Interview mit Marc Schaefer, dem Komponisten des Darius
Herr Schaefer von wem stammt die Idee zu Darius, der musikalischen Geschichte für einen Erzähler und Orchester?
Die Idee hatte ich, das ist schon lange her. Es ist eine Geschichte über die Macht der Elemente, die es in vielen Kulturkreisen gibt und keinen bestimmten Autor hat. 1994 habe ich kleine Skizzen geschrieben und diese auch aufgenommen. Mir kam diesbezüglich auch ein Buch in die Hände, bei der eine Maus gegen die Sonne antritt, aber ich habe nie einen Autor ausfindig machen können. Ich arbeitete mit Emmanuel Hirsch zusammen, der ja die Reime machte , und gab ihm zuerst die kleinen Skizzen mit der Musik. Dann schrieb er den Text, dann machte ich mehr Musik und so ging das wechselseitig hin und her. 1998 war das Stück fertig und jetzt, 12 Jahre später wurde es uraufgeführt. Man muss im Leben einfach Geduld haben!
Wie kamen Sie zum Komponieren?
Ich wurde einmal von einer Bekannten gebeten, für den Szenenwechsel bei einem Marionettentheater eine Musik zu schreiben. Stücke, die nur 10 bis 15 Sekunden lang waren, aber sie meinte, das wäre dadurch viel kurzweiliger und die Arbeit hat gefallen. Ich schreibe nicht wie in der Boulez-Klasse, bin nicht in der Szene verankert, sondern arbeite für mich ganz alleine. Aber ich habe auch schon etwas Kurioses geschrieben, eine Filmmusik für einen Film, der dann nie gedreht wurde. Normalerweise funktioniert es so, dass die Filmmusik gemacht wird, wenn der Film schon fertig ist. Dann muss alles ganz schnell gehen, das Geld für den Film ist auch längst ausgegeben und da steht man unter Zeitdruck. Das wusste ich. Eines Tages kam jemand zu mir, der einen Film über Ettore Bugatti machen wollte, der ja seine Fabrik in Molsheim gegründet hatte. Er war zu seiner Zeit bei uns hier schon eine Legende. Mir gefiel die Idee und ich dachte, ich arbeite schon ein wenig im Voraus, damit ich dann nicht so unter Druck komme. Dann hatte ich zwar die Musik fertig, der Film kam aber nie zustande! So habe ich eine Filmmusik ohne Film gemacht, ich glaube, das ist auch einzigartig, vor allem, weil diese Musik dann mehrfach aufgeführt wurde, in Nizza, in Angers, in Mulhouse und in Straßburg.
Haben Sie Komposition studiert?
Nein, leider nicht! Das hätte ich gerne, aber dazu kam es nicht. Ich hatte in Metz Violinunterricht und meine Lehrerin wollte mich unbedingt nach Paris bringen. Ich hätte sehr gern Komposition studiert und auch Saxofon, um zu wissen, was für Bläser wichtig ist, damit ich diese Erfahrung später einmal beim Komponieren auch einbringen könnte. Als das Semester begann, schrieb ich mich in die Kompositionsklasse ein – und hatte dort eine einzige Stunde! Wir waren ungefähr 20 junge Leute und der Professor verlange von uns einen dreistimmigen Kanon auf 4 Takten aufzubauen und dazu gab er uns eine halbe Stunde Zeit. Dann ging er reihum, nahm uns die Zettel ab, blätterte mit geübtem Auge durch und zog 5 heraus, die er Wert fand, vorzuspielen. Darunter war auch meiner. Dann aber gab es einen Riesenkrach mit meiner Lehrerin. Sie meinte, ich würde mich verzetteln und könne nicht gleichzeitig Saxofon und Komponieren studieren und noch die Geige spielen. Und da ich von ihr in gewisser Weise abhängig war, ich spielte damals in Metz aushilfsweise im Orchester, war 16 Jahre alt und unterstützte mit dem Geld schon tatkräftig meine Familie, habe ich nicht studiert und weiter für Geld im Orchester ausgeholfen. Natürlich hatte ich an der Musikschule, so wie alle Musiklehre, aber Komponieren musste ich mir selbst beibringen. Meine weit über 80 Jahre alte Mutter hat übrigens heute noch in ihrem Portemonnaie die Kreditbewilligung der Bank für ein Saxofon für mich – das dann auch nie gekauft wurde. Zu Komponieren habe ich dann erst mit 40 Jahren begonnen.
Haben Sie bei der Komposition für Darius auch an bestimmte Kollegen im OPS gedacht?
Nein überhaupt nicht, es hat keinen Zusammenhang mit dem Orchester gegeben. Ich wusste ja beim Komponieren nicht, dass das OPS dieses Stück einmal spielen würde.
Was war es für ein Gefühl, das Stück dann das erste Mal vom Orchester gespielt zu hören?
Zum einen ist es nicht leicht, überhaupt gespielt zu werden. Und wenn es dann soweit ist, dann hat man natürlich ein wenig Angst. Angst, dass das Stück vielleicht zu leicht sein könnte. Aber ich bin sehr glücklich, die Leute, die Musikerinnen und Musiker waren alle sehr begeistert. Natürlich gibt es von dem einen oder andern Kritik, aber ich weiß, wie ich damit umgehen kann. Und ich habe auch noch kleine Korrekturen gemacht. So habe ich bemerkt, dass ein bestimmter Ton beim Auftritt der Sonne zu schwach war, den musste ich dann durch eine andere Lösung ersetzen.
Sie kommen aus dem Orchester und dirigieren es selbst, haben Sie das schon öfter gemacht?
Ja, ich glaube mittlerweilen schon über 20 Mal. Ich bin eingesprungen, schon in letzter Sekunde und ich habe mit dem OPS auch viel auswärts dirigiert, in den kleinen Dörfern im Elsass. Ich hatte kein Problem mit meinem eigenen Orchester, denn was beim Dirigieren zählt, ist nur die Kompetenz. Wenn Sie so wollen, bin ich der „heimliche“ Dirigent des OPS. Es begann damit, dass es vor langer Zeit einmal große Schwierigkeiten bei den Proben mit einem Dirigenten gab. Die Konzertmeisterin war schon nach ganz kurzer Zeit sehr aufgebracht und teilte dem Vorstand mit, dass eine Aufführung nicht zustande kommen könnte und man einen Ersatz suchen müsste. Da meinte einer der Kollegen, fragt doch den Schaefer! Da wurde ich in die Direktion gerufen und gefragt, ob ich mir zutrauen würde, die Aufführung in 48 Stunden zu dirigieren – und ich sagte zu. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich sehr aufgeregt war und tatsächlich bis zu Aufführung nichts anderes gemacht habe als nur die Partitur zu studieren, aber es hat gut funktioniert.
Das Orchester hat großes Mitspracherecht bei den Dirigenten?
Es gibt bei uns eine Tradition. Wenn wir mit einem neuen Dirigenten zusammenarbeiten, dann stimmt das Orchester darüber ab und das Ergebnis geht in die Direktion weiter. Es kann nicht sein, dass wir mit einem schlechten Dirigenten arbeiten. Ein Dirigent kann bei der Arbeit bluffen, das Publikum merkt das nicht. Aber die Musiker können das nicht. Die Musiker, die im OPS spielen, sind alle durch ein strenges Auswahlverfahren gegangen. Das bedeutet, auf eine offene Stelle melden sich 30, 40 Leute und nur einer oder eine davon bleibt übrig. Alle anderen werden dabei aber hinausgedrängt. Schon alleine deswegen können wir es nicht dulden, dass wir unter einem schlechten Dirigenten arbeiten. Zum Glück aber wird unsere Meinung wahrgenommen.
Sie haben auch öfter die Silvesterkonzerte des OPS dirigiert?
Ja, nicht nur dirigiert, sondern ich habe auch das Programm ausgesucht bzw. teilweise auch die Arrangements gemacht. 1992 habe ich das erste Mal unter Guschlbauer das Programm vorgeschlagen, Lehar und Operette stand auf dem Programm und im Jahr darauf habe ich dann das erste Silvesterkonzert dirigiert. Ich gestaltete und leitete dann unter anderen ein Programm zum Thema Deauville in den 30er Jahren, ein anderes, rein amerikanische Programm hieß „Central Park“ und 2007 widmeten wir den Abend Zarah Leander, anlässlich ihres 100. Geburtstages. Es war ein sehr außergewöhnliches Konzert mit der schwedischen Sängerin Karin Pagmar. Ihre Stimme ist unglaublich, nach den ersten Sekunden konnte ich die Spannung aus dem Publikum spüren, aber es war ein großer Erfolg. Einige Konzerte später kam ein alter Mann zu mir und bedankte sich und sagte: „Wissen Sie, es war unglaublich, die Musik meiner Kindheit wieder zu hören!“ Das hat mich sehr berührt. Es ist seltsam, denn diese Musik bei uns aufzuführen, war so etwas, wie ein heißes Eisen anzugreifen, aber ich glaube, das hat damit zu tun, dass Zarah Leander Populärmusik machte. Wenn wir das Capriccio von Richard Strauß hingegen spielen, kommen keine Bedenken, obwohl die Oper 1942 in München uraufgeführt wurde und die Rolle von Richard Strauß, während der NS Zeit, als sehr umstritten gilt.
Sie stehen aber auch als fixer Dirigent einem anderen Orchester vor.
Ja, ich bin Leiter des Orchesters der Elekrizitätswerke von Straßburg, dem Orchestre d´harmonie de l´électricité de Strasbourg. Dieses Blasmusikorchester ist, soweit ich weiß, das einzige noch bestehende Werkorchester in ganz Frankreich. Früher hatten ja alle großen Unternehmungen eigene Orchester, aber diese Tradition gibt es nicht mehr. Es gibt noch ein Orchester, dass die U-Bahn in Paris betreibt und einen Chor von Air-France, aber das ist alles. Unser Orchester hat 80 Personen und ist zum Glück sehr lebendig. Unser letztes großes Konzert gaben wir a im großen Salle Erasme, der über 2000 Zuschauer fasst und wir mussten 400 Personen absagen, weil wir für sie keinen Platz mehr haben. Im Juni sind wir in Karlsruhe und Ende Juni werden wir dann auch eine Platte aufnehmen. Wenn ich Zeit habe, dann schreibe und arrangiere ich für das Orchester auch. Die Programme werden gemeinsam in einem Komitee beschlossen. Das Konzert am 24. April hatte den Titel „Ameriques“ – also Amerika und wir spielten viele bekannte, amerikanische Stücke. Da aber keines von ihnen für Blasmusik geschrieben ist, musste ich alle umarrangieren, das war unglaublich viel Arbeit!
Ich habe gesehen, dass Sie den Taktstock in der linken Hand halten. Ist das für die Musiker ungewöhnlich?
Nein, ich glaube nicht, sie kennen das von mir so und es hat bis auf einmal noch nie jemand etwas gesagt. Ich trat mit dem Orchester einmal in einer Stadt auf, in der wir ein paar Jahr später wieder spielten. Da kam ein Mann zu mir und sagte: „Mir ist beim ersten Mal schon etwas eigenartig vorgekommen aber ich wusste nicht was, aber heute habe ich es entdeckt: Sie halten den Taktstock ja links!“ Das war aber das einzige Mal. Eigentlich bin ich ja Linkshänder, aber zu meiner Zeit in der Schule, mussten wir noch alle rechts schreiben. Kurioserweise habe ich eine schöne Schrift entwickelt. Meine beiden Söhne sind auch Linkshänder, und obwohl heute in der Schule auch links geschrieben werden darf, ist die Schrift meines älteren Sohnes nicht wirklich schön!
Sie werden bald in Pension gehen!
Ja, wenn alles gut geht, in 3 ½ Jahren. Dann kann ich das machen, was mir Spaß macht, komponieren und malen.
Sie malen auch?
Ja, sehr gerne, aber fast ausschließlich mit dem Messer! Ich liebe es, die Farbe ganz pastos aufzutragen und dann mit dem Messer zu verteilen. Auf diese Art und Weise mache ich hauptsächlich Landschaften. Als ich noch studierte, fuhr ich wöchentlich 2, 3 mal mit dem Zug. Eines Tages hatte ein Freund einen Zeichenblock bei sich und ich sagte, er solle mir zeigen, was er gemacht hatte. Es war eine Landschaft und ich nahm einen Bleistift und setzte mit einigen wenigen Strichen die Schatten auf die Zeichnung. Das gefiel mir unglaublich gut, und als ich nach Hause kam, war es klar, dass ich mir Farben besorgen musste. Zuerst waren es Aquarellfarben, aber schon bald wechselte ich auf Ölfarben. Und wie damals, male ich auch heute noch Landschaften. Ich hasse die Stadt – in der Stadt fühle ich mich als Geisel. An jeder Ecke bekommt man ein Strafmandat und für alles muss man sofort bezahlen – das ist nichts für mich. Ich bin überhaupt nicht menschenscheu und liebe das Publikum, aber die Freiheit geht mir über alles.
Ich wünsche Ihnen viel Glück und viel Zeit fürs Komponieren und danke Ihnen für das Gespräch!
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