So könnte es sein
02. Februar 2024
"HILDE so oder so, sie und ich“ ist feinstes Edutainment. Martina Zinner beschert ihrem Publikum einen Theaterabend mit Langzeitwirkung.
Michaela Preiner
Foto: (Johannes Gellner)

Die aktuelle Produktion „HILDE so oder so, sie und ich“ im TIB in Graz wartet sowohl mit Liedern von Hildegard Knef als auch einer Brustkrebs-Geschichte auf. „Die Knef“, wie sie in den deutschsprachigen Ländern genannt wurde, war selbst daran erkrankt und widmete diesem Kapitel ihres Lebens auch ein Buch, das Aufsehen erregte. „Das Urteil“ – so der Titel – brach mit dem Tabu, über die Erkrankung nicht zu sprechen.

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Foto: Johannes Gellner


In der Inszenierung unter der Regie von Ed. Hauswirth wechseln sich die Erzählung einer Frau, die über ihre Brustkrebserkrankung berichtet, mit Chansons der Knef ab. Martina Zinner versucht nicht, das unvergleichliche, dunkle Timbre der deutschen Sängerin zu imitieren. Auch werden die Songs elektronisch modern unterlegt (Thomas Pfeffer), sodass an ihnen nichts Angestaubtes mehr zu erkennen ist.

Ihre großen Hits wie „Von nun an ging’s bergab“, „So oder so ist das Leben“ oder „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ präsentiert Zinner ohne Pathos, dafür aber mit einer Zartheit, die sehr berührt. Beständig kippt der Eindruck, an einer Krankengeschichte teilzuhaben, um sich im nächsten Moment doch wieder darin zu finden. Erzählt Zinner von sich, von der Knef oder eine Geschichte, wie sie alljährlich tausende Frauen auf dieser Welt erleben? Es ist dieser Drahtseilakt zwischen Illusion und Realität, der über den ganzen Abend hin aufrechterhalten wird und diesen spannend macht. Aber auch viele Infos kommen ohne Besserwissergetue über die Rampe. Wenn Zinner über ihre Erfahrungen mit unterschiedlichen Ärztinnen und Ärzten berichtet, weckt dies sicher in der einen oder dem anderen unliebsame Erinnerungen an eigene Diagnosegespräche und Verständnis für die Protagonistin.


Ein Bühnenbild mit weißen Stores mit floralem Muster, wie er in den 70ern- und 80ern des vorigen Jahrhunderts modern war, ein kleines, mit weißem Plüsch überzogenes Podest, das ein skurriles Eigenleben führt, und ökonomische, aber wirksame Kostümwechsel, sowie eine kleine Hausbar, aus der sich Zinner, oder war es die Knef?, Cognac einschenkt, reichen völlig um zwischen unterschiedlichen Raum-Zeit-Gebilden mühelos zu switchen. (Ausstattung Heike Barnard)

„Ein rücksichtsloser Abend, so wie es mir gefällt“ sollte es für die Schauspielerin werden. Er wurde nicht rücksichtslos, sondern ganz im Gegenteil: empathisch, zart, witzig, mit einigen dunklen Einfärbungen, die das Thema mit sich bringt. Es wurde ein Abend, der unterhält, der nachdenklich macht, der aber auch herzlich zum Lachen anregt. Die Inszenierung mit der höchst authentischen Martina Zinner schafft es, ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie es „sein könnte“ an Brustkrebs zu erkranken, ohne in mitleidtriefendes Gehabe zu verfallen. Textbeiträge von Pia Hierzegger dürften hier maßgeblich daran beteiligt gewesen sein. Die Premiere wurde zu Recht intensiv akklamiert.

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