Martin Kippenberger dankt der Putzfrau

Wer sich nun verwundert, dass es in diesem Artikel schon seit geraumer Zeit nicht mehr um Kunst geht, der- oder demjenigen sei gesagt, dass ich es mehr als leid bin, Kunst gegen all jene zu verteidigen, die gar nicht willens sind, diese zu verstehen, sich auf sie einzulassen und über sie nachzudenken. Ich bin nun mal ganz einfach auch so präpotent und halte ihnen allen gerade keinen Kunstspiegel entgegen, in dem sie sich ohnehin nicht erkennen würden, sondern ich behaupte  einfach ganz nüchtern, dass sie sich schlichtweg mit ihren Schimpftiraden, Verunglimpfungen oder dem Lächerlichmachen unverstandener Kunst auf sehr dünnem Eis bewegen. Auf einem Eis, in das sie, wenn es jemand aus der Künstlerschaft einmal darauf anlegen würde, mit Krach einbrechen könnten. Denn diese Aussagen widersprechen doch alle samt und sonders jenen Grundsätzen, die in der Deklaration der Menschenrechte festgelegt wurden und somit auch vor dem Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingeklagt werden können.

Insbesondere in den Artikeln 18, 19, 23 und 27 ist all das geregelt, wogegen sich das schon zitierte „gesunde Menschenempfinden“ – (eindringlich sei vor jedem und jeder gewarnt, die mit diesem Begriff argumentativ operiert) in Zusammenhang mit zeitgenössischer Kunst, die eben Erklärungen bedarf um sie zu verstehen, verwehrt.

Artikel 18 (auszugsweise)

Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit …

Artikel 19

Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.

Artikel 23 (auszugsweise)

  1. Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl…

 

Artikel 27

2. Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.

Diese hier angeführten Rechte gelten, ganz platt gesagt, sowohl für die Kunstkonsumenten als auch für die Kunstproduzenten. Sowohl als auch wohl gemerkt. Jeder hier angeführte Punkt kann, sehen wir die Sache nun von der Seite der Künstlerinnen und Künstler an, sofort als Gegenargument gegen jene Ansagen angeführt werden, die landauf landab so fröhliche Urstände feiern und die zeitgenössische Kunst am liebsten von der Ausstellungsbildfläche verbannen würden.

Um noch einmal auf das Argument der Steuergeldverschwendung einzugehen, so sei hier explizit festgehalten, dass eine Demokratie sich nur dann tatsächlich als Demokratie und nicht als Diktatur erweist, wenn auch die Minderheiten in ihr zu ihrem Recht kommen. Und Kunstschaffende sind nun einmal genauso in der Minderzahl wie deren aktive Befürworter. Für beide Gruppen ist es aber unabdingbar notwendig, sich mit Kunst auseinanderzusetzen, Kunst entweder zu produzieren oder sie anzusehen und über sie nachzudenken. Auch wenn das für viele nicht nachvollziehbar ist. Für mich persönlich gehört die Reflexion über das zeitgenössische Kunstgeschehen, egal welche Kunstgattung es auch immer betrifft, unabdingbar zu einem erfüllten Leben, ja sogar zu meinem persönlichen Lebensglück dazu. Ich weiß definitiv, wovon ich spreche, hatte ich doch auch Zeiten, in denen es mir nicht möglich war, über Kunst nachzudenken und darüber zu schreiben. Zeiten, in denen ich dies als so große Entbehrung empfunden habe, dass ich alle Hebel in Bewegung setzte, um wieder zu dem zu gelangen, was für mich geistige Nahrung bedeutet ohne die es mir nicht wirklich gut geht. Ich bin jedoch und das gebe ich unumwunden zu, ein riesengroßer Sportbanause und habe nicht die geringste Ahnung von Fußball. Für mich bräuchte es keinen einzigen Fußballclub und kein einziges Stadion geben aber ich käme nicht im Traum darauf, mich dagegen auszusprechen und all jene scheel anzusehen, die damit ihr Geld verdienen oder einen Großteil ihrer Freizeit opfern, weil es ihnen Fußball ganz einfach Spaß macht und er für sie wie ein Lebenselixier wirkt.

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