‚Let’s play‘ – oder lieber doch nicht

‚Let’s play‘ – oder lieber doch nicht

Michaela Preiner

13. September 2025

Lesezeit: [lesezeit]

‚Let’s play‘ – oder lieber doch nicht

Michaela Preiner

13. September 2025

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Foto: (Johannes Gellner )

Foto:

Was tun gestresste Menschen, die zu viel Zeit vor einem ‚bad-screen‘ verbracht haben? Zu viel Zeit vor dem Bildschirm mit Tätigkeiten, die sie nicht mögen, sondern die sie stressen?

Jacob Banigan vom Ensemble des Theater im Bahnhof hat darauf eine Antwort: weitere Zeit vor dem Bildschirm verbringen! Aber dieses Mal vor einem ‚good-screen‘. Für ihn, wie für Legionen anderer, ist dies Zeit mit einem Computerspiel. Was er da macht und wie er sich dabei erholt, zeigt die Produktion ‚Let’s play I am old and tired. Ein Live-Gaming-Theater von Theater im Bahnhof und Total Refusal unter der Regie von Monika Klengel.

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Jacob Banigan (Foto: Johannes Gellner)

Die beiden Kollektive warfen ihre jeweiligen Kompetenzen – auf der einen Seite das Theatermachen, auf der anderen Seite die Beschäftigung mit Hochglanz-Videospielen – zusammen. Herausgekommen ist eine Vorstellung mit gemischter Kost. Die Idee, die großflächig projizierten Gaming-Szenen mit Sätzen aus Henry David Thoreaus (1817-1862) Roman „Walden“ zu unterfüttern, ging voll auf. Die Verschränkung von gelesenem Text und bewegtem, aktuellem Videospielmaterial fügte sich zu einem feinen Neuen. Sowohl Lorenz Kabas mit seiner geschulten Vortragsstimme als auch Jacob Banigan als gestresster Schauspieler, der beim Gamen seine entspannenden Auszeiten sucht, wussten Theaterqualitäten einzubringen, die das TIB-Publikum gewohnt ist und liebt. Eine gekonnte Bühnenpräsenz, gespickt mit einem humorvollen, augenzwinkernden Text.

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Foto: Johannes Gellner

Schwerer hatten es bei diesem Format Susanna Müller und Robin Klengel. Obwohl sie ihre kurze lecture als improvisiert erscheinen ließen, genauso wie den späteren Absturz des Computersystems, kamen ihre Erläuterungen ein wenig bemüht über die Rampe. Das Total Refusal Kollektiv bezeichnet sich selbst als ‚pseudo-marxist-media-guerilla‘, dementsprechend erwartbar war auch ihre antikapitalistische Sichtweise auf die Lebenszeitfressermaschinerie Computer-Gaming. Dass sie sich mit ihrer Beschäftigung in einer starken Ambivalenz befinden, ist ihnen bewusst und tatsächlich ein Dilemma. Nicht nur für sie, sondern für alle, die sich mit Computerspielen die Zeit vertreiben. Eine Zeit, die nicht mehr zurückkommt, verloren zu sein scheint, zugleich jedoch Entspannung und Emotionen bietet, die das real-life vermissen lässt.

Das Pendeln zwischen den Polen – einem frischen Theaterfeeling und Aufklärungsversuchen über ein komplexes Thema, das wenig positiven Output im Sinne einer marxistischen Herangehensweise an den Lebens- und Arbeitsalltag bietet, erwies sich letztlich nicht als Sammlung von vielen XP – Experience Points. Vielmehr konnte sich dadurch jene Einstellung festigen, welche Computerspielen negativ gegenübersteht. Nicht zuletzt durch jene finale Szenerie, in welcher ein nackter Avatar, der minutenlang unermüdlich, ohne zu pausieren, durch die Landschaft lief, ins Straucheln gelangte und abstürzte.

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Foto: Johannes Gellner

Da half auch das allgemeine Zusammenkuscheln aller Beteiligten vor einem Kamin mit Fake-Feuer nicht mehr. Game over ohne Happy End für alle Beteiligten und auch nicht für das Publikum.

Weiter Termine: jeweils um 20:00 Uhr: 06., 07., 08., 13., 14., 15., 20., 21., 22.11.2025 und 08., 09., 10., 16., 17.01.2026

VON UND MIT Jacob Banigan, Susanna Flock, Johanna Hierzegger, Lorenz Kabas, Robin Klengel, Moke Klengel
KONZEPT UND TEXT Theater im Bahnhof und Total Refusal
AUSSTATTUNG UND LIVE-SCHNITT Johanna Hierzegger
TECHNIK UND SOUNDDESIGN Moke Rudolf-Klengel
LICHTDESIGN Martin Schneebacher
MODDING RCPisAwesome
REGIE Monika Klengel
IDEE Monika Klengel und Robin Klengel