Mehr als eine jüdische Großmutter braucht es nicht

Das war die Kurzzusammenfassung der Moderatorin des Abends,Timna Brauer, als sie die musikalisch-genetische Disposition von Alexey Rozov beschrieb, der sich seit vielen Jahren der Interpretation von Kletzmer Musik verschrieben hat. An der Hochschule in klassischer Geige ausgebildet, spielt der Vollblutmusiker ganz nebenbei auch noch Kontrabass und Klavier und begann erst mit 20 Jahren sich für diese spezielle jüdische Musiktradition zu interessieren. Heute ist seine Formation – das Ensemble Dona – dem auch Leonid Morozov an der Gitarre, Mikhail Blinkov an der Klarinette sowie Mikhail Altshuller am Bass – und mit einer höchst variabel einsetzbaren Stimme gesegnet – angehören, ein Garant für unterhaltsamen aber zugleich extrem qualitätvollen Musikgenuss. Mit Alina Ivakh komplettiert, welche die jiddischen Lieder nicht nur singt, sondern auch höchst kunstvoll theatralisch interpretiert, traten sie im Rahmen des „Jiddischen Herbstes“ im Odeon in Wien auf und verzauberten ihr Publikum.

Das Spezielle daran war, dass sie viele bekannte Stücke in so feiner Neuinterpretation zum Besten gaben, dass auch nicht einmal ein Fünkchen Langeweile aufkommen konnte. Ob „bei mir bist du scheijn“ oder auch „Tschiribum“, das vielen Österreicherinnen und Österreichern noch aus Arik Brauers Interpretation her bekannt sein dürfte, immer war es ein gewisses Quäntchen von extra Musikalität und überraschender Instrumentierung, das faszinierte. Alina Ivakh, die im esten Teil unter ihrem Ballonkleid Jahrhunderte jiddischer Musiktradition zu bündeln schien, faszinierte im zweiten Teil mit ihrer ansteckenden Fröhlichkeit in vielen Stücken genauso wie mit ihrem zu Herzen gehenden Lamento, das wahrscheinlich im Warschauer Ghetto geschrieben worden war.

Mikhail Altshuller, der die Geschichte seiner „grinen Kusine“ mit einer wunderbaren Tanznummer zusätzlich illustrierte, bei der kein Auge vor Lachen trocken blieb, begeisterte mehrfach auch mit seinem vollen opernreifen Bariton. Seine Präsenz und die seiner Bühnenkollegin unterstrichen mehrfach, dass ihre Kletzmer Interpretationen zutiefst auch aus der Musikkultur des Ostens getragen sind. So pendelten sie zwischen ukrainischem Schwermut und jiddischer Tragikkomik und machten einmal mehr klar, dass es so viele Interpretationsmöglichkeiten des Klezmer gibt, wie es Musikerinnen und Musiker gibt. Mikhail Blinkov entlockte seiner Klarinette nicht nur Schluchzen, Lachen und Weinen, sondern zeichnete vor allem auch für die typische Klangfarbe einer Klezmer-Band verantwortlich.

Ein Abend mit jeder Menge Suchtpotential nach noch mehr Kletzmer.

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