„Angry young men“ des Aktionstheater Ensemble gastierte in Wien im Nestroyhof Hamakom und riss das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.
Frech, zornig, aufmüpfig. Die fünf Schauspieler des Aktionstheater Ensemble, allesamt junge Männer, verspritzen in der neuen Produktion „Angry young men“ reichlich Testosteron. Die Wienpremiere des Stückes unter der Regie von Martin Gruber fand im Theater Nestroyhof Hamakom statt. Der Text, wie immer bei diesem Theater, stammt vom Ensemble selbst sowie Wolfgang Mörth.
Sanfte Klänge, aber vor allem harte Beats prägen den Abend. Andreas Dauböck, nicht nur für die Musik verantwortlich, sondern selbst an der E-Gitarre und den Drums mit auf der Bühne, sorgt für eine gehörige Portion musikalische Hitze, die sich offenbar direkt ins Blut der jungen Männer einschleicht. Das Setting bleibt fast den ganzen Abend über gleich. Einer von ihnen tritt vor zum Publikum und erzählt eine Geschichte aus seiner Kindheit oder denkt laut nach über die Vor- und Nachteile von Autofahren versus Öffis. Ein anderer erklärt, welche Frisur er bei Frauen gar nicht ausstehen kann oder ärgert sich über Butter, die sich nicht gut streichen lässt. Der Themen sind viele auf der Welt, die Jungmänner offensichtlich so bewegen. Sie bieten allen Fünfen reichlich Gelegenheit, ihre schauspielerischen Fähigkeiten vorzuführen, Klischees, die man über Männer hat zu bestätigen, aber auch den Finger in so manche gesellschaftspolitische Wunde zu legen: „Henry Ford hatte die Idee für seine Fließbänder aus dem Schlachthof von Chicago“.
Seht her, wer ich bin
Andreas Jähnert präsentiert sich dabei als „gspüriger“ Softie, dem die Öffentlichkeit zu viel wird, weil er das Böse der Menschen permanent sehen kann. Alexander Meile hingegen mimt den extrovertierten Clown und verteidigt sein Gehabe als markanter, „echter“ Mann, der nur ein kleines Segment, ein Minderheitenprogramm an Frauen anzieht. Robert Finster – nomen ist hier tatsächlich omen – trägt seinen Zorn plakativ vor sich her, ständig kurz vorm Explodieren. Wolfgang Fahrner hingegen zeigt gerne, ganz kontrapunktisch zu den Bewegungsmustern der anderen , sein tänzerisches Talent. Nur Philipp Stix bleibt im Hintergrund, stumm, beobachtet die Szenerie.
Das Publikum kommt derweilen auf seine Kosten. Ein Gag jagt den nächsten während man spürt, dass im Subtext des Geschehens etwas brodelt. Während der einzelnen Sequenzen üben sich jene, die gerade nichts zu sagen haben, in einer sehr ästhetischen Choreografie im Stählen ihrer Körper. Schwarze Muscle-Shirts, dunkelgraue Cargo-Hosen und dunkle Turnschuhe geben ihnen mehr als nur einen sportlichen Touch. Man spürt etwas Martialisches, das sich dennoch nicht genau benennen lässt. Je weiter der Abend voranschreitet, umso konziser wird der Text. Schweift nicht mehr umher von einer Kindheitserinnerung zur nächsten, sondern verdichtet sich. Bis er schließlich mit Sätzen aufwartet, die Mann und Frau eigentlich gar nicht gerne hören wollen. Es sind Zitate von Göbbels, noch verführerisch im Diktum, bis hin zu jenen von Terroristen wie Holger Meins von der RAF oder Mohammed Atta von 9/11.
Das Böse kommt auf leisen Sohlen
Dazu erzählt Jähnert mit beinahe kindlich unbekümmertem Blick wie es war, damals in Ostdeutschland, in jenem kleinen Kaff in dem er aufwuchs. Dass er sich im Kreis jener wohlfühlte, die mit polierten Glatzen und Springerstiefeln die russisch-stämmige Bevölkerung bedrohte. Und auf einmal wird einem klar, warum die jungen Männer sich ständig körperlich ertüchtigen und sich in ihrer aufgestauten Wut scheinbar motivationslos prügeln. „Achte auf dich, prüfe deine Waffe“ kommt da plötzlich von der Bühne geschwappt – spätestens jetzt ist die Fröhlichkeit fortgeblasen. Das, was hier im Theater in Form von fünf Männern präsentiert wird ist ein Auszug jener Befindlichkeit von Millionen, die meinen, nicht gehört zu werden. Von Tausenden, die ihr Heil und ihre Erlösung in der Radikalisierung suchen und von Hunderten, die zu Einzelterroristen mutieren.
„Ich will mich nicht lächerlich machen“ brüllt Philipp Stix laut aus sich heraus. Nachdem der lustige Teil des Abends abgehandelt wurde ist er es, der Parolen von Meins immer und immer wieder laut skandiert. „Sieg oder Tod“ – etwas anderes scheint es in seinem, die andern ansteckenden Gedankengebäude nicht zu geben. Fehlt nur noch der Griff zur Waffe coram publico. Die bleibt ihm erspart. Nicht aber die Erkenntnis, dass sich auch das weibliche Geschlecht der Schuld von Radikalisierung und Gewalt nicht entziehen kann. Die vier Mädels, die in den letzten Minuten sich aus dem Publikum erheben, nachdem sie sich dort noch bis auf die Unterwäsche ausgezogen haben, massieren ihre wilden Krieger wieder fit, die sich auf den schwarzen Feldbetten zur Ruhe begeben haben. Unterwerfungs– und Dienstleistungssubjekte zugleich, stoppen sie das unsägliche Treiben nicht, sondern werden noch zu Handlangern des Unmenschlichen.
Heftiger und langer Applaus bestätigt, dass das Konzept des Aktionstheater Ensemble beim Publikum breiten Anklang findet.