Ein Stück Hoffnung in der Apokalypse
Ein Stück Hoffnung in der Apokalypse
Michaela Preiner
Das Lob braucht Erklärung: Die Choreografin Saskia Hölbling hat mit ihrer Gruppe Dans.Kias in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Wolfgang Mitterer ein Stück auf die Bühne gebracht, welches das Publikum in den ersten Sekunden gewaltig erschreckt.
Was nicht zu sehen ist, und im eigenen Kopf zu einem Ganzen zusammengesetzt werden muss, steuert Mitterer mit einem spannenden Sound- und Klanggeschehen bei. Neben kurzen Einspielungen von realistisch wirkenden Geräuschen wie dem eingangs beschriebenen Einsturz- und Sirenengetöse oder einem Knistern und Knirschen, sind es Klangkompressionen mit hallenden Tönen und kurzen Akkordabfolgen, die sich mit leichteren, beinahe schwebenden Klangflächen kontinuierlich abwechseln. Im Laufe des Geschehens nimmt die Lautstärke zu und übertönt auch die Meeresbrandung, die immer wieder hörbar ist. Mitterers Komposition hat viel von einer minimalisierten, aber keinesfalls abstrakten Filmmusik und unterstützt damit das Szenario sinnlich und in großem Maße emotional.
In diesem kämpfen die beiden Männer, kurz nachdem sie verstanden haben, dass sie abseits jeglicher Zivilisation auf der schwimmenden Insel gefangen sind, zu Beginn um Leonie Wahl, der einzigen Frau. Gefragt wird sie nicht, vielmehr scheint das Recht des Stärkeren zu gelten. Diese weiß sich jedoch gegen die Annäherungsversuche immer wieder geschickt zu wehren und würde auch nicht davor zurückscheuen, in großer Bedrängung die Männer über Bord zu werfen. Erst als Anna Hein aus den todbringenden Fluten ebenfalls auf die Insel gerettet wird, entsteht eine andere Dynamik.
Die Unsäglichkeit der Situation ändert sich erst, als die vier Überlebenden einen weiteren zu sich auf ihre schwimmende Insel holen. Oskar Mitterer, 9-jähriger Volksschüler, wird mittels gemeinsamer Anstrengungen aus der zweiten Publikumsreihe mit „ins Boot geholt“. Schlagartig verändert sich der Umgang der Erwachsenen untereinander. Die Rivalität ist wie weggeblasen, der Beschützer- und Überlebensmodus scheint aktiviert. Nach wenigen Augenblicken erscheint mit kurzen, tiefen Streicherklängen ein Miniaturmotiv. Der Komponist greift dafür tief in die Hollywood-Musik-Kiste und baut dieses Motiv noch weitere Male beständig, zugleich aber auch subtil aus, sodass das Gefühl hochkommt, dass das Happyend nahe sein muss.
Und tatsächlich wendet sich das Blatt zum Guten und lässt alle Fünf, nun stehend in der kleinen, schwarzen Plastikwanne, auf ein Land zusteuern, von dem nur sicher ist, dass es erst einmal Rettung bedeutet. Dieses Bild, ein Stück Hoffnung, das die Apokalypse hinter sich lässt, ist nicht nur stark. Seine Statik und Einfachheit ist, in Kombination mit dem Sound, einfach emotional überwältigend.
Es mag wohl auch diese so erlösende Aussicht auf eine allerorten düster prognostizierte Zukunft sein, die dieses Stück zeitgenössischen Tanz so überaus beeindruckend erscheinen lässt. Chapeau, chapeau und: Danke dafür!