Die Hoffnung stirbt zuletzt

„Fishers of Hope. Taweret“ nennt sich ein Drama von Lara Foot. Das Team der Wiener Festwochen lud die südafrikanische Autorin, Regisseurin und Theaterdirektorin ein, dieses Werk in Europa uraufzuführen.

Das Baxter Theatre Center ist das zweitgrößte Theater in Capetown in Südafrika. Geleitet wird es – für Südafrika noch unüblicher als in Europa – von einer Frau, Lara Foot. Sie ist auf die Aufführung zeitgenössischer Stücke spezialisiert, vornehmlich solcher aus ihrer Heimat. Ihre eigenen Dramen sind keine Wohlfühlstücke, sondern handeln von den Problemen der Menschen in Afrika. Aber, und das wird sie nicht müde zu betonen, in ihnen findet sich auch ein wichtiges Element, nämlich die Hoffnung.

Schon der Titel bringt dieses immer wieder kehrende Prinzip zum Ausdruck, hat aber noch mit einem Zusatz aufzuwarten. Taweret. Das ist in der ägyptischen Mythologie der Name der Schutzgöttin der Fruchtbarkeit und Geburt, die durch ein Nilpferd dargestellt wird. Im Theaterstück von Foot mutiert dies jedoch zum todbringenden Ungeheuer. Dem alten Fischer John (Phillip Tipo Tindisa) wird von Taweret beinahe ein Bein abgerissen und ähnlich wie in Hemingways „Der alte Mann und das Meer“ stellt er sich schließlich dem Scheusal, das sein Schicksal wurde, um es zu besiegen oder mit ihm unterzugehen.

Bis es jedoch soweit ist, erzählt Lara Foot eine Geschichte, die vor allem durch die verschiedenen Charaktere und ihre familiären Verflochtenheiten überzeugt. Der See, der einst die Lebensgrundlage für die Menschen darstellte,  ist aufgrund einer von Amerikanern angelegten Fischpopulation, die ökologisch in eine Katastrophe mündete, leergefischt. Peter, ein adoptierter Sohn, schafft es nicht, das Handwerk von John so zu erlernen, dass er die Familie nach Johns Unfall ernähren kann. Ruth, Johns Frau, muss in ihrer traditionellen Rolle verharren, obwohl sie gerne anstelle ihres Mannes fischen würde. Zwar organisiert sie täglich einen Fisch, aber die beiden Männer nehmen an, dass dieser vom Nachbarn komme, dem sie mit Handlangerdiensten aushilft. Niara, der Bruder von Ruth(Lesedi Job), wird von seiner Schwester nach vielen Jahren zurück ins Dorf gerufen, um Medikamente zu bringen und ihr zu helfen. Er ist der Meinung, der Vater von Peter zu sein, aber Ruth klärt ihn schließlich auf, dass dies ein Pilot war, der die Mutter von Peter schwängerte. Njawu nennt sich ein Busfahrer, der im kleinen Ort, in dem die Familie lebt, strandete. Er fungiert als Erzähler und Brückenbauer hin zum Publikum. Beinahe weltmännisch, wirft ihn nichts so schnell aus der Bahn.

Shakespearehaft verstrickt Foot die einzelnen Figuren miteinander und bietet am Schluss ein Ende, das wohl keiner erwartet hätte. Die Emanzipation der Frau nach dem Tod ihres Mannes – ein Thema das weltweit millionenfach gelebt wird – geht einher mit der Emanzipation des schweigsamen Peter. Er entschließt sich, das Angebot von Njawo, herzöffnend von Mncedisi Shabangu gespielt, anzunehmen und mit ihm zu gehen, um einen Beruf zu erlernen. Niara (Phillip Dikotla) hat sich aus der Gesellschaft, die seiner Meinung nach dem Untergang geweiht ist, völlig ausgeklinkt. Obwohl er eine Ausbildung als Soziologe hat, ist es ihm nicht möglich, zu arbeiten. Seine Gegenstrategie ist, beständig auf Wanderschaft zu sein, von einem Land ins andere zu gehen, um dabei Gott nahe sein zu können. Gott steht für ihn gleichzeitig für ein Einssein des Menschen mit der Natur, einen Zustand, den er in seinem Land und in seinem Dorf gänzlich vermisst.

Die Hoffnung ist ein Thema, das jeden der Charaktere in einer anderen Art und Weise betrifft. Njawu hofft auf eine gemeinsame Zukunft mit Ruth. John, dass er das Nilpferd besiegen wird können. Ruth hofft auf eine Befreiung aus ihrer traditionellen Frauenrolle. Ihr Bruder Niara darauf, dass seine Familie das Landleben aufgibt. Nur Peter, der Außenseiter, der nicht müde wurde jeden Tag aufs Neue auf einen guten Fang zu hoffen, er gibt seine Hoffnung zugunsten eines neuen Lebens unter Obhut von Njawu auf. Shaun Oelf, der den Jungen spielt, dessen Hautfarbe auch erheblich weißer als die seiner Familie ist, tritt als zarter, zugleich aber athletischer junger Mann auf, der seine Gefühle durch eine zeitgenössische Choreografie ausdrückt. Netze auswerfen und einholen, dem Vater zur Seite stehen, ihn verletzt ins Haus tragen – in keiner Szene spricht er auch nur ein Wort. Sein Tanz – lange Zeit im Wasser – hebt sich auch stilistisch von dem sonst rein afrikanisch aufgebauten Setting ab. Nceba Gongxeka trägt durch seine musikalische Live-Untermalung erheblich zum Gelingen des Stückes bei. Er trommelt, singt und begleitet sich auch gelegentlich auf einer Leier. Dabei bezaubert er das Publikum nicht nur durch diese Vielfältigkeit, sondern vor allem durch seinen musikalischen Ausdruck. Dieser wechselt von bedrohlich, bis zart lyrisch und fügt sich ganz natürlich in die Inszenierung ein.

Patrick Curtis, der das Bühnenbild schuf, arbeitet mit der Innenansicht der Hütte von Peter und Ruth. Ein Bett und Seile an denen Fischgerippe hängen, mehr braucht es nicht, um die Armut der kleinen Familie anschaulich zu machen. An den Schuppen angespannt, ein großes Fischernetz, das in der Gesamtschau mit dem Wohnraum ein großes Boot erkennen lässt. Davor Wasser, jener See, der Leben spendet und Leben nimmt. Man darf die Inszenierung, die ohne Regiefinten auskommt, sicher nicht mit zeitgenössischen europäischen Theaterproduktionen vergleichen. Dafür fehlt ihr so manches Überraschungsmoment, dafür wird der Plot beinahe schulmeisterlich nachgespielt. Aber, und das ist das große Plus der Inszenierung, man stellt sich danach nicht die Frage der künstlerischen Qualität, sondern man beginnt über die sozialen Zustände in einem Land nachzudenken, das um das Überleben seiner Gesellschaft zu kämpfen hat.

Die Hinweise auf die Ausbeutung der Menschen in Fischereibetrieben, auf die hohe Arbeitslosigkeit, das nach wie vor imperiale Machtgehabe, das sich auch durch gut gemeinte, aber nicht immer gut angenommene Aktionen von NGOs manifestiert und nicht zuletzt der Hinweis auf den Massentourismus, all das ergänzt die Familiengeschichte. Foot skizziert damit ein Bild, das für den gesamten Kontinent stehen kann. Nicht enden wollender Applaus belohnte das Ensemble am Premierenabend in der Halle G im MuseumsQuartier.

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