Schaurig schön und wunderbar humorvoll

Schaurig schön und wunderbar humorvoll

Michaela Preiner

Foto: ( Lex Karelly )

23.

Januar 2023

Siebzehn Personen auf der Bühne, eine Aufführungsdauer von drei Stunden und fünfundvierzig Minuten, eine Live-Kamera, Live-Musik und ein ausgefeiltes Bühnenbild: In der Inszenierung „Das Reich: Hospital der Geister“ nach der Serie von Lars von Trier und Niels Vorsel, im Schauspielhaus in Graz, wird nicht gekleckert, sondern anständig geklotzt.

Der Regisseur Jan Christoph Gockel schuf gemeinsam mit Karla Mäder eine Fassung für das Grazer Haus und das Kunststück, eine derart lange Aufführungsdauer kurzweilig erscheinen zu lassen. Wen auch immer die Dauer abschrecken mag, dem sei die Angst genommen, sie ist unbegründet.

Gockel, der schon vor acht Jahren hier inszenierte, lieferte einen Abend ab, der alles beinhaltet, was gutes Theater heute bieten sollte. Einen interessanten Plot, ein gut besetztes Ensemble, aktuelle und regionale Textbezüge sowie die Inklusion von zwei Menschen mit Behinderungen, die für gewöhnlich nicht auf einer Bühne anzutreffen sind.

Dass Florian Finsterbusch und die taubblinde Tanja Hameter noch dazu mit Rollen ausgestattet wurden, die glaubwürdig schienen, zeugt nicht nur von Fingerspitzengefühl, sondern auch von dramaturgischem Können. Den inklusiven Ansatz findet der Regisseur zukunftsweisend und zugleich lehrreich nicht nur für das Publikum, sondern auch für das Ensemble. Und man muss ihm recht geben, denn noch ist es die Ausnahme, Diversität auf den Bühnen zu sehen.

Der Inhalt stammt im Großen und Ganzen aus der Serie von Lars von Trier, obwohl, wie der Regisseur angab, nur ca. 20 % von seinem Text übernommen wurden. In einem dänischen Krankenhaus treiben Geister ihr Unwesen, aber es menschelt auch kräftig in Liebesbelangen. Das Haus ist auch Treffpunkt für die Mitglieder einer Loge, der nur Ärzte angehören. Diese setzen sich für einen Pathologen ein, der eine Lebertransplantation an sich vornehmen lässt, bei welcher das neu verpflanzte Organ willentlich von einem großen Tumor befallen ist. Der Chefarzt des Hauses, ein selbstbewusster und despotischer Schwede, tyrannisiert seine Kolleginnen und Kollegen so lange, bis ihm bei einer OP ein Kunstfehler passiert und er dadurch erpressbar wird.

Das ausgefeilte Bühnenbild (Julia Kurzweg) und die Lichttechnik (Thomas Trummer) geben den Blick auf unterschiedliche Räume des Krankenhauses frei, aber auch auf einen Aufzug, mit dem man in die Hölle und in den Himmel fahren kann. Eine Live-Kamera begleitet einen auch in die „Unterwelt“ – in der sich ein Neurochirurg häuslich eingerichtet hat. Michael Pietsch bewegt nicht nur eine zarte, mädchenhafte Gliederpuppe, sondern kreierte auch einen riesenhaften Jungen, der sich am Ende als Erlöser des Bösen in diesem Setting erweist.

Bis dahin darf man über so manche Handlungsvolte staunen, über einzelne Charaktere herzlich lachen, aber auch Spaß an so manchem Regie-Einfall finden, der Bezüge zu Österreich oder noch enger – auch Graz herstellt. Auch der zweite Handlungsstrang, in welchem der Sohn des Klinikgründers mit allerlei Teambuilding-Maßnahmen versucht, das reichlich belastete Arbeitsklima zu verbessern, bietet eine Menge an witzigen bis skurrilen Momenten, in denen man sich auch selbst wiederfinden kann.

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„Das Reich – Hospital der Geister“ (Foto: Le Karelly)

Mit einem wie aus der Zeit gefallenen Trauerzug, der hinter einem hölzernen Wagen hertrottet, gelang Gockel ein extrem starkes Bild, das auch mit Leichtigkeit Assoziationen in die Vergangenheit öffnet. (Kostüme Sopie du Vinag) Ein Mann aus dem Publikum erhält zu Recht ausgiebig Applaus, nachdem er unvorbereitet auf der Bühne mit Bravour eine menschliche Marionette dargestellt hatte. Es sind der Regie-Einfälle und der Aufzüge viel zu viele, um alle beschreiben zu können. Live-Musik, aber auch eine Soundbegleitung, bei der man Gänsehaut bekommen kann, tragen das ihre zum Erfolg dieses Abends bei. Keiner der Charaktere bleibt in einem bierernsten Stadium, alle bekommen ihre Risse, durch welchen ein Humor blitzt, der das Menschliche zum Vorschein bringt.

Dies, aber auch das extrem abwechslungsreiche Setting und eine Handlungsführung, die keinen Augenblick Langeweile aufkommen lässt, machen die Stärke dieses Abends aus.
Die Empfehlung des Hauses, erst ab 14 zu kommen, macht durchaus Sinn. Allen, die älter sind und einen richtig prallen Theaterabend erleben möchten, sei diese Inszenierung wärmstens empfohlen.

Mit: Tanja Hameter, Claudia Wolf-Straubinger, Beatrice Frey, Alexej Lochmann, Oliver Chomik, Andri Schenardi, Michael Pietsch, Franz Solar, Susanne Konstanze Weber, Florian Köhler, Lisa Birke Balzer, Raphael Muff, Evamaria Salcher, Rudi Widerhofer, Florian Finsterbusch, Matthias Ohner, Yves Ndagano, Kurt Zalac, Timo Neubauer

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