Graz ohne Wasser
22. Juni 2024
Im TIB zeigte die Regisseurin, Autorin und Musikerin Lena Teresa Rucker ihr Einpersonenstück „Ampere“. Angesiedelt ist es in Graz, das im Jahr 2042 von der Klimakatastrophe gebeutelt ist.
Aurelia Gruber
Foto: (Johannes Gellner)

Der junge Luis ist ein Aussteiger. Er hat sich in die Wälder rund um Graz zurückgezogen, denn was die Gesellschaft ihm bietet, erscheint ihm nicht mehr lebenswert. Nach dem Hörensagen haben sich Superreiche den Schlossberg gekauft, dort ein Privat-Resort mit eigenem, bewachten Grundwasserzugang gebaut. Die Mur ist ausgetrocknet, Wasser das kostbarste Gut. Internet gibt es aufgrund des Energiemangels nur mehr rationiert. Eine erträumte Reise nach Venedig könnte nur mehr zum Teil zu Fuß zurückgelegt werden und Gondelfahrten würden nicht mehr unter den Brücken stattfinden, sondern darüber.

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„Ampere“ im TIB (Foto: Johannes Gellner)


Aber das Leben im Wald gestaltet sich nicht so, wie Luis es sich ausgemalt hatte. Lebendes Frischfleisch gibt es nicht mehr, Larven sind das einzige wirklich proteinhaltige Lebensmittel. All das erfährt man von ihm, der sich rührend um sein Stromaggregat – Line – kümmert. Ganz so, als wäre sie seine Geliebte. Benzinbetrieben bietet sie ihm zumindest den Luxus von Licht.

Der aus Bagdad stammende Zaid Alsalame spielt den jungen Mann mit großem Charme, Witz und viel Einfühlungsvermögen. Streckenweise vermittelt er den Eindruck, die eine oder andere Aussage bezüglich Hunger und Durst selbst erlebt zu haben. Eingespielter Sound von einem Starkregen oder Geraschel im Unterholz beleben das Setting. Ein Baumstumpf mit einigen wenigen Ästen, ummantelt mit Aluminiumfolie, Regenschirme, die von Luis zum Wasserauffangen verwendet werden, ein Wasserkanister – mehr braucht es nicht, um das karge Leben des Aussteigers zu veranschaulichen. (Ausstattung Anna Sommer).

Trotz aller Widrigkeiten hat der junge Mann seinen Humor nicht verloren. Obwohl mit jedem Tag sein Überleben noch stärker auf der Kippe steht, versucht er das Beste daraus zu machen. Eine selbst gebastelte Wünschelrute schlägt nicht beim erhofften, nassen Gut an, vielmehr wird sein hektisches Graben mit dem Fund einer Ukulele belohnt. „Schaut aus wie Kunst!“, ist sein Kommentar dazu. Und obwohl oft als Überlebensmittel tituliert, hilft sie ihm nur kurzfristig, den harten Alltag in ein romantisches Setting umzuwandeln. Letztlich kann er aber nicht davon abbeißen. „Das Holz eignet sich gut als Brennmaterial und die Saiten für Hasenfallen“.
Mit diesem Satz entzaubert die Autorin die Vorstellung, dass Kultur immer über dem Alltäglichen stünde.


Das dystopische Zukunftsszenario beeindruckt nicht nur durch die Performance des Schauspielers. Es ist auch der knappe Text von Rucker, der mehr verbirgt, als preisgibt, dadurch aber gerade das Kopfkino in Gang setzt. Gerne hätte man davon noch mehr gehört, sitzt doch jeder einzelne Satz perfekt. Der Starkregen in den Tagen zuvor und die Hitze am Besuchstag des Stückes rücken die düstere Prognose nahe in die Gegenwart.

Man wünschte der Low-Budget-Produktion ein wenig mehr Finanzierung, dann könnten heute auch bereits im Off-Bereich etablierte Stilformen wie Visuals das Geschehen noch stärker optisch untermauern.

Logischerweise endet das Stück nicht mit einem Happy End, lässt aber durch einen Regiekniff offen, ob Luis und seine Line nicht doch noch eine Überlebenschance haben. Zumindest eine kurzfristige.

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