Unsere Erde – ein No-Escape-Room

Unsere Erde – ein No-Escape-Room

Michaela Preiner

Foto: ( Apollonia Theresa Bitzan )

2.

Juli 2023

Der Regisseur Kai Krösche schuf mit „LINIE Q. EIN NO-ESCAPE-ROOM“, ausgestattet mit Texten von James Stanson, Emre Akal und ChatGPT, ein dystopisches Szenario.

Techno-Überwachung, Umweltbelastung und Verschwörungstheorien

Der Zustand unserer Welt ist nicht einfach zu beschreiben, doch sind sich die meisten Menschen darüber einig, dass wir von mannigfaltigen Bedrohungen umgeben sind. In Kooperation mit dem WUK, das für diese Inszenierung Platz in der ehemaligen Wirtschaftsuni in der Spittelau fand, widmete er sich aktuellen Fragestellungen wie jenen zum Einsatz von KI und der lückenlosen, elektronischen Überwachungsmaschinerie, zur Verbreitung und dem Ziel von Verschwörungstheorien, aber auch zur voranschreitenden Zerstörung unserer Umwelt.

In insgesamt drei untereinanderliegenden, abgedunkelten Räumen machte man sich auf eine Suche und einen Weg mit unbekanntem Ziel. Das Handy musste stets in Betrieb bleiben, um QR-Codes zu scannen, die einen mit Bild- oder Textmaterial versorgten. Gleich zu Beginn wurde die Aufmerksamkeit von einem Video, in welchem ein Mann allein in einer U-Bahn fährt, ohne dass diese anhält, von der eigenen Betriebsamkeit abgelenkt, die sich mit der ständigen Suche nach neuen Infos hinter den QR-Tafeln beschäftigte. Und doch war es das surreale Schicksal des Mannes, dargestellt von Simon Dietersdorfer, welches wesentlich mehr Aussagekraft besaß als alle elektronischen Informationen zusammen. Gefangen in einer rasanten Zeitlosigkeit, ohne Aussicht auf Rettung, verkörperte er nicht nur die Einsamkeit des Individuums, sondern auch die Sinnlosigkeit jeglicher Unternehmung, sowie das Überwachtwerden in einer Welt, in der die persönlichen Daten und Informationen längst großen Unternehmen zugängig und von ihnen auswertbar sind.

2 LINIE Q Apollonia Theresa Bitzan

„Linie Q – Ein no escape Room“ (Foto: Apollonia Theresa Bitzan)

Auch im Raum darunter begegnete man ihm abermals in Videoform. Dieses Mal an vielen kleinen Bildschirmen, aufgestellt in Ein-Mann-Zelten, in welchen sich weitere QR-Codes befanden, die man öffnen musste. Die Texte, die hier mit den Stimmen eines älteren Mannes, einer Frau und eines Kindes eingespielt wurden, waren hoch lyrisch, philosophisch, aber auch voll von Resignation. Die kleinen Zelte lösten Assoziationen zu Relikten und letzten Zufluchtsorten menschlicher Zivilisation aus. War auch hier eine weitere elektronische Aufgabenstellung allgegenwärtig, so wurde doch stärker als zuvor die emotionale Ebene angesprochen. Im Laufe der Verweildauer wurde klar, dass diese kleinen Zelte das Schutzbedürfnis des Menschen nur in geringem Maße befriedigen können und dass der Aufenthalt in ihnen, selbst wenn sie als finale Unterkunft dienen, nicht von langer Dauer sein wird.

Mit einem letzten Abstieg in einen dritten Raum, landete man in einer Art Disco, in der eine schwarze Gestalt ein Revolutions-Playback zum Besten gab. Grundtenor: „Die da oben“ richten es sich seit Jahrtausenden und „wir da unten“, tun gehorsam, was mit uns vorgesehen ist. Aktuelle Verschwörungstheorien kamen dabei genauso zum Einsatz wie die Idee, dass wir uns doch alle nur in einer Lebensillusion und einem Simulationsspiel befänden. So laut auch der Bass dröhnte, so laut auch die Stimme vom Band mit einer Dauertirade gegen das Establishment wetterte, der Funke, der das Publikum zur Raserei hätte bringen können, sprang nicht über.

Victoria Halper agierte als englischsprachiger Guide, die den Besuchenden der Performance zugleich Halt und Stütze in unbekannten Räumen bot. Sie schlüpfte auch in die Rolle des Agit-DJ und agierte darin als hybrides Wesen.

LINIE Q. EIN NO-ESCAPE-ROOM – dieser Titel galt nicht für den Aufführungsort selbst. Vielmehr lässt er Assoziationen zur QAnon-Verschwörungstheorie einerseits und dem Zustand unseres Planeten andererseits zu. Sollte sich die QAnon-Bewegung verstärken und die Umwelterstörung weiter voranschreiten, werden wir uns im übertragenen Sinn, wie der U-Bahn-Fahrer, auf einem Trip abwärts wiederfinden, aus dem es kein Entkommen mehr geben wird.

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