Dalips Studienreise
Dalip war, entgegen dem Berufswunsch seines Vaters, der ihn gerne als Arzt gesehen hätte, davon überzeugt, sein Leben als Maler gestalten zu können. Zwar besuchte er nach dem Abschluss der Schule noch ein Jahr die Pädagogische Akademie in Gjakova sowie ein weiteres die englische Universität in Prishtina, aber er ließ sich von seinem bereits gefassten Entschluss nicht mehr abbringen, Künstler zu werden. Er trug vom Beginn seiner Karriere an ein starkes Urvertrauen zu seiner künstlerischen Berufung in sich, welches ihm zugleich auch ermöglichte, seine Kunst innerhalb sehr kurzer Zeit so zu festigen, dass sie einen Wiedererkennungswert erhielt, der ihr bis heute inne wohnt. Allerdings musste er dazu zuallererst sein Heimatland verlassen.
Mit dem Wissen, sich überall auf der Welt seinen Lebensunterhalt als Porträtist verdienen zu können, wie er es bei den Malern in Porec kennengelernt hatte, begann er mit seinen Studienreisen, die ihn durch ganz Europa führten. Dabei lernte er hunderte von Menschen kennen, die ihm Portrait saßen. Ein künstlerisches Kapital, auf welches er sich seither verlässt, obgleich sich seine damaligen realistischen Porträts mit seiner späteren, künstlerischen Arbeit nicht vergleichen lassen. Und dennoch legten sie den Grundstein zu jenem Motiv, welches Dalip hauptsächlich beschäftigt: dem menschlichen Kopf.
Dalip besuchte Österreich, Italien, Spanien, er war in Frankreich, Großbritannien und den Beneluxstaaten und sog auf seinen Reisen auf, was er für seine Arbeit benötigte. Baudenkmäler, Museen, Galerien aber vor allem die Menschen des jeweiligen Landes erweckten sein Interesse. Er erlebte nun das, worauf er in seiner Kinderzeit ganz intuitiv aber ausgiebig vorbereitet worden war hautnah, das Leben in all seinen Facetten und zwischenmenschlichen Ausformungen. Wer im Ausland unterwegs ist, darf nicht stumm bleiben, wenn er sich unter die Leute mischen möchte. Dalip blieb nicht stumm. Neben seiner künstlerischen besitzt er noch eine zweite, ausgeprägte Begabung: nämlich jene, rasch Sprachen zu erlernen. Und so kam bei ihm mit beinahe jedem Land welches er besuchte, auch eine neue Sprache dazu, die er erlernte. Seine Muttersprache Albanisch spricht er genauso wie Serbokroatisch, Deutsch so fließend wie Italienisch, Englisch, Spanisch und Französisch ergänzen sein sprachliches Repertoire. Insgesamt fünf Jahre war er unterwegs, von 1984 bis 1989, zeichnete, machte Skizzen, verinnerlichte das menschliche Antlitz, sodass es ihm schließlich möglich war dieses so zu abstrahieren, dass es seine ureigene malerische Handschrift trug.
Dalips Zeit in Österreich
1991 schließlich entschloss er sich in Österreich zu bleiben. Er zog zuerst nach Villach in Kärnten und knüpfte erste Kontakte zur dortigen Kunstszene. Was er präsentierte, war für sein Alter mehr als ausgereift. Der Mensch, das Porträt, der Kopf war sein Thema geworden oder besser geblieben. Durch den Einsatz seiner Skizzen, die er, egal wo er sich befand, auf kleinen Blöcken in Unzahl anfertigte, schuf er neben seinen Köpfen ein zweites graphisch-malerisches Ausdrucksmittel. Er setzte diese in die Zeichnung umgesetzten Gedankensplitter nebeneinander, verklebte sie mit der Leinwand und überarbeitete sie. Sein visuelles Tagebuch wurde so zu neuen, optischen Sensationsmomenten, wiederum abstrahiert von ihrem Ursprung. Vögel, Schafe, Menschen, Karren, Häuser tummeln sich so in großer Zahl auf der Fläche ohne für den Betrachter ad hoc erkennbar zu sein.
So wie das Gedächtnis gefordert wird, wenn es Ereignisse aufarbeiten muss, die in der Vergangenheit liegen, muss unser optisches Sensorium bei diesen Arbeiten von Dalip ebenso gefordert werden. Das „Sich-näher-mit-den-Bildern-beschäftigen“ bringt dann auch langsam mehr Klarheit. Diese Arbeiten sind erzählende. Sie berichten von seinen Kindheitseindrücken, seiner Familie, seinen Reisen. Sie erzählen von Beziehungen zwischen Menschen, von Einsamkeit oder sie geben ganz einfach Dinge wieder, die vor Dalips innerem Auge erscheinen. Somit teilt sich das graphisch-malerische Werk in zwei Bereiche, die gleichberechtigt nebeneinander existieren.
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Allemand