Ich möchte etwas schaffen, das man angreifen kann
19. Januar 2015
Michael Griesmayr ist ein Stadtentwickler. In Österreich einer von der raren Sorte. Er sitzt nicht hinter einem Schreibtisch in einem Amt, sondern residiert in seinen eigenen vier Wänden. Im alten Backsteinhaus in seinem Viertel Zwei. Einem in den letzten Jahren neu entstandenen Viertel zwischen Trabrennbahn und Wirtschaftsuni im zweiten Bezirk.
Michaela Preiner
Portraitfoto Mag. Michael Griesmayr
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Interview mit Michael Griesmayr

Michael Griesmayr ist ein Stadtentwickler. In Österreich einer von der raren Sorte. Er sitzt nicht hinter einem Schreibtisch in einem Amt, sondern residiert in seinen eigenen vier Wänden. Im alten Backsteinhaus in seinem Viertel Zwei. Einem in den letzten Jahren neu entstandenen Viertel zwischen Trabrennbahn und Wirtschaftsuni im zweiten Bezirk. In Kürze kommt es zum Startschuss für die nächste Ausbauphase rund um die Trabrennbahn. Seine Leidenschaft sind Bäume und Kunst. In einem Interview erzählte er, warum er sich dafür interessiert.

Seit wann sammeln Sie?

Ich begann vor ca. 15 Jahren damit. Bis dahin lebte ich in einer Posterwelt. Ein Freund von mir begann zuerst zu sammeln. Das habe ich zwei, drei Jahre beobachtet. Begonnen habe ich mit Pop Art und hab mir aus dieser Kunstrichtung die Marilyn von Andy Warhol gekauft. Damals war mein erstes großes Büroprojekt verkauft und der Kunstankauf so etwas wie ein Geschenk an mich selbst.

Ich habe ein Haus, ein Auto, ich brauche nicht mehr. So begann ich zu sammeln. Haring, Warhol, Rauschenberg waren meine ersten Ankäufe. Das erweiterte sich immer mehr. Nach weiteren zwei, drei Jahren habe ich mich intensiver mit der Kunst beschäftigt. Ich maße mir aber nicht an, mich in der Kunst wirklich auszukennen. Dafür habe ich Susanna Hoffmann-Ostenhof und Gabi Senn an meiner Seite. Ich suche meist nicht selbst, sondern werde stark von Frau Hoffmann-Ostenhof beraten, die mir Vorschläge macht und mit Ideen kommt. Wenn mir etwas gefällt, dann kaufe ich das dann auch. Mein allerletzter Ankauf war ein Werk von Cosima von Bonin, das gerade im Mumok zu sehen ist. Eine Laterne mit einer Zigarette – das Werk nennt sich „smoker“. Das kommt vor das Bürohaus als „Begleitung“ all jener Mitarbeiter, die zum Rauchen ins Freie gehen. Bei den Skulpturen habe ich eine Vorliebe für Henry Moore. Aber das ist unerschwinglich. 

Wie kam es überhaupt zur Idee des Skulpturenparks im Viertel Zwei?

Hier gibt es genügend Platz und obendrein kann ich die Kunst auch jeden Tag sehen. Von diesem Projekt profitieren alle davon. Das Viertel Zwei wird so mit seiner Architektur und den Skulpturen zu einer Art Gesamtkunstwerk. Obwohl die Kunst leise ist und im Hintergrund bleibt, ist sie doch ein identitätsstiftendes Element.

Wie waren die Reaktionen nach der Aufstellung?

Es gab keinerlei negative Reaktionen, es wurde auch bisher noch nichts beschädigt. Begonnen habe ich ja mit der Initiative der Säulen der Wiener Linien. Wir befinden uns hier ja genau zwischen zwei U-Bahnstationen und ich mochte die nackten Säulen nie. In Zusammenarbeit mit der KÖR (Kunst im öffentlichen Raum) und den Wiener Linien entstand hier das einzige Private-Public-Kunstprojekt. Dabei bestand eine gewisse Angst, dass die Graffiti, die darauf angebracht wurden, zum Überschmieren anreizen. Aber bis jetzt ist nichts dergleichen geschehen. Wir haben auf dem Gelände aber auch Securityleute, die in unregelmäßigen Abständen hier durchgehen.

Wie haben Sie die Auswahl der Objekte getroffen?

Barbara Mungenasts Form besaß ich schon in einem kleinen Format. Ich habe sie gebeten, die einmal in groß anzufertigen. Marko Lulic kannte ich von Frau Senn, zu Hans Weigand habe ich eine persönliche Beziehung, seine Arbeit habe ich sehr rasch gekauft. Tom Burr war eigentlich ein Leihobjekt, das ich aber nicht zurückgeben wollte und der Hase von Stephanie Taylor ist für hier mit Hilfe von Gabi Senn und ihrer Künstlerinnenauswahl konzipiert worden. Meine Liebe zur Kunst kann ich mit der Positionierung im Außenraum mit anderen teilen.

Sind die Mitarbeiter hier im Haus eingebunden?

Anfangs sahen sie es als Hobby „vom Michael“. In der Zwischenzeit wird der Sammelleidenschaft eine gewisse Wertschätzung entgegengebracht. Ich frage aber auch, ob die Mitarbeiter mit einzelnen Stücken „können“. Zusätzlich gibt es auch noch die Bestätigung „von außen“ – also von Kunden, die zu uns kommen. Vom Vorarlberger Designer Sagmeister, der in New York lebt, gibt es den Ausspruch „beauty is function“. Das leben wir hier im Viertel Zwei. Wir umgeben uns hier mit schönen Dingen, mit Bäumen, geschwungenen Bänken. Kunst ist für mich auch ein Zeichen von Schönheit. Damit lebe ich gerne.

Woher bekommen Sie Ihren Input zum Kunstkaufen?

Ich fahre in der Zwischenzeit gerne auf Kunstmessen. Da bekommt man einen schönen Überblick, was sich so abspielt. Dabei nehme ich mir vor Ort jemanden, der mir erklärt, wohin sich der Kunstmarkt entwickelt. Beim Kauf ab einer gewissen Größenordnung lasse ich mich immer beraten. Da schauen wir dann, ob der Künstler gehandelt wird oder nicht, ob er sich in Versteigerungen befunden hat. Ich gehe aber auch gerne in große Ausstellungen. Wenn ich in Paris bin, dann gehe ins Musée d´Orsay. Die Impressionisten, die dort zu sehen sind, haben für mich eine enorme Ausstrahlungskraft. Da bekomme ich eine richtige Gänsehaut, wenn ich sie sehe.

Warum sammeln Sie Kunst und nicht etwas anders?

Kunst kann ich anschauen, wenn ich sie gekauft habe und außerdem ist damit relativ wenig Aufwand verbunden, was die Wartung betrifft. Es ist schön und interessant zugleich. Einige der Künstler kenne ich persönlich, ich mag zum Beispiel Weigand und Scheibl sehr und habe deswegen Werke von ihnen. Bonin habe ich gekauft, ohne lange mit ihr vorher gesprochen zu haben. Bei mir zuhause gibt es nur Kunst, die auch meiner Frau gefällt. Ich habe z.B. einen Förg, den sie auch sehr liebt. Was mir noch fehlt, was ich gerne hätte, ist eine Lassnig.

Viele Sammler kommen an einen Punkt, der für sie rein räumlich oft das Ende des Sammelns bedeutet.

Ich werde nie einen Engpass beim Sammeln von Skulpturen haben. Es gibt genügend Platz hier und auf den Hügeln, das Projekt entwickelt sich hier mit der Kunst weiter. Für mich ist Kunstkaufen auch so etwas, wie mich selbst beschenken. Das ist meine derzeitige Hauptmotivation. Ich bin ein logisch denkender Typ, der davon ausgeht, dass es immer einen Weg für eine Problemlösung gibt und ich beschäftige mich nicht mit jenen, die nicht funktionieren. Wenn mir ein Projekt gelungen ist und ich einen Vertrag abgeschlossen habe, dann kann ich mich dafür mit einem Kunstkauf selbst belohnen. Der Außenraum im Viertel Zwei macht mir großen Spaß. Ich fliege demnächst wieder nach Hamburg, um dort Bäume dafür auszusuchen. Das ist ein unglaublicher Luxus. ich kann mir dabei einen Tag lang nur Bäume ansehen. Für mich bedeutet diese Bepflanzung, die von Anfang an auf schon hohe Bäume angelegt war, auch eine hohe emotionale Bindung. Bei diesen Käufen suche ich alles selbst aus.

Bei unserem neuen Projekt kommt das erste Mal mit Farbe Kunst direkt ans Gebäude. Derzeit sind wir noch in der Findungsphase was die Farben anlangt. Aber wir wollen dieses Mal mit Kunst etwas Außergewöhnliches machen. Es ist ein Zusammenspiel von Design, Architektur und einer hohen Energieeffizienz. Die Kunst gehört für mich dazu, ist eine Facette, die das alles abrundet.

Verändert sich im Laufe der Zeit ihre Beziehung zu gewissen Werken?

Es gibt für mich gewisse Bilder, die haben eine „ewige“ Ausstrahlung wie z.B. die Monroe. Andere wieder sind schön, aber nicht aufregend wie zum Beispiel einige Werke der Pop Art. Ich besitze zum Beispiel einen Haring, der schön ist, aber mich nicht mehr wirklich interessiert. Zu „wilde“ Dinge besitze ich auch nicht. Die Arbeit von Bonin ist für mich zum Beispiel schon ein „verrücktes Ding“. Im neuen Projekt werden wir einen Hotspot für junge Künstler einrichten. Startups für kreative junge Menschen fördern. Wir sind aber noch am Überlegen, wie wir das angehen. Da brauchen wir jemanden, der sich ausschließlich darum kümmert und der sich auskennt. Ich will auch gute Leute da drin haben. Die Idee ist, dass wir Räume ohne Miete zur Verfügung stellen, damit die Jungen eine Chance bekommen, etwas zu entwickeln. Das macht mir selbst großen Spaß.

Das, womit ich mein Geld verdiene, hat eine ganz klare Struktur. Aber wir können hier schöne Dinge machen und darauf bin ich auch stolz. Das Viertel Zwei ist ein architektonisches Juwel, eine neue Art der Stadtentwicklung geworden. Und dabei sind alle wichtig, die daran teilhaben. Es war geplant, dass Unternehmen „Patenschaften“ für Kunstwerke übernehmen. Kunst muss dafür im Budget vorhanden sein. Das ist bei vielen Unternehmen aber nicht der Fall. Hier muss man einfach Geduld haben.

Möchten Sie mit Ihren Aktivitäten ihrer Nachwelt etwas hinterlassen?

Es ist noch nicht meine Motivation, etwas zu hinterlassen. Daran denke ich noch gar nicht. Aber ich möchte gerne etwas schaffen, das man angreifen kann. Das ist etwas Schönes.

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