/anmeldung-1/