Kunst ist kein Heiligtum
22. Januar 2014
„Für mich ist Kunst kein Heiligtum. Ich vergleiche meine Kunst auch gerne mit einem guten Essen. Wenn man es genossen hat, ist es nicht mehr, aber man kann sich an seinen Geschmack immer erinnern.“
Michaela Preiner
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Auf die Frage, wo Alfredo Barsuglia denn interviewt werden möchte, kommt die Antwort mehr als prompt: „Im Café Korb, das ist ja praktisch mein verlängertes Wohnzimmer!“ Also treffen wir uns in dem bekannten Wiener Café, wenige Schritte vom Stephansdom entfernt. Gleich rechts neben dem Eingang – zugegebenermaßen in etwas luftiger Höhe – hängt ein großes Portrait von der Chefin des Cafés, Susanne Widl. Der Künstler: Alfredo Barsuglia.

Wie er sie denn kennengelernt habe möchte ich wissen. „Sie war bei einer meiner Ausstellungen und als ich viel später einmal ins Café kam, hat sie mich wieder erkannt. Mittlerweile hat sich eine Freundschaft ergeben und ich wurde durch sie sogar in den Kreis der bereits hoch dekorierten österreichischen Kunstelite aufgenommen.“ Barsuglia meint damit Peter Weibel, Günter Brus, Peter Kogler und Manfred Wollf-Plottegg, die sich auf beeindruckende Weise in der „Art Lounge“ im Souterrain des Cafés selbst ein Denkmal setzten. Das minimalistische WC-Design des Letztgenannten ist längst Kult in Wien. Inmitten all dieser Arbeiten sticht auch das Werk Barsuglias ins Auge. Eine Videoinstallation (Cloud, 2010), so in die Decke montiert, dass man meint, direkt vom Keller in den Himmel sehen zu können. Leise bewegen sich begrünte Zweige an den Bildschirmrändern, in der Mitte beleben stetig ziehende Wolken den blauen Himmel. „Das war für mich tatsächlich eine große Anerkennung“ führt der 1980 geborene Künstler weiter aus. Susanne Widl scheint eine Nase für gute Kunst zu haben. So auch im Fall von Alfredo Barsuglia.

In Wien sowohl an der Angewandten als auch an der Akademie der Bildenden Künste ausgebildet, ist Barsuglia, 1980 in Graz geboren, in der Szene kein Unbekannter mehr. Bereits mit zahlreichen Stipendien und Preisen ausgezeichnet, kann er seinen Lebensunterhalt durch seine Kunstproduktionen bestreiten. Ein Umstand, der in seinem Alter alles andere als üblich ist. „Ich hatte bisher immer Glück, dass es sich ausgegangen ist“ kommentiert er diesen Umstand bescheiden. Die Liste seiner Auszeichnungen ist dennoch beeindruckend:

Vom Jahr 2006 bis Anfang 2014 sind es gezählte 10 Auszeichnungen bzw. Stipendien, darunter ein Walter Koschatzky Anerkennungspreis, ein BMUKK-Stipendium für das heurige Jahr in Rom, aber auch zwei Artist-in-residence Stipendien in Kalifornien. Barsuglia ist mit seinen Werken in verschiedenen Galerien vertreten – aber immer nur temporär, denn er entwickelt für jede Ausstellung ein eigenes Szenario, das danach gänzlich wieder abgebaut wird. Aber auch im öffentlichen Raum kann man Werke von ihm finden. Vorausgesetzt, man ist reisefreudig. In der Wüste von Kalifornien steht seine Arbeit Oderfla Beauty Resort, die Wind und Wetter ausgesetzt ist und eines Tages vielleicht völlig verschwunden sein wird. Eines seiner jüngsten Werke ist noch bis Mitte Februar vor dem Museum Ferdinandeum in Innsbruck zu bestaunen und bewohnen. Das Hotel Publik. Ein kleines Häuschen, das an einfache Kinderspielhäuser erinnert, in seinem Inneren aber voll funktionsfähig als Einraumübernachtungsmöglichkeit ausgestattet ist. Ein frisch bezogenes Bett, ein kleines Bücherregal, Licht, eine Heizung – mehr braucht es nicht, um sich der Erfahrung des Wohnens an einem öffentlichen Platz hinzugeben. „Das Zimmer ist jeden Tag belegt. Es sind Touristen, Obdachlose oder auch Neugierige, die einmal ihre Erfahrungswelt gegen eine andere eintauschen möchten“ – das bedeutet, dass Kunst hier direkt auf den Alltag trifft, ein Umstand, den Barsuglia auch radikal in seiner Kunstauffassung umsetzt.

„Für mich ist Kunst kein Heiligtum. Ich vergleiche meine Kunst auch gerne mit einem guten Essen. Wenn man es genossen hat, ist es nicht mehr, aber man kann sich an seinen Geschmack immer erinnern.“ Was hier so leichtzüngig gesprochen wird, erstaunt umso mehr ob der Kunstfertigkeit, die in vielen von Barsuglias Arbeiten steckt.

Der junge Künstler spielt damit auf ein Charakteristikum seiner Kunstproduktion an, nämlich auf die Verwendung von Kunstwerken, die er eigenhändig hergestellt hat und die dennoch meistens der Zeitbegrenzung zum Opfer fallen. Das können illusionistische Räume sein, die perspektivisch so verblüffend gemalt wurden, dass man versucht ist, in sie hineinzugehen; Das kann aber auch ein kleiner, feiner Schmetterling an der Wand sein, den man einfangen und ins Freie geleiten möchte. Ganz abgesehen davon, dass einfaches Mobiliar wie ein Tisch oder ein Stuhl von ihm nicht im Möbelhandel gekauft wird, sondern in Zusammenarbeit mit Tischlern als Einzelstücke gebaut werden. „Ich male gerne, aber malen alleine ist mir zuwenig. Ich schließe in meiner künstlerischen Arbeit kein Medium aus, bin immer am Überlegen was ich noch machen könnte und möchte mich selbst damit überraschen was ich nächstes Jahr machen werde. Klar sind meine Arbeiten zum Teil lange im Voraus schon geplant. Wann ich diese dann aber realisieren kann, ist nie gewiss. Vieles erarbeite ich dann aber auch spontan, orts- und kontextbezogen. Es macht mir großen Spaß, an Installationen zu arbeiten, weil ich dabei mit einer ganzen Reihe von Menschen zusammenarbeite und gleichzeitig auch für mich immer etwas Neues dazulerne. Für eine Ausstellung in einer Galerie habe ich im Durchschnitt ein Jahr Vorlaufzeit. Mir macht die Komplexität der Ausstellungsarchitektur, die ich entwerfe und dann gemeinsam mit anderen zusammen baue, großen Spaß.“

Barsuglias malerisches Können, die Realität so abzubilden dass sie diese noch übertrifft, geriet kurioserweise aber auch zum Bumerang. „Schon des Öfteren haben Juroren bei Wettbewerbseinreichungen bei mir nachgefragt, ob eingereichte Werke tatsächlich gemalte Originale seien oder nicht doch Drucke. Für mich ist das auch ein Teil der Realitätsfrage mit der ich mich gerne beschäftige. Für viele Menschen ist es aber völlig unverständlich, wenn ich Arbeiten, die eine große Zeitspanne in der Erzeugung benötigten, kaputt mache. Auf die Spitze getrieben habe ich das mit Collagen von fotorealistischen Malereien von mir. Ich habe diese ausgeschnitten und neu zusammengesetzt, also bewusst mit der üblichen Behandlung und Umgangsweise einer fertigen aufwändigen Malerei gebrochen – das war dann für die Betrachter überhaupt nicht mehr nachvollziehbar weswegen ich diesen Weg nicht weiter verfolgt habe.“

Diese Einstellung zeigt deutlich auf, dass Barsuglia auch ständig sein eigenes Tun hinterfragt. Der Umstand, dass er nicht nur Bilder malt, sondern sich gleich ganzen Rauminstallationen verschrieben hat erfordert auch am Markt ein anderes Auftreten.
Denn diese Art von Kunst ist wesentlich sperriger im Verkauf als sogenannte „Flachware“. Deswegen sind gerade die Stipendien für den jungen Mann auch so wichtig. Jede Arbeit wird dokumentarisch festgehalten – wenn sie nicht mehr besteht, bleiben noch die Fotos und Videoaufnahmen und die begleitenden Texte. Die Kombination von Malerei, Videoarbeiten und dreidimensionalen Räumen, die mit allerlei Requisiten bestückt sind, macht den Reiz und die Unverkennbarkeit seiner Arbeiten aus. Thematisch beschäftigt sich Barsuglia gerne mit Illusion und Realität und den oszillierenden Stadien dazwischen. Dabei nimmt er gerne eine Metaposition ein, betrachtet soziale Umstände von außen, um wie mit einem Seziermesser scheinbar normale gesellschaftliche Mechanismen bloßzustellen und deren vermeintliche Normalität so zu hinterfragen. Er erzählt darin gerne Geschichten, welche die Betrachtenden jedoch selbst in ihren Gedanken zusammensetzen und weiterspinnen können. Oft schlägt uns unsere Wahrnehmung beim Betrachten seiner Arbeiten ein Schnippchen und wir sind dadurch automatisch mit der schon angesprochenen Realitätsfrage konfrontiert. Es sind jedoch nicht nur Einzelarbeiten, mit denen der Multikreative auf sich aufmerksam machte.

Mehrfach hat er auch schon mit Oleg Soulimenko zusammengearbeitet und für den Choreografen ein Bühnenbild und die Kostüme geschaffen. Die jüngste Produktion „The dance I don`t want to remember„, die vor Kurzem im Tanzquartier in Wien lief trug unverkennbar seine Handschrift. „Auch wenn die Entlohnung im Kulturbereich manches Mal nicht der Rede wert ist stecke ich all meine Energie in das jeweilige Projekt wie zum Beispiel bei diesen Tanzproduktionen. Ich kenne die Situation nicht, vor einer leeren Leinwand zu sitzen über darüber zu sinnieren, was ich denn machen solle. Ich fühle mich auch dann nicht erschöpft, wenn ich rund um die Uhr arbeite, weil mir meine Arbeit eine so große Freude bereitet.“

Trotz der relativ kurzen Zeit, die Alfredo Barsuglia im Kunstbetrieb aktiv tätig ist hat er sich bereits eine überaus pragmatische um nicht zu sagen weise Einstellung zu seiner Arbeit angeeignet. „Ich bin der Meinung, dass, egal was man tut, es in irgendeiner Art und Weise einmal zurückkommt. Man muss nur einen langen Atem haben.“

Die nächste Ausstellung von Alfredo Barsuglia findet in der Galerie Zimmermann Kratochwill in Graz statt und wir dort am 7. März 2014 eröffnet. Sie trägt den Titel Land und beschäftigt sich mit dem Thema Grenzen. Dafür hat er in der kalifornischen Wüste ein Schwimmbecken gebaut, einen Social Pool wie er ihn nennt, wobei er in der Dokumentation nicht nur das Endergebnis präsentiert, sondern vor allem auch den Weg zum Endprodukt. Wer Kunst mit all seinen Sinnen, einer Portion Neugier sowie der Freude am Kombinieren und Assoziieren genießen will kommt bei seinen Ausstellungen voll auf seine Kosten.

Für den nächsten Auslandsaufenthalt in Rom muss man kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass sich die Arbeiten des Österreichers auch dort bewähren werden – nicht der einzige Grund, ihn auch weiterhin im Auge zu behalten.

Links

Webseite Alfredo Barsuglia
Webseite Galerie Zimmermann-Kratochwill
Projektraum Viktor Bucher
Webseite Café Korb

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