Es geht nicht um Schuld, es geht um Verantwortung
Es geht nicht um Schuld, es geht um Verantwortung
Michaela Preiner
Franzobel schrieb das Stück für Tamara Stern, die im Off-Theater schon als Lola Blau brillierte und nach wie vor damit dort reüssiert. Sie selbst hatte dazu die Idee und zeichnet auch für den Dialog zwischen Theaterdirektor und ihr bzw. Zarah Leander verantwortlich. Für die Regie holte sie sich gemeinsam mit Ernst Kurt Weigel vom Autor – wie im Programmheft zu lesen ist – das Placet für die Bearbeitung ein. So darf sich Weigel auf höchst amüsante Weise über die große Besetzung oder die vielen, theateruntauglichen Spielorte wie Stockholm und Berlin echauffieren, um mit der Inszenierung dann doch die Kurve ins Off-Theater zu kratzen.
Gekleidet in einen schwarzen Abend-Jumpsuit und Pelzjacke, mit und ohne Rothaarperücke, schafft Stern den Seiltanz zwischen all den unterschiedlichen Charakteren und intoniert selbstverständlich live auch die großen Leander-Hits. Ihr warmes Timbre sowie ihr ohrenschmeichelndes rollendes Rrrrr tun ein Übriges, um nach jedem Lied vom Publikum Zwischenapplaus zu bekommen. Begleitet wurde sie am besuchten Abend von Bernhard Krisper am Klavier und Matthias Krispin Bucher am Kontrabass.
Der Zarah-Abend bietet, wie schon angedeutet, jedoch viel mehr als einen Rückblick auf das Leben der Diva, die auch als „Reichsgemüts-Sirene“ eine unerfreuliche Berühmtheit erlangte. An ihm werden all jene rechten Ausreden ausgebreitet, welche nach dem Krieg und bis heute all jene als Unschuldslämmer aussehen ließ, die sich nicht gegen das Vernichtungsregime gewehrt hatten und sich danach von ihm auch nicht distanzierten. „Schuld ist das Eine, aber Verantwortung das Andere“. Als dieser Satz fällt, wendet sich die Einstellung des Herrn Theaterdirektors, der zu Beginn einen seichten Unterhaltungsabend im Sinn hatte. Für all jene im Publikum, die sich nach einem Parndorf-Ausflug im Marchfelder-Hof ein Lugner-Menü gönnten, und nun den Abend bei Zarah-Leander-Liedern ausklingen lassen möchten, schrumpft der Wohlfühl-Faktor erheblich ab diesem Moment.
Die türkise Hakenkreuzfahne auf rot-weiß-kariertem Stoff, der Hinweis auf die Nazi-Vergangenheit des Ikea-Begründers, die Sound-Untermalung einer Nöm-Werbung mit einem Leander-Thema kippen das Geschehen immer wieder in unsere Gegenwart und verleihen der Inszenierung jede Menge Aktualität. Gelungen dabei ist auch jene Weigel-Reflexion, in welcher er auf den Umstand hinwies, wie absurd denn die Premiere des Propagandafilmes „Die große Liebe“ abgelaufen ist. In der ersten Reihe hochdekorierte SS-ler, die enthusiastisch den Liedern des schwulen Texters Bruno Balz lauschten. Jenem Librettisten, der von der Gestapo in eine Falle gelockt worden war und schließlich unter Drohungen in einer Nacht Texte für den Film verfasste, die millionenfach gehört und gesungen wurden. „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“, ist einer davon.
„Ich Zarah“ (Fotos: Barbara Pálffy)
Die gelungene Mischung zwischen der kritischen Auseinandersetzung mit dem Stoff, den auch heute noch ins Ohr gehenden Liedern und einer kräftigen Portion Humor zeichnen diesen sehenswerten Abend aus.