Theater, das mehr ist als Theater. Theater, für das es noch keinen korrekten Begriff gibt, weil es die Grenzen sprengt. Die Grenzen hin zum Publikum, die Grenzen in der Vermittlung eines Stoffes, die Grenzen zu tagespolitischen Themen, die unter den Nägeln brennen. So könnte man in Kurzform die Produktion „Dit is mijn vader“ – „Das ist mein Vater“ des jungen Niederländers Ilay den Boer beschreiben. Was er gemeinsam mit seinem Vater Gert den Boer in Straßburg anlässlich des „festival premières“ zeigte, war so lustig, aufwühlend und berührend – exakt in dieser Reihenfolge – dass man dafür nur ein Attribut zu vergeben hat: GROSSARTIG.
Der 1986 in Jerusalem geborene Autor und Regisseur, der in Holland aufwuchs, stellte mit dieser Inszenierung den dritten Teil einer Hexalogie, also eines Sechsteilers, auf die Bühne. Darin beschäftigt er sich mit der Aufarbeitung seiner Familiengeschichte, die dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Teil jüdisch und ein anderer Teil, wie eben sein Vater, nichtjüdisch ist. In diesem Spannungsfeld aufgewachsen, realisierte den Boer, dass die unterschiedlichen Weltanschauungen von ihm und seinem Vater nicht allein aus dem Generationsunterschied resultieren. Vielmehr handelt es sich aufgrund der unterschiedlichen Ahnfamilien um ganz persönlich abweichende Interpretationen der Familiengeschichte und daraus resultierend auch des eigenen Selbstverständnisses.
Was hier vielleicht etwas trocken und pragmatisch klingt, war an diesem Abend gefüllt mit prallem Leben. Die den Boers agierten zu Beginn keineswegs wie Schauspieler, sondern eigentlich als Moderatoren. Ilay stellte seinen Vater dem Publikum kurz vor und teilte kleine Regiebüchlein im Publikum aus. Darin war der Lebensweg seines Vaters anhand von verschiedenen Ereignissen und den dazugehörigen Jahreszahlen markiert. Jeder und jede aus dem Publikum konnte im Laufe des Abends zu bestimmten Daten Fragen stellen, um nähere Einzelheiten in Erfahrung zu bringen. Korrespondierend dazu war auf der Bühne ein überdimensionaler Schrank aufgebaut, der Türen und Fächer enthielt, die mit den markanten Jahreszahlen versehen waren. Wenn nun jemand über das Jahr 2000 näher Bescheid wissen wollte, öffnete Ilay dieses Türchen und zog Fotos oder andere Erinnerungsstückeseines Vaters hervor, die zu diesem Jahr passten.
Die weiteren Spielregeln waren schnell erklärt. Ilay begann, seinen Vater zu verschiedenen Ereignissen in dessen Leben näher zu befragen, auf Englisch, wohlgemerkt, und bat ihn, die Frage danach für das Publikum sofort ins Französische zu übersetzen, die Antwort ihm wieder auf Englisch zu geben und danach jedoch auch wieder diese im Französisch dem Publikum zu erklären. Auch das klingt vielleicht kompliziert, war es aber ganz und gar nicht, dank der sprachlichen Meisterleistung von Gert. Sein Sohn, der junge, selbstbewusste Mann, schien die Regie fest in seiner Hand zu haben. Der ältere, erfahrene, lächelte manches Mal milde, ließ seinen Sohn aber gewähren und spielte seine Rolle als befragter Papa brav mit. Alles begann locker und flockig und leicht. Gerts Reise nach Israel, gleich nach der Schule, dieses länger währende Abenteuer, bei dem auch sein Sohn gezeugt wurde, erklärte sich im Rückblick als aus einer Laune heraus angetreten. In christlichem Glauben erzogen, war es keineswegs die Sympathie für die zionistische Bewegung, die ihn in den Süden gehen ließ. Vielmehr lockten der blaue Himmel und die schönen Frauen. Es wurde viel gelacht, als man von Gerts angeblichen Erfahrungen mit sex, drugs and rock ´n roll hörte, oder als die beiden demonstrierten, wie Gert seinen Sohn beim Fußball coachte. Ganz unversehens aber begannen sich die Leichtigkeit und Fröhlichkeit dieser Performance davonzuschleichen. Als Ilay davon erzählte, wie seine Kameraden ihn in seinem Fußballverein begannen zu drangsalieren, ihm Angst einzujagen und ihm zu drohen – weil er Jude ist. Anfangs versuchte sein Vater ihm zu erklären, dass die Anpöbelungen nicht antisemitisch gewesen wären, sondern im Grunde nichts anderes als dumme Jungenstreiche. Als ein Spiel, von dem die Jungen nicht wüssten, welchen Hintergrund es hätte. Er negierte sogar das mit Kot auf sein Auto geschmierte Hakenkreuz, das Ilay fotografisch festgehalten hatte und suchte Argumente, diese Taten nicht als Judenhetze erklären zu müssen. Bis – bis Ilay ihm auf Niederländisch jene Episode erzählte, in der seine Freunde ihm auflauerten, ihn sich ausziehen ließen und ihm einen Kübel eiskaltes Wasser über den Kopf gossen. Ilay selbst unterstrich seine eindringliche Rede, die er nach jedem Satz laut mit der Aufforderung „translate“ unterstrich, dadurch, dass er sich auszog, bis er völlig nackt und schutzlos auf der Bühne stand. Nachdem er sich selbst einen Kübel Wasser über den Kopf gegossen hatte, forderte er seinen Vater mi t harter Stimme auf, sich auch auszuziehen, damit er einmal im Leben – auch nur ein einziges Mal – sich in seine Situation hinein fühlen könne. In die Situation eines jungen Juden in Holland, der, wie viele Generationen vor ihm, um sein Leben fürchtet. Der Bruch zwischen Vater und Sohn war nun da. Der eine, schutzlos und voll Zorn und Hass, der andere tief betroffen, verstehend und dennoch ohne Akzeptanz für den Hass.
Was aber nun geschah, wird dem Publikum unvergessen bleiben. Ganz liebender Vater –sich seinem Sohn nähernd und dieses nun sichtlich psychisch zusammengeschrumpfte Bündel Mensch in seine Arme nehmend – zeigte Gert, dass er auf all diese schrecklichen Umstände nur eine Antwort parat hat. Mit seinem Unterhemd trocknete er seinen Sohn ab und erklärte dem Sprachlosen dabei mit leiser und beruhigender Stimme, dass er, wenn er so weiter mache, sich nicht unterscheiden würde von all den anderen Radikalen. Seien es Juden, Moslems oder Christen. Ilay und Gert den Boer verkörperten in diesem Moment jedoch nicht nur den Hass und die Liebe, nicht nur die Verletzung und die Heilung. Die beiden waren Vater und Sohn in einem der berührendsten Momente, die sich zwischen Vater und Sohn überhaupt abspielen können. Kein Oben und kein Unten gab es hier, keine Macht zwischen Alt und Jung, nur Liebe, Vertrauen und die Sehnsucht nach Schutz und Geborgenheit.
Rund um die beiden Männer war die Bühne durch Nazidevotionalien verwüstet. Eine angebrannte israelische Fahne, Fotos von Hausbeschmierungen und Zeitungsausschnitte mit Berichten von Übergriffen gegen Juden in Holland, Neonazis in Pappmascheeformat – all das hatte der wütende Ilay zuvor seinem Vater aus dem großen Schrank gezogen. Die anschließende Aufräumaktion, die ohne Worte, nur mit Musikuntermalung stattfand, kam einer Katharsis gleich. Die Spannung war von beiden und von dem Publikum abgefallen und man sah zu, wie der Dreck, der Europa wieder zu beschmutzen beginnt, in Abfalleimern verschwand. Dass Ilay einen Stacheldraht und die von seinem Vater schon beiseitegeschobenen Fotos dennoch wieder hervorholte und ausbreitete – das bietet reichlich Stoff für eine neue Geschichte.
Du théâtre qui est plus que du théâtre. Du théâtre pour lequel on n’a pas encore trouvé de définition exacte, parce qu’il efface toutes les frontières : les frontières en direction du public, les frontières concernant la transmission du sujet, les frontières qui le séparent des sujets politiques d’une actualité brûlante.
Voilà comment on pourrait résumer la production « Dit is mijn vader » « Ça, c’est mon père » du hollandais Ilay den Boer. Pour cette production qu’il a montrée avec son père dans le cadre du « festival premières » et qui était tellement drôle, bouleversante et touchante – exactement dans cet ordre-là, il n’y a qu’un seul adjectif qui convienne : FABULEUX !
Avec cette pièce, l’auteur et metteur en scène, né à Jérusalem ayant vécu et grandi en Hollande, a mis la troisième partie d’une œuvre sur la scène, qui comportera six volets en tout. Dans cette création il parle de l’histoire de sa propre famille, caractérisée par une particularité : une partie de la famille est juive, et l’autre partie, comme justement son père, ne l’est pas !
Ayant grandi dans ce champ de tensions, Boer a pris conscience que les différences entre sa conception du monde et celle de son père, n’étaient pas uniquement dues à la différence entre les générations.
Il s’agit plutôt d’une interprétation différente et personnelle de l’histoire familiale. Une différence reposant sur les différentes lignées des ancêtres, dont résulte la compréhension de soi-même.
Au départ, les den Boer n’ont pas du tout agi en acteur. Ils étaient plutôt animateurs. Ilay a présenté son père au public et a distribué ensuite de petits livrets de mise en scène. Dans ce livret on pouvait lire la biographie de son père, ponctuée par différents évènements ainsi que les dates auxquelles avaient eu lieu les évènements en question. Au cours de la soirée, chaque spectatrice et chaque spectateur pouvait poser des questions concernant ces dates pour obtenir des informations plus détaillées. Sur la scène, en rapport avec tout ceci, il y avait une armoire surdimensionnée. Sur les portes et casiers de l’armoire étaient marquées les dates importantes. Si par exemple quelqu’un voulait en savoir plus sur l’année 2000, Ilay ouvrait la porte correspondante pour en sortir des photos ou d’autres souvenirs de son père en rapport avec l’année en question.
Les autres règles du jeu étaient vite expliquées. Ilay a commencé à poser des questions à son père en rapport avec divers évènements – en anglais ! Tout en demandant à son père de traduire la question en français pour le public. Il voulait que son père lui réponde en anglais pour ensuite à nouveau expliquer sa réponse en français. Cela peut paraître un peu compliqué, mais grâce à la performance linguistique extraordinaire de Gert, cela n’a pas était compliqué du tout. Le fils, le jeune homme avec une grande confiance en soi, semblait avoir la mise en scène bien en main. Le plus âgé, expérimenté souriait gentiment, laissait faire son metteur en scène de fils et jouait sagement le rôle du papa interrogé.
Le début était léger, facile et détendu. Avec le recul, le voyage de Gert en Israël, entrepris tout de suite après avoir terminé l’école, cette aventure qui a duré un certain temps pendant lequel son fils a été conçu, s’avère être le résultat d’un simple coup de tête : Elevé dans la religion chrétienne, ce n’étaient pas les sympathies pour le mouvement sioniste qui l’avaient incité à partir pour le sud, mais c’étaient plutôt le ciel bleu et les belles femmes. Les expériences de Gert dans le domaine «sexe, drogues et rock an roll» où alors la scène ou les deux ont fait une démonstration de coaching du fils au football par le père ont beaucoup fait rire. Mais sans qu’on s’aperçoive, la légèreté et la gaieté de cette performance sont parties sans crier gare. Ilay commençait à raconter qu’il a subi des représailles de la part de ses camarades au club de football, qu’ils ont essayé de lui faire peur en le menaçant, parce qu’il était juif. Au départ, son père voulait lui faire croire que ces agressions n’étaient pas motivées par l’antisémitisme et qu’il ne s’agissait que de bêtises d’enfants. Et que les garçons n’avaient pas conscience de ce qui se cachait derrière tout cela. Il est allé jusqu’à ignorer la croix gammée, peinte avec des excréments sur sa voiture et prise en photo par Ilay. Il a cherché des arguments lui permettant d’éviter de définir toutes ces actions autrement que de persécutions de juifs. Jusqu’à ce qu’Ilay raconte en langue néerlandaise l’épisode où ses «copains» l’ont coincé pour le déshabiller et lui renverser un seau d’eau glaciale sur la tête. Ilay soulignait son discours incisif en disant après chaque phrase à son père «translate» et en même temps il se débarrassait de ses vêtements pour finir tout nu et fragilisé sur la scène. Après s’être renversé un seau d’eau sur sa tête, il demanda à son père durement de se déshabiller à son tour pour que, ne serait-ce qu’une fois dans sa vie, il puisse se mettre à sa place et comprendre sa situation à lui. La situation d’un juif en Hollande qui, comme l’on fait tant d’autres quelques générations avant lui, craignait pour sa vie. La rupture entre père et fils était consommée. L’un, sans protection, rempli de colère et de haine, l’autre, consterné, plein de compréhension mais sans accepter la haine.
Ce qui s’est passé ensuite, restera gravé dans la mémoire du public : En père aimant, le père s’est approché de son fils, de cet être humain, dont ne restait plus grand-chose, tant la souffrance l’avait diminué, pour le prendre dans les bras. Gert a montré qu’il ne connaissait qu’une réponse à toutes ces atrocités : Il a séché son fils avec son propre maillot de corps tout en expliquant à son garçon à voix basse que si celui-ci continuait ainsi, rien ne différencierait plus des autres extrémistes. Qu’il s’agisse de juifs, de musulmans ou de chrétiens. Mais Ilay et Gert Boer n’incarnaient pas seulement la haine et l’amour, la blessure et la guérison de celle-ci. Les deux étaient père et fils dans l’un des moments les plus émouvants qui puissent se passer entre un père et son enfant. Il n’existait pas de haut, ni de bas, pas question de pouvoir entre vieux et jeune, il n’y avait que confiance, et le désir d’être protégé et entouré.
Tout autour des deux hommes, la scène était dévastée par des objets de culte nazis. Un drapeau israélien à moitié brûlé, des photos de maisons taguées, et des coupures de journaux relatant des agressions de juifs en Hollande, des néonazis en papier mâché – tout ceci avait été sorti du placard par un Ilay, fou de colère. Le rangement qui suivait se faisait sans paroles, accompagné par de la musique. Cela équivalait à un processus de purification.
Plus de tensions entre les deux, plus de tensions non plus dans le public et on a pu assister à la disparition des ordures qui recommencent à envahir l’Europe, dans des poubelles.
Qu’Ilay ait ressorti du barbelé ainsi que des photos mises de coté par son père, pour les étaler, sera matière suffisante pour une autre histoire.
Texte traduit de l’allemand par Andrea Isker