grau. Sie fährt genauso ins Herz wie in die Beine, aber sie verursacht auch nichtabreißen wollende Ströme von Bildern im Kopf. Bilder, welche entweder durch die verschiedenen Filme bekannt sind, die Bregovic vertont hat, Bilder aber auch, die sich ohne filmisches Vorbild aufdrängen. Bilder von kahlen Hochebenen Serbiens mit flötenspielenden Hirten, Bilder von ausgelassenen Feierlichkeiten mit Tänzern, die sich bis zum Umfallen verausgaben, Bilder von kleinen Trauerzügen, die sich vom Dorfkirchlein hin zum Friedhof bewegen oder Bilder von sich fraternisierenden und Mut zutrinkenden Soldaten. Der 1950 in Sarajevo Geborene, Sohn einer serbischen Mutter und eines kroatischen Vaters, bezeichnet sich selbst als Yugoslawen. Nach abenteuerlichen Erfolgen mit seiner eigenen Popband in den 70er und 80er Jahren, die ihn hauptsächlich auf die Bühnen des ehemaligen Ostblocks brachten und seinem endgültigen Ausstieg aus diesem harten Geschäft, zwang der Balkankrieg Bregovic zu einem Neubeginn. Sein ehemaliger Musikerkollege, Emir Kusturica, erteilte ihm den Auftrag zur Vertonung seines Filmes „Zeit der Zigeuner“, was Bregovic ab diesem Zeitpunkt eine neue, musikalische Ausdrucksmöglichkeit bot. Seither entstanden über 20 filmische Vertonungen für verschiedene Regisseure und zum Glück für seine Konzertbesucher versteht es der Künstler, Ausschnitte aus diesen Arbeiten gekonnt in seine Auftritte einzubauen. So webt er für sein Publikum farbenfrohe, blumige Teppiche aus Landschaften und Menschen des Balkans. Er zeigt sie in ihrer Klarheit und Einfachheit ebenso, wie in ihrer überbordenden Ausgelassenheit und nicht endenwollenden Melancholie. Aus einfachen Melodien entwickelt er komplexe Klanggebilde, die jedoch, auch ohne visuelle, filmische Begleitung alleine für sich stehen können und die Zuhörerinnen und Zuhörer in ihren Bann ziehen. E- und U-Musik sind bei Goran Bregovic nicht mehr voneinander zu trennen und reichen sich in seinen Stücken vielmehr gegenseitig die Stafetten. Sie bekunden das große Talent dieses Musikers, der sich nicht nur vom Popstar hin zum international anerkannten Komponisten und Interpreten seiner Werke enwickelt hat. Vor allem hat sich seine Arbeit, und das mag wohl das Besondere und Vorbildhafte daran sein, unter der Bewahrung seiner regionalen Wurzeln zu einer Musik verändert, die ein wesentlich breiteres, europäisches Fundament aufweist. Was einige ehemalige Staaten Yugoslawiens noch immer verzweifelt versuchen – nämlich ihre europäische Anerkennung – ist Bregovic mit seiner Musik bereits exemplarisch gelungen. Hörenswert!
Weblinks:
Homepage Goran Bregovic mit Konzertdaten
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