Wo man den Wald vor lauter Bäumen besser sehen kann

Der Maler Franz S. Mrkvicka zeigt eine Auswahl von Bildern seines Zyklus „Wald“ in der sommergalerieZöbing. Ein kühler Tipp für heiße Tage.

Es gibt Menschen, die sind künstlerisch-kreativ. Es gibt andere, die tummeln sich mit großem Vergnügen in der Natur. Franz S. Mrkvicka gehört zu jenen, die beides gerne machen. Der aus Wien stammende Künstler mit seinem Hauptwohnsitz in Passau verbringt viele Monate im Jahr in Zöbing am Kamp. Dort hat er sich nicht nur, wie auch in der Drei-Flüsse-Stadt, ein Atelier eingerichtet in dem er Bilder produziert. Vielmehr hat er einen Raum, der ehemals ein großer Schuppen war, zu einer wunderbar stimmigen Ausstellungsfläche umgestaltet.

Im nun schon 3. Jahr bietet er damit ausgewählten Künstlerinnen und Künstlern dort die Gelegenheit, ihre Arbeiten zu präsentieren. Im Juli genehmigte sich Franz S. Mrkvicka selbst diesen Luxus. Der Künstler, der über Jahre hinweg an unterschiedlichen Zyklen arbeitet, stellte eine wunderbare Schau zusammen, die dem Thema Wald gewidmet ist.

Selbst passionierter Wanderer kennt er, der keinen Führerschein besitzt, ganz besonders die Waldgebiete, die sich von Passau aus in den Osten und Süden erstrecken. Aber selbstverständlich auch den Wienerwald, den er schon als Junge gemeinsam mit Freunden durchstreifte und dort naturkundliche Forschungen an so manchem Getier vornahm. Der Bayrische Wald östlich und der Sauwald, der sich südlich von Passau auch ins Oberösterreichische erstreckt sowie der Wienerwald sind jene Gebiete, die Mrkvicka seit über 10 Jahren auch fotografisch festhält.

Bis auf wenige Blätter sind es Fotos, die den Ausgangspunkt zu einer kreativen Auseinandersetzung mit der Materie Wald darstellen. Egal ob winters oder sommers, im Frühling oder im Herbst – es sind stimmungsvolle Aufnahmen quer durch die Jahreszeiten, die sich weniger dem Panorama, sondern mehr einem intimen Blick auf die Fauna des Waldes widmen. Ein kleiner Weiher, vereiste Granitplatten, ein grün sprudelndes Bächlein dessen Farbgebung, so unnatürlich grell sie auch erscheint, nicht nachträglich verändert wurde. Der Blick auf ein Feld oder in einen Buchenwald, in dem man buchstäblich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. All das ist das Rohmaterial, das von Mrkvicka mit der ihm eigenen künstlerischen Handschrift überarbeitet wurde. Oft sind es nur wenige, kleine Farbtupfer, die ein Bild akzentuieren. Manches Mal vertikale, grüne Striche, parallel gesetzt, welche die Rhythmisierung der Baumstämme verstärken. An anderer Stelle kringelt sich ein sattes, lichtschluckendes, zartes Gelb-Band zwischen einer lichtdurchfluteten Waldeslandschaft.

Die fotografischen Abzüge sind mit reichlich weißem Rand versehen, sodass viele der künstlerischen Eingriffe über die Fotos hinaus wandern. Sie klingen aus im Weiß der papierenen, künstlichen Umgebung. Ein Surrounding, das eine wunderbare Klammer in jene Atelierwelt schafft, in welcher der Künstler Pinsel und Farbe einsetzt, um seine eigenen Naturinterpretationen zu schaffen. Das Mittelstück eines nebelverhangenen Triptychons erweist sich erst auf den zweiten Blick als ein Foto, das links und rechts von demselben Abzug umklammert wird. Der unterschiedliche künstlerische Eingriff auf den äußeren Blättern verschleiert diesen Umstand auf den ersten Blick. Ist es einmal ein absterbender Baumstamm, dem der Künstler vertikal mit Rot noch etwas Lebenssaft verabreicht, sind es im zweiten Fall unregelmäßige, rasch hingeworfene rote Linien, die ein nahes Fällen oder auch Fallen vorhersehen.

Eine Ausnahme bildet jenes Blatt, das drei verschiedene Landschaften untereinander vereint. Die mittlere entbehrt jeglicher fotografischen Grundlage. Sie wirkt wie ein subtiles, artifizielles Echo ihrer beiden Genossen, die zwei Aufnahmen einer schroffen Felswand mit einem sehr hoch angesetzten Horizont zeigen. Hier ein sattes Grün, da ein dunkles Violett – Mrkvicka denkt mit dem Pinsel in der Hand so manches vegetabile Geschehen weiter.

Jedes Blatt ist nicht nur mit Mrkvickas Monogramm, sondern auch mit dem genauen Datum des Fotos und der örtlichen Beschreibung versehen. So gestaltet sich der Blick in die Ausstellung, der Gang von einem verglasten Präsentiertisch zum nächsten, wie eine kleine Wanderung quer durch die verschiedenen Waldlandschaften. Und tatsächlich werden Unterschiede sicht- und auch spürbar. Der sanfte Wienerwald, durchflutet von Licht, ist mit einer Grazie ausgestattet, die dem bayrischen Wald komplett fehlt. Hier zarte Baumstämme, wie in einer Symphonie Ton für Ton bewusst aneinandergereiht, dort urwüchsige Natur, durch die das Gehen, so vermitteln die Bilder den Eindruck, mehr Mühe und Abenteuer bedeutet.

Rot-orange Farbflecken auf einem dichten, in unterschiedlichen Grüntönen changierenden Blättervorhang erinnern an die Blüten einer Kapuzinerkresse. Ein brauner Laubboden, über dem sich helle Birken zu einer Domkuppel vereinigen und durch rote Luftschlieren in ihrem überschießenden Grün in Zaum gehalten werden, kündet von pilzigem Duft. Nicht immer, aber oft kommt der Künstler, der seine Wanderungen mit seiner Frau Eva genießt, mit kleinen kulinarischen Andenken nach Hause.

Bei meinen vielen Gesprächen erwähnt er eingangs häufig mit wenigen, aber schwärmerischen Worten seine letzten Wanderungen. Es wird nicht viele Menschen geben, die ihre unmittelbare Natur zu Fuß schon derart erkundet haben wie der Künstler. „Die meisten kennen sich in weit entfernten Flugdestinationen gut aus, haben aber keine Ahnung, wie die Landschaft unmittelbar vor ihrer Haustüre aussieht.“ Ein Zitat von Mrkwicka, das man nicht lang auf seine Richtigkeit überprüfen muss. Tief verbunden mit der Natur, hat das Ehepaar vor seinem Zöbinger Ausstellungsraum auch einen kleinen Hausgarten angelegt. Wenige Nutzpflanzen, Kürbisse und Zucchini, einige seltene Kräuter, viel dekorativ Blühendes – das Meiste davon selbst aus Samen gezogen, nichts in Reih und Glied. All das macht klar, dass sich die Natur ihr Recht hier nicht erkämpfen muss. Auch die Landschaft um Zöbing ist in einigen Ausstellungsexponaten festgehalten. Darin beginnt eine Kiesgrubenpfütze farbumflort ihre Schönheit zu präsentieren oder der Boden einer Sandgrube in Obernholz sein allzu blasses Antlitz angesichts des naturgegebenen , frechen Nachbarsgrün mit grauen, schwarzen und roten Farbflecken zu schminken.

Die wunderbare Auswahl an Waldstücken ist noch bis ca. 20. August in der sommergalerieZöbing zu sehen. Um in den Genuss einer persönlichen Präsentation zu kommen, wird um vorherige Kontaktaufnahme gebeten. Schließlich befindet sich der Hausherr so manche Stunde im Hochsommer in einem kühlen Wald.

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