Hollywood im Prater

Von Michaela Preiner

„Liliom.Club“ (Foto: Günter Macho)

26.

Oktober 2018

Wer Action will, mit saftigen Prügel-Szenen, muss nicht unbedingt ins Kino gehen. Das Off-Theater in der Kirchengasse bietet Tschin-Bum-Krach zum Angreifen nahe. Aber das ist bei Weitem nicht alles

Wer kennt nicht die Werbung von drei in einem?! Die mit der Schokolade, die eine Überraschung beinhaltet, ist gemeint. Ungefähr so kann man sich die derzeitige Inszenierung „Liliom.Club“ im Off-Theater vorstellen.

Ernst Kurt Weigel frönt dort seiner Leidenschaft und masht up, was das Zeug hält. Konkret Wienerisches und Amerikanisches: Liliom von Fritz Molnar und Fightclub des Regisseurs David Fincher.

Angesiedelt ist Weigels Geschichte im Prater und in diversen Selbsthilfegruppen. „Echte Männer brauchen keine Hoden“ ist die Parole der Selbsthilfegruppe „Hodenkrebs“, die sich einmal pro Woche trifft. Dass dabei auch Frauen anwesend sind, zeigt, wie tolerant die Betroffenen damit umgehen, denn schließlich ist auch eine eingebildete Angst eine reale Angst.

Liliom ist zwar nicht krank, bekämpft dort jedoch sein Hauptproblem: Seine Schlaflosigkeit. Was zuhause nicht funktioniert, geht unter gesprächswilligen Leidenden prächtigst. Bis ein junges Mädchen auftaucht. Sie nützt die Gruppe, um dort Kalorien in Form von Kuchen und Nüssen zu tanken. Julie (Isabella Jeschke wiederum großartig, wie schon in der letzten Mash-up-Inszenierung „Taxi Speiber“) Ihre pralle Lebenslust geht einher mit einer gehörigen Portion rebellischem Nonkonformismus, weswegen sie auch ihre Freundin Marie (Leonie Wahl) nicht versteht. Diese sucht sich ausgerechnet einen 48-er als Mann aus und klettert mit ihm unterwartet sukzessive die Karriereleiter hoch.

Und dann ist da noch Ficsur. Jener groß gewachsene, philosophierende „ich-hau-dir-aufs-Maul-Typ“, der sich nur dann wirklich spürt, wenn er gewalttätig wird und in den fights mit Liliom seinen Adrenalinspiegel in ungeahnte Höhen hochputscht. Ernst Kurt Weigel himself verkörpert diesen schrägen Typen, der Liliom höchst manipulativ in eine Gewaltspirale hochhievt, aus der es für diesen kein Entrinnen mehr gibt.

Der Reiz des Abends liegt, ganz abgesehen von den schon angedeuteten Kampfszenen, in der Sprache, die in den beiden sich verzahnenden Geschichten verwendet wird. In reinstem Striezi-Wienerisch wird humorig Banales genauso vom Stapel gelassen, dass die Theaterbretter nur so krachen, wie geistreiche Tiefschürfungen. Von beidem kann man nicht genug bekommen. Das vor allem auch, weil das bernhard ensemble spielt, als gäbe es kein Morgen. Kajetan Dick – in einer Doppelrolle – zum Brüllen sein Krebskranker mit Hoden-Phantomschmerzen und Michael Welz als antipodischer Herr Muskat, der mit Pagenkopfperücke und Highheels sowohl den Selbsthilfegruppenleiter als auch die Prater-Fuhrparkchefin mimt, geben ein komödiantisches Paar der Extraklasse ab.

Gerald Walsberger entwickelt sich in der Rolle des Liliom glaubhaft vom Duckmäuser zum brutalen Schläger und Leonie Wahl schafft das Kunststück, eine Choreografie von „Singing in the rain“ des unvergessenen Gene Kelly einzubauen. Gemeinsam mit ihrem „Mistkübelräumer“ schwingt sie den Besen und tanzt mit Kajetan Dick diese romantische Nummer, dass man sich mitten in einer Hollywoodproduktion wähnt.

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„Liliom.Club“ (Foto: Günter Macho)

Es sind die unerwarteten Einschübe, die geistreichen Dialoge, die witzigen Bonmots mit Gegenwartsbezug und das Kunststück, sowohl Liliom als auch den Fight Club in ihren Handlungssträngen komplett bestehen zu lassen, die diesen Abend zu einem unvergesslichen werden lassen.

Einmal anschauen ist einfach zu wenig.

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