„Junge Talente“ nannte sich ein Konzertabend des OPS, des Orchéstre philharmonique de Strasbourg, unter der Leitung von Marc Albrecht am 10. Dezember in Straßburg. Das Publikum war dabei nicht nur von der Jugend, sondern vor allem von der großen Musikalität der Solistinnen und Solisten überzeugt, die das Konzert gestalteten. Pauline Haas an der Harfe, David Kadouch am Klavier, Antoine Pierlot am Violoncello, Raphaël Sévère an der Klarinette sowie Tianwa Yang Geige zeigten, dass Alter nicht unbedingt ein Kriterium für Qualität sein muss. Alle miteinander technisch brillant, agierten sie trotz ihrer wenigen Lebensjahren höchst professionell.
Dass gerade bei der Jugend oft der der Tatendrang noch vor innigem Ausdruck eine stärkere Rolle spielt, zeigte sich vor allem bei dem 1985 geborenen David Kadouch, der Mendessohns 2. Klavierkonzert op. 40 mit einer unglaublichen technischen Brillanz interpretierte. Keine einzige unsaubere Note oder Unsicherheit war zu hören, was bei der starken Betonung der linken Hand, die das Stück aufweist, schon sehr beachtlich ist. Die Spannungsbögen, die im zweiten Satz im immer wieder kehrenden gesanglich angelegten Thema auftauchen und ohne weiteres ausgereizt werden können, werden in den nächsten Jahren sicherlich wachsen. Eine interpretatorische Finesse, die sich automatisch durch eine stärkere Herzensbildung ergibt und vor allem bei älteren Pianisten und Pianistinnen gut zu beobachten bzw. hören ist. Der dritte Satz mit den perlenden Walzerthemen scheint dem jungen Mann in die Finger geschrieben zu sein und machte deutlich, dass das Konzert für ihn richtig gewählt war. Wie groß die musikalische Bandbreite an diesem Abend aufgestellt war zeigte die Straßburgerin Pauline Haas (geb.1992), die das Konzert mit Debussy´s „Zwei Tänze für chromatische Harfe“ eröffnete. Das Stück, das im 19. Jhdt. für die Firma Pleyel geschrieben worden war, anlässlich einer Neuentwicklung an der Harfe, ist heute nach wie vor im Konzertrepertoire zu finden, wenngleich es heute auf Doppelharfen gespielt wird. Gewiss hat es Pauline viel Herzklopfen gekostet, sich als erste in diesem Concours zu bewähren; diese Herausforderung hat sie meisterlich bestanden. Vom OPS einfühlsamst begleitet, konnte sie zeigen, wie sehr sie das schwierige Instrument beherrscht und dass es ihr gelingt, auch als Solistin in einem ausverkauften Saal zu reüssieren. Mit Antoine Pierlot erklang Saint-Saens erstes Cellokonzert op. 33, das schon im Oktober mit Gautier Capucon in Straßburg zu hören war. Wer beide Konzerte verfolgen konnte, war Zeuge zweier völlig anderer Interpretationsansätze. Während der 1981 geborene Capucon mit extremer Expressivität agierte, spielte Pierlot, 1980 geborgen, eher intim zurückhaltend, sauber und nie überbetont. Ein gutes Beispiel, wie ein und dasselbe Stück sogar von Interpreten derselben Generation anders aufgefasst werden kann.
Eine große Überraschung war der erst 16jährige Raphaël Sévère. Bei seinem Auftritt mit Aaron Coplands Konzert für Klarinette und Orchester sprang schon nach wenigen Takten der Funke zum Publikum über. Musikalisches Einfühlungsvermögen, dass sich auch in der kleinen Zwiesprache mit dem Klavier wunderbar zeigte, technische Brillanz, Freude am Spiel und eine mühelose Ausarbeitung der rhythmisch schwierigen Teile, bei denen er zusätzlich mit einer wunderbaren Akzentuierung aufwartete, machten klar, dass es sich bei dem jungen Mann um ein ganz großes Talent handelt. Den Abschluss gestaltete die 1987 in Peking geborene Tianwa Yang, die sich mit Bruchs 1. Violinkonzert präsentieren durfte. Nicht nur, dass das Konzert eines der meist gespielten Violinkonzerte darstellt, verlangt es dazu auch noch neben einer ausgereiften Technik eine Persönlichkeit am Instrument. Und das ist die junge Dame in musikalischer Hinsicht allemal. Von der ersten Sekunde an voll im musikalischen Geschehen, sensibel auf das Orchester reagierend und mit einer enormen Energie ausgestattet, fesselte sie die Zuhörerinnen und Zuhörer ad hoc. Diese kleine, zarte Person bringt ihr Instrument förmlich zum Explodieren und schafft es im Verwehen der Melodie im zweiten Satz, alle Herzen zu öffnen. Eine wunderbare Musikerin, deren Weg alle Musikbegeisterten mit großer Aufmerksamkeit verfolgen sollten.
Dass alle genannten Interpretinnen und Interpreten an diesem Abend großes Glück hatten, sei explizit angemerkt. Marc Albrecht dirigierte das OPS, als gälte es gegen andere Klangkörper bestehen und gegenüber anderen Orchestern herausragen zu müssen. Es dürfte nicht nur am Umstand gelegen sein, dass das Konzert von Arte aufgezeichnet wurde, sondern vielmehr mit der Tatsache zusammenhängen, dass gerade das Repertoire des 19. und frühen 20. Jahrhunderts von ihm besonders geliebt und dementsprechend beherrscht wird. Wie immer spielten unter seiner Stabführung die Musikerinnen und Musiker herausragend sensibel, was vor allem bei Solokonzerten ein Qualitätskriterium ist. Ein ungewöhnlicher Konzertabend – auch mit ungewöhnlich viel Jugend im Publikum. Das macht Mut für die Zukunft!
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Französisch