Das Konzerthaus in Wien ist seit Langem ein Garant für ein vielfältiges Programm. Ob für Fans von alter Musik, Jazz- oder Klassikfreaks: Musikbegeisterte jeglicher Couleur werden hier fündig. Oft mit feinen Überraschungen, die über das Erwartete eines Konzertes hinausgehen. So gestaltete sich auch die Silvestergala, die das Jahr 2025 einleitete, nicht nur abwechslungsreich, sondern war auch mit so manch unerwartetem Schmankerl versehen.
Im ersten Konzert-Teil vor Mitternacht pfiff Nikolaus Habjan, vielen als „der“ österreichische Puppenspieler, tätig an den großen Theaterbühnen des Landes schlechthin bekannt, eine ganze Reihe von ihm titulierter „Albtraum-Arien“ für Tenor oder Sopran. Ob barocke Koloratur-Arien von Händel oder Mozart, ob innige Lieder aus Schuberts „Schöner Müllerin“ – das Können und damit zusammenhängend seine herausragende Musikalität beeindruckten vom ersten Moment an. Es war eine reine Freude ihm zuzusehen, wie sich mit dem Schwierigkeitsgrad der Arien auch seine Pfeiflust steigerte. In wunderbarer Unterstützermanier leitete Christoph Huber das ‚nexus now ensemble‘. Wohldosiert in der Dynamik, um den zarten Pfeifgesang nicht zu übertönen, dennoch aber mit Verve und fein ausdifferenzierten Einsätzen und ebensolchen Klangfarben zeigte sich das Können seines einfühlsamen Dirigates. Ines Schüttengruber am Klavier und an der Orgel war die Freude am Spielen ins Gesicht geschrieben. Tatsächlich empfanden dies wohl alle Musizierenden so, ganz abgesehen von der Tatsache, dass es nicht zu ihrem Alltagsjob gehört, Kunstpfeifer zu begleiten.
Eine kleine Einführung und Interessantes zum Thema Kunstpfeiffen ist auf der Website von Nikolaus Habjan zu lesen.
Mit der Mezzosopranistin Anna Sophia Richter holte sich der Multi-Künstler eine Sängerin auf die Bühne, die er bei ihrem Offenbach-Couplet aus der Operette ‚La Périchole‘ tatkräftig pantomimisch als inhaftierter Ehemann unterstützte. Besonders erheiternd gestaltete sich ihr zweiter Auftritt mit einem „Schwipslied“, ebenfalls von Jacques Offenbach. Mit verschmiertem Augen- und Mund-Make-up bot sie nicht nur einen amüsanten Anblick, sondern auch ein schauspielerisches Gustostückerl, das sie ihrem Gesang mühelos beifügte.
Neben all der hochkarätigen, musikalischen Unterhaltung stellte sich auch ein unerwarteter Erkenntnisgewinn ein. Bot doch die reine Stimmführung der Melodie, gänzlich ohne Text die seltene Möglichkeit, dieser ganz pur zu folgen. Dadurch ergaben sich auch Vergleichsmöglichkeiten von historischer, barocker Verzierungsstrategien oder ein klareres Schemata-Erkennen bei den Arien, die im 19. Jahrhundert geschrieben wurden. Wie schon erwähnt, zählten die Interpretationen der Schubert-Lieder nicht nur zu den innigsten des Programmes. Vielmehr zeigte sich gerade bei ihnen, auf welch engem Raum der Komponist Freud und Leid, starken Ausdruck und zarte Empfindung in Musik zu gießen wusste. Habjan sei Dank, wurde all dies deutlich nicht nur hörbar, sondern war auch nachzuempfinden.
Das eigentliche Neujahrskonzert, dirigiert von Petr Popelka, begann pünktlich nach den Schlägen der Pummerin. Selbstredend erklang ‚An der schönen blauen Donau‘ von Johann Strauss Sohn als erste musikalische Darbietung. Steffi Wieser choreografierte eine ungewöhnliche Walzer-Interpretation, aufgeführt von den Studierenden der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK). Die jungen Damen und Herren tanzten nicht nur rund um das Orchester auf der Bühne, sondern auch in den Gängen im Parkett, direkt neben dem Publikum. Sabine Ebner schuf für sie Uni-Sex-Kostüme mit im Rücken geknoteten, ärmellosen Oberteilen, einem wadenlangen Tüll-Rock und schwarzen Shorts darunter. Die Lust am Leben, am eigenen Körper, aber auch die Lust an der Verführung und der Liebe durfte als Motto hinter der ersten Choreografie gelesen werden – ein perfekter Einstieg für ein neues Jahr.
2025 wurde in Wien zum ‚Strauss-Jahr‘ erkoren, welches von der Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler nach dem Donau-Walzer mit einer Grußbotschaft erläutert und eröffnet wurde. Mehrfache Fledermaus-Orchester-Adaptionen, aber auch Polkas sowie eine Bearbeitung des „Schwipsliedes“ aus Johann Strauss‘ Operette ‚Eine Nacht in Venedig‘ von Erich Wolfgang Korngold, verbreitete im Nu eine fröhliche Neujahrsstimmung. Vor allem die Interpretation von Annkathie Koi brachte einen ordentlichen, humorigen Twist in das glanzvolle musikalische Geschehen. Agierte sie doch in einem aufsehenerregenden, beinfreien Barock-Kostüm mit hoch aufgetürmter Perücke in sichtlich angeheitertem Zustand. Die Bierdose samt Wurstsemmel, die sie sich aus dem eleganten Haargeflecht fischte, erheiterte das Publikum im selben Maße wie ihre lachende und weinende Gesangsinterpretation.
Mit‘ Def III‘ gelang schließlich eine weitere Programmüberraschung. Der Wiener Rapper wurde von Nikolaus Habjan, der zuvor schon zwei musikalische Darbietungen der Symphoniker pfeifend unterstützt hatte, als „Der Schnellste seines Faches“ angekündigt. Und tatsächlich rappte er sich durch Strauss’sches Operettengeschehen, dass einem Hören und Sehen vergehen konnte.
In der ebenfalls unerwarteten, tänzerischen Beigabe zu ‚Seid umschlungen Millionen‘ vermischten sich schließlich klassische Ballettfiguren mit expressivem Ausdruckstanz. Solistinnen und Solisten, Paare, aber auch Gruppen performten zeitgleich unterschiedliche Choreografien. Inniges Liebesgeplänkel und freundschaftlich-Gemeinsames stand dabei einem Geschlechterkampf gegenüber, bei dem man bis zum Schluss den Atem anhalten konnte. Dass sich die Choreografin Steffi Wieser abermals nicht gescheut hatte, einen Walzer gänzlich neu zu interpretieren, verlieh der Performance eine ganz besondere Note, die lange im Gedächtnis bleiben wird.
Die Programmierung der Silvestergala 2025 im Wiener Konzerthaus bot nicht nur einen bunten Reigen von Altbewährtem und gut Bekanntem. Vielmehr bereitete die interessante Mischung aus Tradiertem und Modernem dem Publikum einen Kunstgenuss, der eine Menge Freude und gute Stimmung bereitete.