Im vergangenen Jahr starben insgesamt 128 Journalisten weltweit bei der Ausübung ihrer Tätigkeit. Mitte Dezember wurde diese Zahl von der Press Emblem Campaign (PEC) in Genf veröffentlicht. Israel, Palästina, Syrien, Pakistan, Irak, Ukraine und Mexiko waren jene Länder, die unter den Schreibenden einen besonders hohen Blutzoll forderten. Heute, am 7. Jänner 2015, beginnt dieses schreckliche Zählen aufs Neue. Aber nicht in einem kriegsführenden Land, sondern im Herzen Europas, mitten in Paris. In der Redaktion von Charlie Hebdo, einem kritischen Satiremagazin, wurden gezielt nicht nur der Herausgeber Stéphane Charbonnier, sondern auch drei seiner bekanntesten Zeichner, sowie vier weitere Journalisten, ein Gast und ein Empfangsmitarbeiter gezielt getötet. Zusätzlich verloren zwei Polizisten bei diesem feigen und brutalen Anschlag ihr Leben. Einer hinterlässt eine Tochter mit knapp einem Jahr. Noch gibt es keine Bekenner zu dem Attentat, aber Augenzeugen berichten von Täteraussagen, die darauf schließen lassen, dass es sich um radikale Islamisten handelte, die dieses Abschlachten kaltblütig durchführten.
Einer der getöteten Karikaturisten, Jean Cabut, der in wenigen Tagen seinen 77. Geburtstag gefeiert hätte, war Mitbegründer des Magazins. In einem Interview, das er 2011 nach einem Brandanschlag auf die Redaktionsräume gab, meinte er, dass es sich beim radikalen Islam um eine Ideologie handle. Eine Ideologie wie jede andere, die er im Laufe der Jahrzehnte mit seinen Karikaturen angeprangert hätte. Dabei blieben auch die katholische Kirche oder extreme jüdische Gesinnungen nicht ausgespart. „Il faut le faire“ – das muss man machen, war nicht nur sein Credo. Heute kamen dieselben Lippenbekenntnisse von allen politischen Seiten nicht nur aus Frankreich, sondern aus der ganzen Welt. Lippenbekenntnisse, die jedoch dann zu Floskeln verkommen, wenn es darum geht, diesem Wahnsinn tatsächlich auch mit politischen und persönlichen Mitteln Einhalt zu gebieten. „Pegida“ in Deutschland ist das gänzlich falsche Signal dafür, denn es zielt darauf ab, alle Menschen, die den Islam als ihren Glauben ansehen, zu verdammen und zu verteufeln. In Wirklichkeit sind es einige wenige Radikale, die mit Terroraktionen wie dieser versuchen, einen Pflock zwischen die unterschiedlichen religiösen und nicht-religiösen Gesinnungen der Menschen in Europa zu rammen. Es sind machthungrige Geier, die in verschiedenen Ländern ein politisches Vakuum ausnützen, um unter dem religiösen Deckmäntelchen des Islam Machtzuwachs zu erhalten. Das sollte hier in Europa hinterfragt und mit den jungen Menschen, egal welcher Nationalität und Religion, diskutiert werden. Es gilt nicht, den Islam per se zu hinterfragen, sondern genau hinzusehen, was gerade politisch in jenen Ländern passiert, in denen die radikalen Islamisten entweder schon an der Macht sind, oder an die Macht gelangen wollen.
„Versammeln wir uns“, „treten wir gemeinsam auf“ waren die mahnenden und aufrüttelnden Worte des französischen Präsidenten Hollande in seiner Ansprache zur Nation. Dieser Aufruf geht an uns alle. Nicht nur an die französischen Bürgerinnen und Bürger. Nicht nur an alle Journalistinnen und Journalisten. Zeigen wir jetzt mehr als je zuvor, dass wir, egal welcher Religion wir angehören oder auch nicht, egal welche Hautfarbe wir haben oder aus welchem Land wir stammen, zeigen wir, dass wir uns nicht einschüchtern lassen von verblendeten Fundamentalisten. Fördern wir, wo immer wir können, das Verständnis füreinander. Seien wir, wo wir es persönlich für notwendig empfinden, auch tolerant. Toleranz beginnt dort, wo wir unsere eigene comfort zone verlassen müssen zugunsten einer Akzeptanz einer fremden Anschauung. Das darf manches Mal sogar ein wenig in der Seele weh tun, aber nur in der eigenen, niemals in der unseres Gegenübers. Toleranz endet aber dort, wo den Mitmenschen Leid angetan wird. Wie am heutigen Tag in Paris. Mein tiefstes Mitempfinden gilt allen Freunden und Angehörigen der Opfer. Meine große Hoffnung speist sich aus der unglaublichen weltweiten Trauer und Empörung. Versuchen wir, gemeinsam eine Welt zu bauen, in der Religion und Rasse keinerlei Relevanz mehr für Unterdrückung, Terror und Leid darstellen. Je suis Charlie.