Georges Appaix CIE La Liseuse mit dem „Bewegten Sextett im Lesesaal“
Anlässlich des „festival nouvelles“ in Straßburg organisierte das Veranstaltungszentrum Pôle-Sud in der Mediathek André Malraux eine Performance von und mit Georges Appaix und seiner Truppe. Eigens für den Lesesaal – der in diesem Gebäude elsässisch als „Stammtisch“ ausgeschrieben ist, kreierte er ein Stück rund um, mittendrin, über und unter Büchern. Und das kann man ruhig wörtlich nehmen. Das Publikum saß an den langen Bibliothekstischen und wurde umspült von Worten und Gesten, von geklatschtem und gesprochenem Rhythmus, von Tanz und Akrobatik. Momente der Komik – wie zum Beispiel jene, in denen die Akteure in einem anscheinend wirren Austausch, dem doch ein genauer Plan zugrunde liegt, sich ein Buch nach dem anderen in die Hand drücken, um kurz zu kommentieren, dass sie das nicht gesucht hätten, oder dem Suchen nach Büchern, die zwar alphabetisch eingeordnet scheinen, dann aber doch einer anderen alphabetischen Logik als der Herkömmlichen in einer Bibliothek folgen, kommen am laufenden Band vor.
Unterbrochen werden diese – von allen wahrnehmbaren Aktionen – dann aber doch auch von ganz intimen. Dazu nahm sich jeder der Akteure ein Buch und stellte sich ganz nah an zwei, drei Menschen aus dem Publikum, sodass er ihnen mit leiser Stimme vorlesen konnte. Eine schöne Lektion, wie sehr das Wort fesseln kann, wie sehr es alle Aufmerksamkeit auf sich zieht und wie magisch diese Anziehungskraft wirkt. Die rhythmisch geprägten Einlagen, die durch das Verwenden von Büchern als Schlaginstrumente erzeugt wurden, begleiteten jene tänzerischen Partien, in welchen Partnerschaftskämpfe genauso ihren Ausdruck fanden, wie gruppendynamische Prozesse oder auch gymnastische Übungen, in denen anstelle von Bällen eben Bücher verwendet wurden. Große Bücherständer, auf denen Bücher zu skulpturalen Gebilden vereinigt waren, aber auch ein überdimensionales Buch, in welchem die einzige Frau der Companie anfangs stehend Platz fand, um, selbst in einem Buch lesend, manches Mal belehrend durch ihre überdimensionale Brille in das Publikum zu blicken, ergänzten das Geschehen und gaben dem Raum eine zusätzliche theatralisch-museale Aussage. Sprachspiele mit hoch komplexen und philosophischen Aussagen standen jenen gegenüber, die kleine Kinder in der Grundschule üben, wenn es zum Beispiel darum geht, eine Satzkette zu bilden. Kurzum, kein Wort blieb auf dem anderen. George Appaix ist ein Künstler, dem es zugleich gelingt, dem Buch als eines der höchsten Kulturgüter gleichzeitig seinen intellektuellen Nimbus zu rauben, um ihn an anderer Stelle ganz unerwartet wieder hoch aufzubauen.
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