Ein Theaterstück wird erst durch die Inszenierung fertig geschrieben.
07. November 2017
Interview mit dem Autor Mario Wurmitzer, dessen Stück „Werbung, Liebe, Zuckerwatte“ im Sommer am Thalhof vom Salon5 uraufgeführt wurde. Eine Neuauflage kommt im November in Wien auf die Bühne.
Michaela Preiner
Foto: ()

Ein Theaterstück wird erst durch die Inszenierung fertig geschrieben

Von Michaela Preiner

Mario Wurmitzer (Foto: Christian Mair)
07.
November 2017
Interview mit dem Autor Mario Wurmitzer, dessen Stück „Werbung, Liebe, Zuckerwatte“ im Sommer am Thalhof vom Salon5 uraufgeführt wurde. Eine Neuauflage kommt im November in Wien auf die Bühne.

Wie sind Sie denn eigentlich zum Schreiben gekommen, Herr Wurmitzer? Hat Sie das immer schon interessiert?

Das hat so mit 15 Jahren begonnen, dass ich mich für die Literatur angefangen habe, zu interessieren. Ich habe zuerst einmal so klassische Einstiegsautoren wie Hermann Hesse, Bert Brecht gelesen. Und dann habe ich irgendwann auch selbst angefangen zu schreiben. Zunächst einmal ohne daran zu denken, dass ich das irgendwann veröffentlichen will. Aber ich habe halt immer am gleichen Text weitergeschrieben. Aber irgendwann war es halt so viel, dass ich dann doch draufgekommen bin, es hat jetzt eigentlich schon – na ja, die Länge von etwas, das in Buchform erscheinen könnte. Das habe ich dann zu verschiedenen Kleinverlagen geschickt und da ist ja dann mein Jugendbuch im Jahr 2010 veröffentlicht worden.

Mittlerweile haben Sie schon einige Preise erhalten. Ist das so, dass Sie relativ rasch gewusst haben, wo Sie sich im Literaturbetrieb einklinken müssen?

Ich bin, glaube ich, gar nicht so eingeklinkt, wie man vielleicht denkt. Ich habe halt zunächst mal die Texte verschicken angefangen. Das muss man schon machen. Ich glaube, man darf nicht darauf warten, dass man entdeckt wird und zu Hause einfach vor sich hinschreiben, sondern man muss die Texte schon irgendwie zumindest mal verschicken, irgendwo einreichen. Ich habe aber im Literatur- oder Theaterbetrieb keine Bekanntschaften gehabt, sondern halt meine Texte bei verschiedenen Ausschreibungen eingereicht und da hat man dann manchmal Glück, manchmal nicht. Dann hat halt auch sicher geholfen, dass ich relativ bald einen Theaterverlag gefunden habe, den Thomas Sessler Verlag. Da habe ich aber nur eine Mail hingeschickt. Das ist nicht über Kontakte gelaufen. Durch den Verlag, der ja auch wieder Kontakte hat, bin ich ein bisschen integrierter. Aber es ist nach wie vor nicht so, dass ich extrem viele Bekannte im Literaturbereich hätte. Die habe ich nicht. Ich schreibe so vor mich hin.

Ferdinand Schmalz sagte einmal bei einem Interview, man würde sich, von außen betrachtet, den Schriftstellers als einsamen Wolf vorstellen, was aber gar nicht der Fall sei. Wie ist das bei Ihnen

Also ich glaube, das stimmt schon. Beim Theater ist es wirklich gar nicht einsam. Weil man da auch eben in die Produktion eingebunden ist. Man spricht mit den Regisseuren, mit den Dramaturgen, ist ein wenig in das Team eingebunden. Natürlich hat man als Autor eine Sonderstellung. Man ist jetzt nicht jedes Mal bei den Proben dabei. Das wäre auch nicht wirklich zielführend. Aber da gibt es schon auf jeden Fall viel Austausch. Ich denke mir, wenn man einen Roman schreibt, ist es vielleicht nochmal ein bisschen zurückgezogener. Da gibt es dann zunächst mal nicht so viel Feedback und keine arbeitende Gruppe um einen herum. Ein Theaterstück entsteht ja auch immer gemeinsam. Es ist ein gemeinsames Produkt. Bei einem Roman sitzt man, glaube ich, zunächst schon mal wirklich lange auch allein.

Sie arbeiten jetzt an einem. Oder?

Ja genau. Er soll im Frühjahr erscheinen.

Wie ist der Titel?

„Im Inneren des Klaviers“, heißt er.

Was ist das Hauptthema?

Es geht um eine junge Frau, die versucht, ein repressives Königreich zu verlassen. Sie schlägt sich durch die Wälder, trifft dann irgendwann auch auf einen jungen Mann und die beiden lassen sich zögerlich aufeinander ein. Es gibt einerseits diese Thematik der Beziehungsgeschichte zwischen den beiden Figuren. Andererseits geht es um so etwas wie Widerstand gegen dieses System, in dem sie sich befinden. Das spielt natürlich wieder mit märchenhaften und surrealen Elementen, wie auch in meinen Theaterstücken.

Warum ist das Märchenhafte und Surreale für Sie so ein wichtiger Baustein? Ist es ein Vehikel, mit dem Sie Dinge transportieren können, ohne diese zu konkretisieren?

Ich habe das Gefühl, wenn ich Sachen verzerrt darstelle, überhöht, irgendwie verfremdet, dann kann man manches klarer sehen. Das, was ich im direkten Blick vielleicht nicht sehe. Damit meine ich, dass man unterschiedliche Perspektiven einnimmt und die Realität damit ein bisschen verzerrt. Das ist, finde ich, auch das Potential der Kunst, dass wir nicht nur abbilden können was ist, sondern auch fragen können: Was wäre, wenn? Wie könnte es auch sein? Und, ja, mich hat natürlich auch eine gewisse surrealistische Literatur sehr beeinflusst. Der beinharte Naturalismus interessiert mich nicht so stark. Also es geht los beim Theater, wie bei Daniil Charms oder Alfred Kubin, oder bei der lateinamerikanischen Literatur des Surrealismus. Auch bei Kafka oder Brecht beispielsweise gibt es immer eine bestimmte Verfremdung. Darin liegt für mich das Potential der Kunst.

„Werbung, Liebe, Zuckerwatte“, ihr erstes Stück, das auf einer Bühne gespielt wurde, wurde von Anna Maria Krassnigg in Szene gesetzt. Dabei wurden sie auch mit eingebunden.

Ja genau. Ich denke, es ist immer ganz schön, wenn man noch lebt, dass nicht so getan wird, als wäre man tot. Dass also dieses Angebot, mit dem Autor zu reden, auch angenommen wird. Das ist sicher sinnvoll. Weil man setzt sich als Autor ja eh nicht hin und gibt irgendwie das Regiekonzept vor. Aber man steht halt zur Verfügung für Gespräche. Und das hat gut funktioniert
WLZ 1928 c Christian Mair
Mario Wurmitzer (Foto: Christian Mair)

Das ging ja sogar so weit, dass Sie auch im Film eine Rolle gespielt haben.

Genau, ja. Also eigentlich ich sitze ja nur da.

Wie kam es zu dieser Rolle? Die war im Stück ja nicht angelegt.

Stimmt, die war nicht im Stück. Aber ich wurde gefragt, ob ich das machen würde, so einen kleinen Cameoauftritt zu haben. Zunächst habe ich mir gedacht: Ja, viel darf das nicht sein. Ein schauspielerisches Talent habe ich ja wirklich gar nicht. Ich bewundere Schauspieler sehr, aber ich kann nicht schauspielern. Und dann habe ich mich irgendwie drauf eingelassen, weil es ja nicht viel ist. Und dann war es für mich natürlich schon eine spannende Erfahrung, das mal live mitzuerleben: Wie entsteht das überhaupt? Und wie arbeiten die Schauspieler da? Aber im Grunde sitze ich nur da, dann trinke ich mal was. Das ist jetzt nicht die größte Schauspielerei, was ich da mache

Wie gehen Sie denn mit Kritiken um?

Ich habe noch nicht so eine ausgeprägte Einstellung dazu, weil ich noch nicht mit so viel Kritiken konfrontiert war. Ich habe die Kritiken zu „Werbung, Liebe, Zuckerwatte“ natürlich gelesen und ich würde lügen, wenn ich sage, sie wären mir jetzt völlig egal. Natürlich freue ich mich, wenn dann da positives Feedback kommt. Und, dass die jetzt relativ gut alle waren – ja, natürlich finde ich das positiv. Ich wusste ja nicht, ob das ankommt. Das Stück ist doch irgendwie schräg. Mir war nicht klar, wie die Leute reagieren werden. Völlige Gleichgültigkeit gibt es sicher nicht. Manche Autoren spielen so, als wäre es ihnen komplett wurscht. Ich glaube es aber dann auch einer Autorin wie der Terézia Mora, die ja den deutschen Buchpreis und mehr gewonnen hat, die sagt, dass sie keine Kritiken liest. Der glaube ich es dann. Vielleicht hat sie es früher schon gemacht, aber irgendwann, glaube ich, kann man dann vielleicht doch so eine gewisse Abgebrühtheit entwickeln. Aber gerade am Anfang fände ich das sehr schwierig. Vor allem sind die Kritiken gerade am Anfang auch wichtig.

Im Sinne eines Feedbacks?

Ja. Weil man auch sieht: Wie wird das Stück wahrgenommen? Oder: Welche Themen werden da überhaupt jetzt drinnen gesehen? Ich gehe ja nicht unbedingt vom Thema aus, sondern von den Figuren, die ich in Situationen bringe, in denen sie was Spezielles erleben. Und ich denke auch nicht so oft nach, über welche Themen ich geschrieben habe. Das passiert dann immer in einem zweiten Blick darauf.

„Werbung, Liebe, Zuckerwatte“ ist ja ein sehr politisches Stück.

Ja.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, war das aber von Ihnen gar nicht so intendiert?

Ja. Also ich habe mir nicht vorgenommen, ein politisches Stück zu schreiben. Man schreibt halt, glaube ich, über das, was einem am Herzen liegt, oder über etwas, an dem man sich irgendwie abarbeiten kann. Und das sind dann mitunter politische Themen. Und in dem Fall sind doch einige politische Themen zusammengekommen. Ich habe mir zum Beispiel auch nie vorgenommen: Ich will eine Komödie schreiben. Es gibt halt so manche Skurrilitäten, die dann einfach nur oft als Komödiantik bewertet werden können. Aber auch das habe ich mir alles nicht im Vorhinein vorgenommen.

Heißt das, dass sie beim Schreiben nicht von einer Idee ausgehen, sondern das Geschehen nur anhand der Figuren wachsen lassen?

Nein, ich habe schon so eine Grundidee. Die hängt natürlich in gewisser Weise mit den Figuren und was die erleben werde zusammen. Einen gewissen Handlungsablauf habe ich im Kopf.
Ich sage nicht: Ich schreibe jetzt ein Stück über Terror, über Unsicherheit, und über Liebe. Und kenne halt den Charakter der Figuren und daraus entwickelt sich dann einfach schön langsam der Text. Und ich glaube, dass das schon relativ intuitiv abgeht.

In Österreich gibt es im Moment viele junge Schriftsteller, die im dramatischen Fach arbeiten. Haben Sie eine Idee, womit das zusammenhängen könnte?

Ich kann da natürlich nur für mich sprechen. Ich schreibe sehr gerne Dialoge. Und wenn man irgendwie das Gefühl hat: Ich kann eine Geschichte erzählen, vor allem, über den Dialog, dann ist man schnell beim Theater. Weil dann schreibt man einfach die Dialoge und braucht sonst keine weiteren Paratexte. Das ist für mich der große Reiz, dass ich irgendwie das Gefühl habe, im Dialog kann man so viel zeigen, soviel unmittelbar darstellen, so verschiedene Perspektiven aufeinanderprallen lassen.

Ist vieles von dem, was Sie auch in den Dialogen schreiben, erhört oder ersehen?

Manches, ja. Das übersteigere ich dann aber wieder in irgendeine Richtung. Es ist nicht unbedingt so, dass ich jetzt im Kaffeehaus sitze und einen Dialog genauso höre. Aber vielleicht höre ich einen Teil und verändere das dann wieder in irgendeiner Richtung.

Und haben Sie, abgesehen von der Romanveröffentlichung im Frühling, schon was Neues in Angriff?

Ja, ich schreibe an einem Theaterstück, wieder, bin aber noch relativ am Anfang. Ich kann vielleicht ganz kurz die Grundkonstellation sagen. Also es geht um eine junge Frau, die in ihr Heimatdorf zurückkehrt, zu ihrem Vater, der einen Schlaganfall hatte. Und die haben sich seit Längerem nicht gesehen. Es sind sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Es ist weniger traurig und weniger realistisch, als es sich jetzt vielleicht anhört. Aber es passiert ganz viel. Ich will nur jetzt noch gar nicht ausdefinieren was, weil ich mir selbst über vieles auch noch nicht so im Klaren bin. Das Schreiben fürs Theater macht mir momentan eine große Freude.

Gibt es etwas, das Sie sich wünschen würden? Wo Sie sagen:“ Mensch, das wäre cool. Das würde ich gerne machen.“ Oder: „Das hätte ich gerne.“

Ja. Also ich hoffe immer, dass man sich einfach so die Freiheit bewahrt, das zu machen, was man will. Und dann so ein gewisses Maß an Resonanz damit erreicht. Also beim Theaterstück ist es schon wichtig, dass es gespielt wird. Ein Theaterstück wird in gewisser Weise auch erst durch die Inszenierung fertig geschrieben, finde ich. Und da freue ich mich natürlich, wenn das so weitergeht und dass man sich nicht irgendwie verbiegt, oder auch nicht verbiegen muss. Es kann ja auch eine gewisse Freiheit sein, dass man so einen Sicherheitsanker hat. Dass ich sage:“ Ich unterrichte lieber ein paar Stunden und dafür muss ich mich nicht nach sämtlichen Marktanforderungen richten, die es so gibt.“

Wurde das schon jemals an Sie herangetragen? „Mach einmal das, oder das!“

Natürlich gibt es das. Also gerade in der Prosa gibt es so Vorgaben wie: Es darf halt nicht zu düster sein, nicht zu traurig. Das kauft dann keiner. Oder teilweise ja wirklich auch banale Dinge wie: Die Hauptfigur sollte halt schon sympathisch sein. Natürlich gibt es sowas alles. Aber man kann es leichter ignorieren, wenn man weiß: Ich kann die Miete auch ohne diesen Erfolg zahlen.
Sie machen uns eine Freude, wenn Sie den Artikel mit Ihren Bekannten, Freundinnen und Freunden teilen.

Pin It on Pinterest