Wie sich ein tristes und graues Leben in einem Altersheim für Künstler plötzlich in eine bunte Show mit Revueeinlagen verwandelt, zeigte die Gruppe „Les Ballets C de la B“ im Le-Maillon in Straßburg, Mitte Dezember. Die Idee, die dahinter steckt, ist einfach und simpel: Veteranen aus der Transvestitenszene, zum Teil transsexuell, fristen ihr Dasein in einem Künstleraltersheim. Nach und nach jedoch verlieren sie ihren gebückten Gang, der nichts als Hoffnungslosigkeit ausdrückt und sie mutieren zu schrillen Showgirls. In den 50ern beginnend, mit Blümchenkleidern am Strand, posieren sie in allerhand fotogenen Posen und enden zum Schluss in der großen, aufwendigen Showrobe, mit Glitzerkleid und Federboa.
Dazwischen liegt ein Bühnenstreifzug durch die Untiefen des Travestie-Showgeschäftes. Doch nicht nur um Verwandlung von Mann nach Frau und von alt nach jung dreht sich der Hauptplot an diesem Abend. Die Leiden des jungen Tänzers, der eine konfliktreiche Beziehung zu einer älteren Frau hat werden ebenso abgehandelt wie seine seelischen Kindheitstraumata, die von der Vaterablehnung erzählen. Vanessa Van Durme als Travestiekönigin agiert in diesem Teil als standhafter, unangreifbarer, ja vorbildhafter Bühnenstar, der alle Verletzungen selbst mit eiserner Würde trägt und dadurch sein Leben meistert. Show war alles, Show ist alles und Show wird alles sein, so könnte das allumfassende Generalthema lauten, spielte da nicht auch ganz viel Herzblut und Lebenserfahrung mit. Mut, Körper ungeschönt zu zeigen zum Beispiel oder überhaupt den Rückgriff auf längst vergangene Travestie-Showtage zu machen. Wer sich heute Auftritte von Kay Ray aus Deutschland oder Eddie Izzard aus England ansieht, weiß, dass die Tage derartiger Rückblenden bald gezählt sein werden.
Dass Gardenia dennoch funktioniert ist nicht nur der Regie von Alain Platel und Frank Van Laecke zu verdanken, sondern zu einem großen Teil auch der Musik von Steven Prengels. Seine schräge Neuinterpretation von „Over the rainbow“, Einspielungen von Puccini, Tschaikowski und Strauss, aber auch Gassenhauer wie „Ich hab Dein Knie gesehn“, um nur einige zu nennen, sind mehr als nur musikalische Untermalungen, ja tragen das Geschehen, das sich zum großen Teil aus Umkleideaktionen speist, auf weiten Strecken. Dass gerade emotional starke Szenen mit platten Allgemeinplätzen wie „Das Leben ist ein Kartenspiel, einmal hat man gute, dann wieder schlechte Karten“ gekippt werden, hat in der Show System. Nach Regen folgt halt immer wieder Sonnenschein. Da hört man dann nach allzu viel platter Tiefgründigkeit bei der Aussage „We are just servants of art“ genau hin und denkt sich – aha, in all der Unterhaltung schenkt man uns auch noch ein wenig Weisheit – und freut sich letztendlich doch über den letzten Showdown mit Glitzer, Glamour und High Heels.
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