Je schwieriger, umso lieber

Die bulgarische Pianistin Irina Georgieva gab im Gläserenen Saal des Musikvereines ihr Wien-Debüt

Am 8. März gab die Pianistin Irina Georgieva im Gläsernen Saal des Musikvereines ihr Wien-Debüt. In Sofia geboren, reüssierte sie schon als Kind bei verschiedenen nationalen Wettbewerben, spielte mit 11 als Solistin Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 und studierte bei Marina Kapazinskaya am Sofioter Konservatorium. Ein Stipendium brachte sie nach Basel, wo sie sieben Jahre lang Meisterschülerin von Rudolf Buchbinder war.

Ihren Schwerpunkt beim Konzert in Wien setzte sie auf die romantischen Werke von Robert Schumann. Die „Kinderszenen“ und die „Kreisleriana“ umrahmten den impressionistischen „Gaspard de la nuit“ von Maurice Ravel. Eine interessante Abfolge, stellt doch Ravels Stück nach seinen eigenen Worten eine „Karikatur auf die Romantik“ dar. Wien ist ein besonderes Pflaster, was das Konzertpublikum betrifft und im Musikverein aufzutreten bedeutet beim ersten Mal eine enorme psychische Belastung.

Die „Kinderszenen“, die von ihr als Einstieg gewählt wurden, sind, obwohl technisch nicht wirklich anspruchsvoll, dennoch im Konzert ein kleiner Balanceakt. Ihr Bekanntheitsgrad ist so hoch, dass jede einzelne Note perfekt sitzen muss. Die Anspannung war der Pianistin zu Beginn ins Gesicht geschrieben und obwohl sich ihre Interpretation durchgehend an alle Tempo- und Lautstärkenangaben perfekt hielt, konnte man doch deutlich merken, dass es ihr erst im Laufe des Spiels gelang, das Publikum komplett auszublenden und die Hingabe zum Instrument in vollem Umfang zu erlangen. Bewundernswert dennoch, wie Georgieva Handyklingeltöne ohne mit der Wimper zu zucken überhörte und sich davon in keiner Weise aus ihrem Spiel bringen ließ. Spätestens ab „Wichtige Begebenheit“ stellte sich bei ihr jener flow ein, der unabdingbar ist, um ganz in einem Werk aufgehen zu können. Mit dem extrem langgezogenen Ritardando der allerletzten Zeile von „Der Dichter spricht“ setzte sie noch eine persönliche Interpretationsmarke.

In Ravels „Gaspard de la nuit“ ließ sie das Glucksen und Perlen des Wasserpiels Undines im ersten Satz klar und deutlich im Anschlag erklingen, ohne je in eine übertriebene Dramatik zu verfallen. Interessant auch ihr Zugang im „Le Gibet“, den man mehr poetisch und beobachtend als spannend-dramatisch kennzeichnen möchte. Gerade technisch anspruchsvolle Passagen, wie jene im dritten Satz, sind es, die Georgievas wahres Können aufzeigen. Je größer sich der Schwierigkeitsgrad gestaltet, umso gehaltvoller wird ihr Spiel. Es ist die virtuose Herausforderung, die ihr besonders liegt.

Mit vollem Körpereinsatz gelang ihr dies auch in der abschließenden Kreisleriana, in der sie gleich zu Beginn ein enormes Tempo vorlegte. Der Aufbau des Stückes mit seinen so kontrastierenden Sätzen liegt ihr offenbar besonders. Nicht nur, dass ihr Spiel hier an Perfektion nicht zu übertreffen ist, es gelang ihr auch eine überaus spannende Zwiesprache zwischen rechter und linker Hand im 5. Satz, die lebendiger nicht ausformuliert werden hätte können. Man gewann den Eindruck, als ob man dabei einem höchst angeregten Gespräch von zwei Menschen beiwohnte. Hier gesellte sich zur technischen Perfektion eine starke erzählerische Komponente, ganz abseits von allen formalen Feinheiten, die den Satz sonst prägen.

Irina Georgievas technische Perfektion ist so ausgeprägt, dass sie sich abseits jeder Konvention darauf von Beginn an eines Konzertprogrammes einlassen könnte. Warmspielen im Sinne von leichteren Fingerübungen braucht sie nicht, denn die Lockerheit stellt sich bei ihr innerhalb weniger Sekunden automatisch bei herausfordernden Passagen ein. Das Publikum reagierte freundlich bis enthusiastisch und entlockte ihr noch eine Zugabe.

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