Die Schelmenstreiche des Scapin, eine Komödie von Molière, erlebte in Straßburg im TJP eine ganz besondere, moderne Interpretation.
Das Théâtre du Fust – Compagnie Emilie Valentin lieferte eine Produktion, die nicht nur mit einer künstlerischen Hochleistung aufhorchen ließ, sondern insgesamt einen spannenden, lustigen und stimmigen Abend zeigte. Jean Sclavis oblag das Meisterstück, in jede einzelne Rolle der Komödie selbst zu schlüpfen, und das sind immerhin 9! Dies tat er mithilfe von Marionetten, die ihm selbst bis zur Brust reichten und die er so zu bewegen wusste, dass man schon nach kurzer Zeit vergaß, dass nur er selbst die Texte sprach. Die einzelnen Köpfe der Puppen entsprachen den Charakteren der Figuren – ob es der griesgrämige und herrschsüchtige Géronte, Zerbinetta, die junge Ägypterin oder Octave, der feinnervige, junge Verliebte war. Jede und jeder zeigte den Gesichtsausdruck, der ihn oder sie charakterisierte und bekam noch dazu von Sclavis eine eigene Stimmlage, sogar mit eigenem Akzent, verpasst. Jean Sclavis, der auch den Diener und Schurken Scapin verkörperte, hielt die Fäden der Handlung in diesem Falle im wahrsten Sinne des Wortes in seiner Hand. Das Auf- und Abnehmen der großen Marionetten war einmal als Hilfestellung an den Figuren zu erkennen, ein andermal einfach als handgreifliche Interaktion. Wie zum Beispiel in jener Szene, in der Léandre Scapin an den Ohren zieht und ihm einen Säbel an den Hals hält. Wie er zugleich sich gegen die Marionette zu wehren versuchte und dem Schmerz des gezogenen Ohres nachhing, war beeindruckend. Dass das Stück, in welchem es um die Heirat zweier Paare dreht, die jedoch den Segen ihrer Väter dazu nicht haben, in einem Jugendtheater aufgeführt wurde, ist eine kleine Pikanterie am Rande. Molières Stück fand zu seinen Lebzeiten keinen großen Gefallen beim Publikum. Er hatte dieses ganz im Sinne der italienischen Komödien geschrieben und die dort typisiert angelegten Figuren verwendet. Wunderbar in dieser Hinsicht waren die italienischen Tarantelle, die südliches Flair verbreiteten, sowie der rauchende Vesuv im Hintergrund, der den Ort des Geschehens verdeutlichte. Die Regisseurin Emilie Valentin zeigte, wie man mit einem originalen, aber gekürzten Text und dem Wechsel zu einem anderen Bühnenmedium für einen Abend Spannung und Spaß vermittelt. Nach der schauspielerischen Leistung Jean Sclavis zu schließen, gibt es keine Rolle, die man ihm nach diesem Abend nicht sofort zutrauen würde. Klassisches, französisches Theater in unsere Zeit transferiert – dafür gibt´s ein lautes „BRAVO“!
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