Zur Ausstellung „Blow up“ in der Albertina
„Blow up“ bezeichnet in der Fachsprache der Fotografen „ein Bild um das x-Fache vergrößern“, es „aufzublasen“, was auch die korrekte Übersetzung aus dem Englischen wäre. „Blow up“ bezeichnet aber zugleich auch den Titel des 1966 entstandenen Kultfilmes von Michelangelo Antonioni, der in London gedreht, 1967 in Cannes mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wurde und von Kulturschaffenden zu einem der einflussreichsten Filme des 20. Jahrhunderts gezählt wird. „Blow up“ nennt sich nun auch die jüngste Ausstellung in der Albertina, die dort bis zum 17. August gezeigt wird.
So speziell sich der Titel der Ausstellung auch präsentiert – es sind doch keinerlei Vorkenntnisse cineastischer oder fotografischer Natur notwendig, um die Schau genießen zu können. Gezeigt werden in ihr ungefähr 250 Exponate, die sich auf den Kultfilm beziehen und dessen Einfluss auf die Fotografie der 60er Jahre aufzeigt. Das Besondere daran: Antonioni, der von Carlo Ponti für drei englischsprachige Filme verpflichtet worden war, richtete seinen Film einerseits nach dem damaligen Usus der Modefotografie aus, andererseits verwendete er aber auch Motive aus Fotoreportagen aus dem sozialen Umfeld. Anonioni kontaktiere vor Drehbeginn die Modefotografen David Bailey, John Cowan und David Montgomery, um ihnen intensiv über die Schulter zu schauen und dadurch die Szenen in seinem Film so authentisch wie möglich zu gestalten. Nicht zuletzt fertigte der Fotograf Don McCullin jene Vergrößerungen von Fotos an, die dem Film seinen Namen gaben und die so „aufgeblasen“ wurden, dass das eigentliche Motiv darauf nicht mehr zu erkennen ist. Arthur Evens schließlich war für die Film-Stills verantwortlich. Evens schuf ganze Bildserien, fotografierte aber auch Szenen, die im Film selbst gar nicht gezeigt werden. Dabei ging er weit über den herkömmlichen Auftrag Film-Stills zu schaffen hinaus. Film-Stills sind Fotos, die nicht, wie irrtümlich oft angenommen, aus dem filmischen Material direkt entnommen, sondern von Fotografen separat aufgenommen werden. Sie können bei den Filmaufnahmen direkt gemacht werden aber auch abgekoppelt davon die Schauspielerinnen und Schauspieler portraitieren, oder einen Einblick in den Produktionsprozess vermitteln. Eingesetzt werden Film-Stills hauptsächlich zur Promotion der gedrehten Filme, also ganz einfach ausgedrückt, zu Werbezwecken.
Vom Kultfilm zur Ikone der Medientheorie
Antonionis Hauptfigur, ein Modefotograf, entdeckt bei einem „Blow Up“ eines Fotos, das er in einem Park machte, einen Mann mit einer Pistole und findet danach tatsächlich auch eine Leiche. Doch gerade die fotografischen Vergrößerungen, in welcher die abgebildete Realität zu undechiffrierbaren visuellen Phänomenen mutiert, werfen permanent die Frage nach Fiktion und Realität auf. Anontionis Film, der auch in der Schlussszene mit dem Phänomen der Abwesenheit von realen Gegenständen spielt, wurde damit zu einem der frühen Kunstwerke, an denen sich die Foto- und Medientheorie bis heute abarbeitet. Die stark vergrößerten Fotos machten erstmals deutlich, dass diese nicht als wahre Repräsentationen der Realität zur Verfügung stehen. Eine vorausblickende Idee, die weit ab von der Kunst vor allem dort Beachtung finden sollte, wo zu politischen Propagandazwecken vorgegeben wird, mit Fotografien oder Filmen eine vermeintliche Wahrheit abzubilden.
Der Kurator der Ausstellung, Walter Moser, der die Sammlungsleitung der Abteilung Fotografie in der Albertina innehat, erarbeitete die Schau über drei Jahre hinweg und entdeckte bei seinen Recherchen auch einige Fotos, die bislang noch nie gezeigt wurden.
Eine Ausstellungsarchitektur der Sonderklasse
Zwar stehen die Fotos und auch einige Filmausschnitte im Vordergrund der Ausstellung – ihre Wirkung verdanken sie aber nicht zuletzt der unglaublich toll gemachten Ausstellungsarchitektur von Walter Kirpicsenko. Wie durch einen Sog gelangt man durch das geschickt gemachte Leitsystem in den Raum, umgeben von hell beleuchteten Fotos, die sich vom tiefen Schwarz der Wände magisch abheben. Rhythmisch fließend darf man sich dem Defilee entlang der aufgestellten Raumteiler hingeben, die unerwartete Ausblicke aber auch Stopps eingebaut haben, die man zum Teil wie im Slalom umgehen muss. Inhalt und Form stimmen in dieser Präsentation bestens überein. Das Lebensgefühl der 60er-Jahre, mit all seinen psychedelischen Parties und den drogengeschwängerten Selbstversuchen rückt ganz nah an die Betrachtenden. Dazu tragen auch jene Fotos bei, die der Reportagefotograf Don McCullin im Londoner East End aufgenommen hatte. Einem Viertel, das in den 60er Jahren wegen seiner sozialen Unruhen bekannt war.
So treffen in der Show stilisierte Mannequins auf erdige, vom Leben gekennzeichnete Menschen. Prallt die Scheinwelt der Mode auf die Realität des britischen Arbeiteralltags. Das Gefühl des Aufbruchs, vor allem durch die Jugendbewegung geht einher mit der damaligen wirtschaftlichen Maxime von „anything goes“. Einer Lebensanschauung, weit weg von Umweltproblemen oder kapitalistischen Protestbewegungen wie wir sie seit 2008 kennen. Ergänzt wird das Ausstellungsmaterial noch durch Gemälde und einige Kunstobjekte, die ebenfalls in der Szenerie von „Blow up“ verwendet wurden sowie zeitgenössische Kunstwerke, die sich mit dem Thema Abwesenheit und Realität auseinandersetzen.
Eine trotz ihrer eingeschränkten Thematik unglaublich vielschichtige und lebendige Ausstellung, deren Besuch uneingeschränkt empfohlen werden kann.