Graz, die Stadt der Murinsel, des Uhrturms und des charmanten Improvisationstheaters, wurde im November zum Epizentrum des Impro-Cups 2024. Ein Festival, bei dem Schauspieler*innen aus ganz Europa in einem gewagten Experiment aufeinandertrafen – Blind Dates auf der Bühne. Fünf Abende, fünf Duos, die sich vorher nicht kannten, aber gemeinsam Neuland betraten. Das Versprechen: Unterhaltung, die berührt, begeistert und garantiert nicht langweilt. Das Ergebnis? Ein Festival, das seinesgleichen sucht und bewies, dass improvisiertes Theater mehr ist als ein paar schnelle Witze.
Im Zentrum standen die sogenannten „Dynamic Duo Shows“, bei denen Künstlerinnen und Künstler des Theaters im Bahnhof (TiB) auf internationale Gäste trafen. Das TiB wurde durch Pia Hierzegger, Lorenz Kabas, Jacob Banigan und Beatrix Brunschko vertreten, während Anja Balzer und Oliver Rank aus Deutschland, Billy Kissa aus Griechenland, Sara Šoukal aus Slowenien und Chris Mead aus Großbritannien teilnahmen. Jede und jeder von ihnen brachte nicht nur den individuellen Stil, sondern auch ihre eigenen kulturellen Einflüsse ein, die diesen Abenden eine einzigartige Note verliehen.
Aus den fünf abwechslungsreichen Abenden haben wir zwei ausgewählt, um aus ihnen hier spannende Eindrücke und Erlebnisse zu teilen.
Montag Spezial: EUROMIX – Wenn Kerzen flirten und Götter Weihnachten feiern
Der zweite Cup-Abend im Orpheum begann mit einer humorvollen Aufwärmphase. Dabei wurde das Publikum mit einem „Schulter-an-Schulter“-Wettbewerb herausgefordert – wer zuerst eine menschliche Kette bildet, gewinnt. Hier zeigte sich, dass das Grazer Publikum nicht nur gerne lacht, sondern auch hochkompetitiv ist. Die Moderation legte charmant-chaotisch nach, indem der Abend in „Englisch, schlechtem Englisch, Deutsch und schlechtem Deutsch“ ankündigt wurde – schlichtweg einem multilingualen Chaos, das hervorragend funktionierte.
Die Szenen des Abends boten ein Feuerwerk an absurden Einfällen. So konnten sich zwei menschliche Kerzen partout nicht aneinander lehnen– eine grotesk-lustige Metapher für eine unmögliche Liebe. Im nächsten Moment durfte man in einem belebten Café drei Paare belauschen , deren Dialoge kunstvoll miteinander verwoben wurden. „Horoskope funktionieren nicht!“, platzte es dabei aus einem Mann heraus, worauf seine Begleiterin fassungslos antwortete: „Du hast mein Leben ruiniert.“
Ein weiteres Highlight war die Szene „Happy Funeral“, bei der eine Pina-Colada-Beerdigung gleichzeitig melancholisch und urkomisch wirkte. Eine Improvisation brachte sogar zwei Berge zum Reden, die in einem Gespräch über die Notwendigkeit vulkanischer Entgasung philosophierten. Der Vulkan müsse „pupsen“, weil Zurückhaltung ihm schaden würde – ein Moment, der in puncto Absurdität und Lachmuskelstimulation kaum zu überbieten war.
Musikalisch ging es mit einem improvisierten Song weiter, bei dem Felix Klengel am Keyboard gefordert war. Und dann waren da noch die Götter des Olymp, die beschlossen, Weihnachten zu feiern. Zeus, gewohnt unkonventionell, gestand, eine Affäre mit der Mutter von Jesus gehabt zu haben – weil, na ja, Versuchung ist eben Versuchung und er schließlich Zeus.
Der Abend endete mit einer epischen Tennisszene auf einem Friedhof, bei welcher der Ball abdriftete und von Ameisen in ihren Bau verbracht wurde. Wenig später wanderte er in einen Abwasserkanal, um schließlich mit einem Liebespaar seinen Weg zurück auf den Friedhof zu finden. Damit schloss sich der Kreis einer surrealen Geschichte, in der sich die Grenzen zwischen Komödie, Romantik und Impro-Kunst auflösten.
Mittwoch: Drei Blind Dates – Von Katzen, Dystopien und poetischen Reisen
Am Mittwoch änderte sich der Ton des Festivals, ohne an Spannung oder Kreativität zu verlieren. Statt interaktiver Szenen stand an diesem Abend die kreative Stückentwicklung und schauspielerische Kunst im Vordergrund. Drei Duos, die vorher nicht miteinander gearbeitet hatten, präsentierten vorbereitete Stücke, die dennoch Platz für zusätzliche, kleine Impro-Einlagen boten.
Lorenz Kabas und Sara Šoukal loteten in „194 km between us“ die kulturelle und emotionale Distanz zwischen Graz und Ljubljana aus. Sie erzählten von Geburtstagsfeiern, ersten Alkoholerfahrungen und einsamen Parties. Höhepunkt dieser Performance war die Interpretation eines französischen Gedichtes von Lorenz, zu dem Sara einen improvisierten Tanz aufführte. Die Poesie dieses Moments kam auch ohne Humor aus, dafür aber versehen mit jeder Menge Gefüh – eine neue Erfahrung im Impro-Theaterbereich.
Beatrix Brunschko und Billy Kissa widmeten sich in „Cat Ladies“ ihrer Liebe zu Katzen und nahmen mit ihrer Show das Publikum in ihre eigene Welt mit. Sie kreierten eine humorvolle und zugleich berührende Reise, die das Gefühl der Einsamkeit und die unerwartete Entdeckung von Freundschaft thematisierte. Mit viel Charme und Spielfreude schufen sie eine intime Atmosphäre, in der sich lustige Szenen mit leisen, nachdenklichen Momenten abwechselten. Ihre Darstellung war voller Witz, aber auch nachvollziehbarer Verletzlichkeit und bot eine herzerwärmende Theater-Erfahrung. Dass ihre Show das Publikum mit dem letzten Satz zu hinreißendem Lachen animierte, setzte ihrer Leistung noch das berühmte Tüpfelchen auf dem i auf.
Den Abschluss des Abends bildeten Jacob Banigan und Chris Mead mit „Future Foundation“, einer dystopischen Science-Fiction-Performance. In einer Gesellschaft, in der Individualität unterdrückt wird, verliebt sich Chris’ Figur in eine rothaarige Rebellin – ein brillanter, tragikkomischer Kommentar auf Mittelmäßigkeit und die Suche nach Freiheit. Besonders beeindruckend war die Vielseitigkeit der beiden Schauspieler, die mühelos zwischen verschiedenen Rollen wechselten und gleichzeitig jede Figur mit einer einzigartigen Persönlichkeit ausstatteten. Die Welt, die sie erschufen, war zugleich absurd und tiefgründig und bot eine Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit, die verdeutlichte, wie anspruchsvoll und reflektiert Improvisationstheater auch sein kann.
Thank you TIB for the Impro-Cup
Der Impro-Cup 2024 war ein Fest für all jene, die gerne ins Theater gehen und sich dort überraschen lassen, vor allem aber auch ein Triumph für die Kunst der Improvisation. Das TIB hat sich mit diesem Festival einmal mehr als Zentrum der Impro-Kunst in Österreich erwiesen.