Gelenkte Ekstase
Von Aurelia Gruber
Das Brut, aufgrund von Umbauarbeiten in dieser Saison auf Wanderschaft, eröffnete seine Saison mit Simon Mayers Stück „Oh Magic“ in der Halle E des Museumsquartiers. Im Programmheft war zu lesen, dass der Tänzer, Musiker und Choreograf mit dieser Arbeit ein Gesamtkunstwerk schaffen wollte.
Ein weiterer Hinweis, dass er es einem Schamanen verdanke, nicht mit dem Tanzen aufgehört zu haben, eröffnete einen ganz speziellen Blick auf die Inszenierung. Aus dem Dunkel des Bühnenraums leuchtete zu Beginn nur das kleine Display des Klavieres, das elektronisch gesteuert, eine sanfte Melodie intonierte. Ein kleiner Roboter, mit einem drehbaren Scheinwerfer ausgestattet und ein auf Rollen montiertes, bewegliches, ferngesteuertes Mikrofon waren die beiden anderen Protagonisten der Eingangsszene. Erst nach und nach begann es zu menscheln. Simon Mayer stand mit Clara Frühstück, Patric Redl und Manuel Wagner gemeinsam auf der Bühne, wobei er die Unterscheidung zwischen Tanzenden und Musizierenden bewusst aufhob.
Frühstück, ausgebildet im klassischen Klavierfach erlebte „ihr“ Instrument einmal aus vielerlei ungewohnten Perspektiven: Auf den Tasten stehend, vor dem Instrument liegend, mit den Zehen spielend, im Resonanzraum verschwindend – keine dieser Aktionen dürfte sie bis zu dieser Arbeit vorher schon einmal ausgeführt haben. Manuel Wagner an den Elektronics und der Percussionist Patric Redl schlüpften neben ihren Parts als aktive Musiker auf der Bühne auch in jene von Tänzern und Mayer selbst betätigte sich als Sänger.
Das Anfangsszenario, ein Konzert, das in schwarzen Bühnenoutfits absolviert wurde, änderte sich rasch. Nach und nach lösten sich die Performenden aus ihren sozial-determinierten Rollen, um schließlich, eingepeitscht durch die eigene Musik, nackt in tranceartige Zustände zu verfallen. Weihrauchschwaden taten ein Übriges, um auch olfaktorisch die Sinne in einen derartigen Zustand zu versetzen. Das, was Mayer hier aufzeigte, vor allem in den Happenings Mitte des vorigen Jahrhunderts vielfach dekliniert, entdeckt offensichtlich eine junge Generation nun für sich neu: Die Befreiung des eigenen Ichs durch die Versenkung in andere Seinszustände. Anders als in der Generation der 68er sind es keine Drogen, die als Vehikel eingesetzt werden, sondern nur Tanz und Musik. Auch wenn diese letztlich in eine ohrenbetäubende Kakophonie ausufert, bietet sie dennoch einen letzten Anker für die Performance selbst.
Das junge Publikum reagierte staunend, das ältere durfte in Reminiszenzen an eine unbeschwerte Zeit schwelgen, in der noch alles möglich schien und love and peace eine verheißungsvolle Zukunft vorgaukelten. Einzig der Einsatz der Roboter, die selbst außer Rand und Band gerieten, determinierte Mayers „Oh Magic“ ins Jetzt. Die Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen muss auch heute noch jeder und jede für sich selbst erkämpfen. Und sei es mittels einer Performance wie „Oh magic“ auf einer Bühne. Gerne hätte man mitgetanzt!