Zu Beginn der Kultursaison möchte ich auf eine Ausstellung hinweisen, die als kleiner Geheimtipp gelten kann. In der Chaufferie in Strasbourg, einem Ausstellungsort, der von der École supérieure des arts décoratifs genutzt wird, ist eine feine, sehr gute ausgewählte Schau mit Blättern des holländischen Künstlers Paul van der Eerden (geb. 1954) zu sehen. Die Ausstellung mit dem Titel „Foul rain“ gibt einen schönen Überblick über sein Gesamtschaffen, da verschiedene, immer wiederkehrende Themen seines Oeuvres gut gegliedert und zusammenfassend präsentiert werden.
Van der Eerden ist Zeichner und arbeitet mit kleinen Papierformaten. Auf diesen breitet sich sein gedankliches und zeichnerisches Universum aus, welches besonders durch eine zusammenfassende Gliederung wie in der Chaufferie für die Besucherinnen und Besucher erfahrbar wird. Der Bogen seiner Sujets spannt sich von freien Assoziationen über Ikonen der Kunstgeschichte bis hin zu einem großen Block mit 52 Arbeiten, entstanden im Wochenrhythmus eines Jahres, der sich sexuellen Attraktionen bzw. Obsessionen widmet.
Mit Blättern aus der Serie „Foul rain“ wird er einem vordergründigen Ästhetizismus gerecht, der sich beim zweiten Hinsehen eher in Grauen verwandelt. Denn das in helles Rot eingebettete Muster entpuppt sich samt und sonders als kopfüber stürzende Menschenleiber. Der „foul rain“ – der widerliche Regen lässt Gedanken zu Massenvernichtungen in jede Richtung zu, kann aber genauso gut als artifizielle Fingerübung gelesen werden, in der Eerden versucht, ein Thema mit Abwandlungen durchzuspielen.
Die Tatsache, dass viele seiner Bilder sich erst auf den zweiten Blick wirklich zu erkennen geben und eine weitere Dimension als die zuerst erschaute öffnen, ist für van der Eerden typisch. Viele Arbeiten sind von einem schwarzen Humor gekennzeichnet, dem der Künstler durch seine zarten Striche vordergründig den Stachel zu ziehen scheint. Vorbildhaft reiht er sich ein in die Linie jener Künstler, die mit dem traum- und alptraumhaften agierten oder welche aus der Art-brut-Bewegung stammen. Auch afrikanische Stammeskunst gehört zu jenen Einflüssen, denen sich Eerden gegenüber offen zeigt. Sein Anliegen ist die freie und ungeschminkte Kommunikation mit dem vor ihm liegenden Blatt. Ungeschminkt und möglichst ungefiltert soll das Werk aus seiner Idee Gestalt gewinnen, wenngleich oft ein satirischer Filter dazwischen zu liegen scheint.
Der erste Stock ist mit Blättern bestückt, in welchen sich der Künstler einem seiner Lieblingsthemen – den Ikonen der Kunstgeschichte widmet. Mit leichter Hand, so scheint es, schlüpft er in die Stilmittel berühmter Künstlerkollegen, quer durch die Jahrhunderte, um eine persiflierte Uminterpretation in eigener Sache zu gestalten. Für 2010 stellt sich van der Eerden der Herausforderung, in einer Ausstellung im Niederländischen Institut in Paris direkt mit Arbeiten auf die Sammlung des 1970 verstorbenen Sammlers Frits Lugt zu reagieren. Damit vergrößert er sein persönliches „Imaginäres Museum“ wie er es selbst nennt, nicht im Sinne von Andre Malraux, welcher sich in seiner Abhandlung auf die Reproduzierbarkeit von Kunstwerken bezog, sondern imaginär im Sinne von eigener, persönlicher, künstlerischer Vorstellung.
Die Ausstellung „Foul rain“ läuft noch bis 7.10. und ist von Mittwoch bis Sonntag, jeweils zwischen 15 und 19 Uhr. Zum Abschluss der Ausstellung wird ein Treffen mit dem Künstler im Auditorium der ESADS um 17.30 veranstaltet.
Einblick in die Ausstellung gibt der link: https://www.esad-stg.org/chaufferie/exposition.php?id=2009.06a
kompliment!