Wer kennt sie nicht, die Geschichte des kleinen Prinzen von Saint-Exupérie? In den Schulen gehört sie zumindest im Französisch-Unterricht zur Pflichtlektüre, aber viele machen damit schon im Kinderzimmer Bekanntschaft.
Im Theater franzjosefskai 21, das von Alexander Waechter bespielt wird, darf man ab sofort eintauchen in eine Welt, die von den meisten als Kinderuniversum angesehen wird. Tatsächlich aber ist „Der kleine Prinz“ eine Parabel auf das Menschsein an sich. Ihr Autor richtet darin einen scharfen Blick auf die Schwächen und Absurditäten der Spezies Homo sapiens, die kleine Kinder im Handumdrehen entlarven können, Erwachsene aber oft nicht durchschauen. Aber wie war das eigentlich noch mit dem rätselhaften kleinen Mann, der wie vom Himmel gefallen dem Autor während der Reparatur seines Flugzeugmotores in der Wüste Gesellschaft leistete?
Waechter, der nach seiner eigenen Übersetzung spielt, schlüpft nach und nach in alle Rollen, die in dem Büchlein vorkommen. Er mimt den Autor selbst, der sich verzweifelt bemüht, seinen kaputten Motor instand zu setzen. Er spricht aus dem Mund des kleinen Prinzen aber auch aus all jenen, die dieser auf ihren Planeten besucht. Den König, der in allen Menschen nur Untertanen erkennt, den Säufer, der trinkt, um zu vergessen, den Geografen, der nicht von seinem Schreibtisch weg kommt, den Laternenanzünder, der aufgrund der permanenten Drehung seiner Heimat keinen Schlaf mehr finden kann, den Eingebildeten, der süchtig nach dem kleinsten Lobkrümel ist.
Die Bühne wird im Laufe des Abends mit jenen Zeichnungen belebt, die Saint-Exupérie im Exil in New York selbst für die Illustration seiner Geschichte anfertigte. Der Erzählmodus, den Waechter von Beginn an den jeweiligen Szenen stimmig anpasst, bietet alle emotionalen Höhen und Tiefen, die in der Geschichte stecken. Und der Schauspieler selbst vermittelt auf geschickte Art und Weise, nie jedoch aufdringlich, den subtilen Humor, die Traurigkeit, Nachdenklichkeit, aber auch Ungeduld, mit der der kleine Prinz agiert. Vielleicht ist es die Präsentation in einem grünen Fliegeroverall, die bewirkt, dass man plötzlich wie von selbst die Metaphern, die Saint-Exupérie über die Liebe, die Eifersucht und den Tod schrieb, als solche auch versteht? Dass man sich nicht als Kind fühlt, das eine unglaubliche Geschichte vorgesetzt bekommt, sondern als Erwachsener, der wie durch ein Brennglas auf jene menschlichen Unzulänglichkeiten blicken kann, von denen man sonst so gerne wegschaut.
Die Poesie, die in dem Buch steckt, breitet sich im Theaterraum magisch aus, auch ohne dass ein großes Bühnenbrimborium geboten wird. Das ist das sicherste Zeichen, dass der Mann im grünen Overall, der so verzweifelt versucht, seinen Motor zu reparieren, an diesem Abend alles richtig macht. Wer mit dem Herzen gut sehen möchte, sollte mit dem Training bald am franzjosefskai 21 beginnen.
Termine auf der Hompage des Theater franzjosefskai 21