Reelle und virtuelle Herzen
Von Michaela Preiner
Florian Drexler und Patrick Trotter schufen einen Text, der in der Zukunft angesiedelt ist. In ihr besteht die Währung ausschließlich aus virtuellen Herzen – also Likes wie man sie hinlänglich aus den unterschiedlichen, sozialen Medien kennt. Das beschauliche Leben, für das sich Elias entschlossen hat, wird Anna jedoch schon bald zu eintönig. Gerne möchte sie es ihrer Freundin Irina gleichtun und ebenfalls eine Spielerin werden und dabei viel mehr Herzen einsammeln, von denen sich besser leben lässt. Dazu muss sie aber originell sein, Unterhaltung oder Spannung anbieten können – mit anderen Worten die Verfolger bei Laune halten. Die Gefahr, die bei diesem Leben jedoch lauert, ist, sich in einem virtuellen Raum zu verlieren, ohne mitzubekommen, dass die Zeit währenddessen vergeht.
Dabei stellen sich Fragen nicht nur um die verschiedenen Ansprüche von Männern und Frauen an ein gelungenes Leben. Es wird darüber auch nachgedacht, ob es überhaupt möglich ist, sich gegen die Allgemeinheit zu stellen und mit einem anderen Lebensentwurf als ihn die Masse billigt glücklich zu werden. Henrietta Isabella Sophie Rauth verkörpert eine nachdenkliche, introvertierte Anne, die tatsächlich ihre Familie aufgibt, um als Spielerin „endlich zu leben“. Ihre Freundin, zugleich aber auch Gegenspielerin Irina (Julia Prock-Schauer), scheint ihr ganzes Gegenteil zu sein. Einst Burnout-Opfer wandelte sie sich zur stets lustigen, überdrehten, beliebten Spielerin, die im Leben nichts und niemanden mehr ernst nimmt. Sie agiert in einem einzigen, allumfassend vernetzten Spiel, in dem es kein Zurückschauen aber auch kein Vorausplanen mehr gibt.
Als sich Elias (Kilian Klapper) an einem Lebens-Wendepunkt wieder dem Spiel zuwendet und Anne bemerkt, dass ihr Gewalt die meisten Herzen sichert, spitzt sich das Geschehen dramatisch zu. Sarah Sternat schuf mit langen, zu Wigwams zusammengebundenen Holzstäben, ein höchst rurales Bühnenbild, das sich parallel dazu in einer gleichförmigen, kleinen Spielanordnung, die subtil den Zerfall der Familie aufzeigt, wiederfindet. Auch für die archaisch anmutenden Kostüme aus Decken und künstlichen Fellüberwürfen zeichnet sie verantwortlich.
Das Spiel des jungen Teams rund um Gleichschaltung, Hoffnung, Illusionen und zerplatzte Träume beeindruckt nicht nur durch seine mehrfachen Deutungsebenen. Es tut letztlich das, was jedes gute Theaterstück tut – es geht zu Herzen. Wobei keine virtuellen gemeint sind.
Weitere Infos auf der Webseite des Theater Brett: https://www.theaterbrett.at/relaunch/?q=content/mehltau-4