Das Gedankenkarussell in St. Agatha
28. Mai 2007
Raum leuchtet, voll von kleinen Flämmchen, die unruhig flackern und eine wunderbare Stimmung verbreiten. Der besondere, leise klirrende Ton eines geschwenkten Weihrauchfässchens setzt mich in Erwartung des ganz eigenen Geruches, der bald überall im Raum schwebt. „Herr ich rufe zu Dir. Eile mir zu Hilfe“ singen wir nun immer wieder. Die eintönige Litanei, der Geruch […]
Michaela Preiner
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Raum leuchtet, voll von kleinen Flämmchen, die unruhig flackern und eine wunderbare Stimmung verbreiten. Der besondere, leise klirrende Ton eines geschwenkten Weihrauchfässchens setzt mich in Erwartung des ganz eigenen Geruches, der bald überall im Raum schwebt. „Herr ich rufe zu Dir. Eile mir zu Hilfe“ singen wir nun immer wieder. Die eintönige Litanei, der Geruch des Rauchopfers und die vielen Kerzen bewirken, dass ich ruhig werde, zu mir komme, mich konzentrieren kann und vergesse, was noch vor einer halben Stunde im Alltagstrudel wichtig war. Von den vorgetragenen, kurzen Lesungen ergreift mich plötzlich jene, in der beschrieben wird, wie Gott die ausgetrockneten Gebeine mit Sehnen, Fleisch und Haut überzieht und zu neuem Leben erweckt. Meine Stimmung kippt in dieser Minute. Ich komme nicht umhin an Golem, den berühmten Stummfilm von Paul Wegener und Carl Boesner zu denken, und bin darüber amüsiert und verärgert zugleich. Was Kontemplation bewirken sollte, kurbelt mein Hirn leider wieder an. Ein Bild nach dem anderen zieht wie eine imaginäre Ausstellung vor meinem Inneren Auge vorbei. Sich aufstapelnde Knochen, computergenerierte Menschwerdung, das Aufwachen des schwarz-weißen Filmgolems, alles vermischt sich im Kopf, ohne ein Fünkchen Gebet. Solange, bis schließlich das „Vater unser“ angestimmt wird. Das Gebet wird vom Chor vorgetragen, in einer Vertonung, die mir nicht bekannt ist und die genau deswegen wieder meine ganze Aufmerksamkeit bindet. Ein schönes Stück Musik, ein schöner Vortrag zum Ausklang dieses Luzenariums, dieser Lichterfeier in der Kirche St. Agathe. Ich lasse in mir nachklingen, was mich bewegt hat und habe eigentlich gar keine Lust, mein kleines Flämmchen alleine stehen zu lassen. Aber auslöschen mag ich es schon gar nicht. Es soll weiterleuchten, so lange es noch mag. Auch wenn ich schon auf dem Weg zur nächsten Station der Nacht der offenen Kirchen in Aschaffenburg bin.

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