Das Odeon war Ort einer Hommage an Ko Murobushi, der Anfang Juni verstarb. Eine Verbeugung an einen Großen des Butoh-Tanzes, aber auch an einen Menschen, der in Wien viele Freunde hatte.
Im Juni verstarb einer der ganz Großen des Butho. Ko Murobushi, der den zeitgenössischen japanischen Tanz auch außerhalb seiner Heimat bekannt machte. Nicht nur für das ImpulsTanz Festival bedeutet dies gerade in diesem Jahr eine enorme Lücke, waren doch Workshops und eine Soloshow mit ihm auf dem Programm angesetzt. Trauer hinterließ er auch in jenem Haus, dem er über viele Jahre sosehr verbunden war: Dem Odeon.
Die Festival-Verantwortlichen reagierten auf den Tod von Murobushi mit einer nächtlichen Hommage. Trotz des späten Termins um 23 Uhr war der Saal im Odeon bis auf den letzten Platz besetzt. Kein Geringerer als Ismael Ivo gestaltete den ersten Tanzbeitrag, der Murobushis Choreografie zur Grundlage hatte. Eine Reverenz, die man als Verbeugung gegenüber jenem Schaffen ansehen kann, das Spuren in vielen Menschen hinterlassen hat, die mit Ko Murobushi zusammenarbeiteten. Ivo, dessen Körperlichkeit nicht mit jener von Murobushi zu vergleichen ist, gelang es, Murosbushis Spirit, das Wesen seines Tanzes intensiv einzufangen und wiederzugeben. Gemeinsam mit dem Cellisten Dimos Goudaroulis beschwor er gleich zu Beginn jenen Daimon, ohne dessen Hilfe kein beseeltes, kreatives Schaffen zustande kommt. Erwin Piplits sprach über dieses Phänomen, seine persönliche Beziehung und die über viele Jahre andauernde Arbeit im Odeon mit Ko Murobushi sichtbar bewegt.
Koffi Kôkô gestaltete den zweiten tänzerischen Auftritt in dem für Murobushi bekannten Outfit eines Anzuges mit Hut und Zigarette in der Hand. Dabei tauchte der charismatische Tänzer derart in die Rolle, dass für Augenblicke sogar Murobushis Gesichtszüge über sein Antlitz huschten. Eine stärkere Identifikation mit einem anderen Menschen ist wohl nicht mehr möglich. Clara Furey am Klavier und Akemi Takeya beendeten die Nacht mit dem Bob Dylan-Song „Make you feel my love“. Eine wunderbare Interpretation der beiden jungen Musikerinnen, die Murobushi, vor dessen Portrait sich die beiden bei ihrem Abgang verneigten, sehr, sehr gefallen hätte.
Die beeindruckende Installation im Foyer im ersten Stock vor dem Theatersaal stammt von Laurent Ziegler, der Murobushi auch über viele Jahre lang fotografisch begleitete. Waghalsig und in höchstem Maße ästhetisch trotzen unregelmäßig geformte, helle Steine in einem kunstvollen Geflecht aus parallel an die Decke laufenden Fäden scheinbar der Schwerkraft.
Unter ihnen, verborgen unter weißen Stoffbahnen, erhalten sie ein Gegengewicht durch weitere, nun aber übereinander aufgestapelte Steine. Die gedankliche Verbindung zu Leben und Tod stellt sich unweigerlich ein; jene das Sein bedingenden Komponenten, die ohne einander nicht denkbar sind. Die Schönheit, die in dieser Arbeit liegt, trägt eine Versöhnung mit dem Unausweichlichen in sich. Mit diesen kleinen Naturmonumenten und ihrer höchst artifiziellen Befestigung im hohen Raum der ehemaligen Landwirtschaftsbörse vereint Ziegler östliche und westliche Ästhethik-Momente. Assoziativ kündet seine Tribut an Murobushi nicht nur von den beiden Welten, in denen der Tänzer und Choreograf zuhause war. Seine Installation legt auch ein Zeugnis ab von jener kreativen Kraft, die stärker ist als jedes Naturgesetz und in Menschen wie Murobushi ihren Ausdruck finden konnte.