Das fetzt!
14. Februar 2024
Ein Wrestlingring im Kosmostheater bietet einer ganz besonderen Familie ein Bühne.
Michaela Preiner
KEEPING UP WITH THE PENTHESILEAS (Foto: Bettina Frenzel)
Foto: (Bettina Frenzel)

„Keeping up with the Penthesileas“ von Thomas Köck und Mateja Meded bringt die Kardashians nach Wien. Oder sind es Penthesilea, die Königin der Amazonen und ihr Gefolge?

Auf die Idee, den antiken Frauenmythos mit den millionenschweren Influencerinnen zu vergleichen, muss man erst kommen. Dafür braucht es literarisches sowie historisches Wissen und die Portion an Kühnheit, die letztlich jene auszeichnet, die gewinnen.

Das 7-köpfige Ensemble darf in der rasanten, atemberaubenden Inszenierung nicht nur zeigen, was es schauspielerisch draufhat, sondern auch, wie es um seine Kondition bestellt ist. Selina Nowak aka. Zelina Power, bildende Künstlerin und Wrestlerin, stand der Regisseurin Anna Marboe tatkräftig zur Seite, um die sportlichen Herausforderungen im Ring zu meistern, welchen der Kardashian-Clan ausgesetzt ist. (Ausstattung Mirjam Stängl)

KEEPING UP WITH THE PENTHESILEAS (Foto: Bettina Frenzel)

KEEPING UP WITH THE PENTHESILEAS (Foto: Bettina Frenzel)

Martin Hammer agiert als einpeitschender Wrestling-Host, der sich alsbald aufgrund der geballten Womanpower selbst auf höchst gefährlichem Terrain wiederfindet. Zu tun hat er es mit Pilar Borower, Nina Fog, Hannah Joe Huberty, Isabella Knöll und Christoph Radakovits. Sie performen in verschiedenen Rollen – einmal als Kardashians, dann wieder als feministischer Chor, der außerhalb des Ringes Kim, dargestellt von Edwarda Gurrolla, mit peinlichen Fragen zu Leibe zu rücken versucht. Denn eines ist klar, so wie es einst war, dass dem Matriarchat das Patriarchat folgte, so spielt es sich in unserer Zeit nicht ab.

Vielmehr erfährt man, wie sehr sich Mutter und Kardashian-Töchter ein männliches Wirtschaftssystem angeeignet haben, dass sich so manche gestandene Feministin mit Schrecken abwendet. Oder aber auch vor Neid erblasst.
„Von nix kommt nix“, sagt man in Österreich, wenn man darauf verweisen möchte, dass ein erreichter Erfolg nicht über Nacht auftritt, sondern dahinter meist harte Arbeit steckt. Dass dies auch bei den Kardashians so war, wird aus vielen verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet.

Es ist die extrem körperbezogene Theaterarbeit, welche diese Inszenierung besonders macht und von anderen abhebt. Unterbrochen wird sie – auch zum Luftholen des Ensembles und des Publikums – von feinen musikalischen Nummern. Ein Solo von Gurrolla, in welchem sie den Hit „Aye Mamá“ von Rigoberta Bandini singt, oder aber auch ein chorischer Einsprengsel, feinstens intoniert und arrangiert, beruhigen die Nerven aller Beteiligten, die teilweise blank liegen. Sie täuschen aber nicht darüber hinweg, dass es innerhalb der Familie nur um eines geht: Wer verdient wie viel, womit und wodurch – egal auf wessen Kosten.

Da stellt sich zwangsläufig die Frage: „Who did the work?“, wie es folgerichtig der Suffragetten-Chor tut, der darauf aufmerksam macht, dass ohne die mühsame und über ein Jahrhundert lange kämpferische Arbeit der Frauen ein Leben wie das der Kardashians nicht möglich wäre. Aber müssen sie deswegen dankbar sein? Oder machen sie das einzig Richtige – sich dessen zu bedienen, was die männlich dominierte Wirtschaftsgesellschaft schon seit Jahrtausenden tut?

Die Liebes-Entbehrungen, die schweißtreibenden Work-outs, die täglich zu absolvieren sind, der unbeugsame Wunsch, die Millionen, die man auf dem Konto hat, nicht Männern zu verdanken, sondern dem eigenen Tun, ist dies tatsächlich verwerflich?

Der Text, staccato vorgetragen, bietet Stoff für mehr als eine einzige Inszenierung. Themen wie „Frauen in der Werbung“, „Wie bewältige ich einen Shitstorm?“, Selbstermächtigung auf Kosten anderer, männlich dominierte Geschichtsschreibung – all das und noch mehr, kommt ebenfalls zur Sprache. Dass einem dabei nicht ein reflexiver Overload heimsucht, ist der klugen Regiearbeit zu verdanken, die mit einer großen Portion Witz in der Figurenführung arbeitet. Marboe weiß, dass auch die bittersten Pillen mit Humor gut schmecken können.

„Keeping up with the Penthesileas“ – eine Anspielung auf das Kardashian TV-Format, mit welchem sie globale Berühmtheit erlangten, ist ein Ritt zwischen gestern und heute, eine Abrechnung mit unrechtmäßiger Aneignung genauso wie mit Vertuschung und Täuschung. Es ist eine Theaterproduktion, die fetzt, unterhält und zugleich zum Nach-Denken, zum Nach-Lesen oder Nach-Schauen anregt. Mission completed.

Pin It on Pinterest